Wie weiter mit unserem Strom?
16.09.2025 Bremgarten, Zufikon, Energie50 Jahre AEW Bremgarten-Zufikon: Grosse Podiumsdiskussion am Rande der Feierlichkeiten
Die AEW nutzte die Gelegenheit des Jubiläums und lud in Bremgarten zu einer hochkarätigen Diskussionsrunde zum Thema Wasserkraft und Energiezukunft.
...50 Jahre AEW Bremgarten-Zufikon: Grosse Podiumsdiskussion am Rande der Feierlichkeiten
Die AEW nutzte die Gelegenheit des Jubiläums und lud in Bremgarten zu einer hochkarätigen Diskussionsrunde zum Thema Wasserkraft und Energiezukunft.
Marco Huwyler
Wenn man ein halbes Jahrhundert feiert, dann ist Knausern fehl am Platz. Dachten sich wohl jedenfalls die Verantwortlichen der AEW. Und so liess man sich auch für das Rahmenprogramm rund um das grosse Bremgarter Kraftwerk-Jubiläum nicht lumpen. Bereits am Mitarbeiterfest vergangenen Donnerstag soll es lustig zu und her gegangen sein. Und am Freitag lud der Aargauer Energieriese vor 70 geladenen Gästen zu einer Podiumsdiskussion, die in punkto Besetzung, Relevanz und Gesprächskultur so ohne Weiteres auch im Fernsehen hätte ausgestrahlt werden können.
Wasserparadies Bremgarten
Das begann schon bei der Gesprächsleitung. Karin Frei hat 30 Jahre SRF-Erfahrung auf dem Buckel und moderierte etwa jahrelang die Diskussionssendung «Club». Nun war sie zu Gast in Bremgarten. «Ein Ort, den ich immer wieder gerne besuche», lächelte sie eingangs. «Der Aargau mag ein Wasserschloss sein – aber Bremgarten ist ein Wasserparadies.» Damit hatte sie die Einheimischen natürlich schnell für sich gewonnen. Wobei es gar nicht so sehr die Bremgarter waren, die sich hier zum Austausch zusammengefunden hatten. Vielmehr trafen sich hier wirtschaftliche Entscheidungsträger und Politiker aus Region und Kanton. Und natürlich viele AEW-Vertreter.
Schwierige Ausgangslage
Deren CEO Marc Ritter war denn auch Teil der vierköpfigen Runde, die sich dem Fragenkreis stellte. Mit Regierungsrat Stephan Attiger, Andreas Stettler vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband (hydrosuisse) sowie Grossrat und Pro-Natura-Aargau-Geschäftsführer Matthias Betsche wurden die Energieversorgung der Schweiz und die Rolle der Wasserkraft dabei diskutiert. Bereits zuvor hatte der kantonale Leiter der Abteilung Energie Adrian Fahrni über Strategien und Herausforderungen in der Strombranche referiert. «Wir brauchen Versorgungssicherheit heute, damit die Energiewende morgen gelingen kann», sagte er. Kein leichter Spagat. «Der Ausbau der Windenergie stockt. Der Boom der Solarkraft ist rückläufig. Das Potenzial der Wasserkraft ist weitgehend ausgereizt und die Atomenergie soll zurückgefahren werden – das alles bei steigendem Energiebedarf», brachte er die Schwierigkeiten bereits vor der Podiumsdiskussion auf den Punkt.
Gegner an Bord holen
Trotz dieser Ausgangslage war die Debatte anschliessend auch von viel Zuversicht geprägt. «Wenn es uns gelingt, nicht nur alle Interessen an einen Tisch zu bringen, sondern auch den Schritt vom Dialog zur Partnerschaft zu machen, wie damals vor 50 Jahren in Bremgarten, dann ist vieles möglich», sagte Pro-Natura-Vertreter Betsche. Nur wenn man wichtige Anspruchsgruppen gemeinsam an Bord hat, könne es gelingen, beschlossene Projekte auch umzusetzen. «Denn es liegt an uns, die Bevölkerung zu überzeugen.» Während ein Publikumsvotum von Grüne-Politiker und WWF-Vorstandsmitglied Jonas Fricker sich diesbezüglich skeptisch zeigte, «angesichts der derzeitigen FDP/SVP-Mehrheit im Aargau, die im Polit-Alltag knallhart ausgespielt wird und Kompromisse verunmöglicht», gab sich Regierungsrat Attiger von ebenjener FDP durchaus konziliant. «Die Umwelt und die Natur sind letztlich für uns alle wichtig. Auch wenn manche von uns die Prioritäten manchmal anders setzen», sagte er. Komme es wirklich darauf an, seien auch heute konsensfähige Lösungen möglich. Und so soll es in den kommenden Jahren beispielsweise gelingen, auch in punkto Windenergie einen Schritt vorwärtszumachen.
Mühe mit Verbandsbeschwerderecht
Eine Hürde auf diesem Weg verordnet Andreas Stettler vor allem auch beim Verbandsbeschwerderecht. «Dank diesem Instrument haben wir es immer wieder mit Fundamentalopposition zu tun, egal worum es geht», ärgert sich der Wasserwirtschaftsverbandsvertreter. Als Repräsentant eines Umweltverbandes wollte dies Betsche natürlich nicht so stehen lassen. «Dass die Verbände das Problem sind, finde ich wahrlich zu kurz gedacht», sagte der Pro-Natura-Geschäftsführer. Vielmehr müsse man schauen, dass man diese eben mit einbezieht. «Denn gerade wir verschliessen uns gangbaren Kompromissen nicht. Das haben wir schon oft bewiesen.» Das musste denn auch Stettler eingestehen. «Ja, mit Pro Natura und auch dem WWF kann man diskutieren. Aber das gilt eben nicht für alle.» Weshalb er es begrüssen würde, wenn man hier rechtliche Hürden verringert.
Auch Regierungsrat Attiger weiss um das Problem des Verhinderns in der Schweiz. Im Zuge dessen wies er auf die Notwendigkeit von Übergangstechnologien, wie Gaskraftwerken hin, um in den nächsten Jahren Engpässe zu vermeiden. «Denn wir wissen alle, wie lange die Umsetzung von grossen Projekten dauert.» Auch AEW-CEO Ritter sprach in der Folge über die Pflicht, ganzheitlich zu denken. «Und das bedeutet auch, dass wir über die Landesgrenzen schauen müssen. Denn die Strom-Debatte hört dort nicht auf», sagte er – auch ein Verweis auf die Strom-Importe und -Exporte der Schweiz. «Wir müssen deshalb auch künftig Hand in Hand mit der EU arbeiten und gemeinsame Lösungen bezüglich Energieversorgung anstreben.»
Speicher und Netz
Gewachsen ist in den vergangenen Jahren im Aargau und schweizweit der Anteil der Solarenergie. Doch die Technologie bringt bekanntlich auch Schwierigkeiten mit sich. Allen voran die stark schwankende Produktivität und der eklatante Unterschied zwischen Sommer und Winter. Ein wichtiger Faktor der Energieversorgung der Zukunft ist nicht nur deshalb die Möglichkeit, Strom bei Überproduktion zu speichern und damit die Netze zu entlasten. «Deshalb müssen wir uns längst nicht nur über Produktivität Gedanken machen, sondern über Speicher und den Ausbau der Netzkapazität. Das wird in den kommenden Jahren mindestens so zentral sein wie die Steigerung der Produktion», sagte Attiger folgerichtig.
Kleines nicht unterschätzen
Eines ist an diesem Podium für alle klar: Auch aufgrund ihres vergleichsweise konstanten Outputs, aber vor allem aufgrund ihres grossen Anteils am Stromkuchen bleibt die Wasserkraft auch in Zukunft elementar wichtig. Doch das Potenzial ist begrenzt – es ist vielfach nahezu ausgeschöpft. Gerade im Aargau. «Platz für Neubauprojekte gibt es praktisch keine mehr – und wenn, wären sie schwer umzusetzen», erklärte Ritter. Bleibt die Möglichkeit, bestehende Kraftwerke noch produktiver und effizienter zu machen. «Wobei wir dies ohnehin laufend tun», wie Ritter betonte. Vieles sei heute schon auf neustem Stand. Man habe über 100 Jahre hinweg immer wieder modernisiert. «Und dennoch bleibt es wichtig, dass man hier dranbleibt», ergänzte Stettler. Denn man müsse sehen: «Wenn wir aus einem grossen Wasserkraftwerk 10 Prozent mehr herausholen können, tönt das zwar nicht nach viel – entspricht aber aufgrund der Dimensionen gleich dem Äquivalent von einem oder zwei neuen Windparks.»
«Wunschlos glücklich»
Und so wird der Aargau auch, wenn er dereinst seine Atomkraftwerke verlieren sollte, weiterhin eine zentrale Rolle in der Stromproduktion der Schweiz einnehmen. Denn schliesslich ist man ja ein Wasserschloss. Dessen Wasserparadies Bremgarten im Übrigen auch in den kommenden 50 Jahren seinen Anteil an der Versorgungssicherheit leisten soll. Moderatorin Frei fragte ebendort zum Abschluss, was man denn der AEW zum grossen Bremgarter Jubiläum wünsche. «Mit der AEW bin ich wunschlos glücklich», sagte Regierungsrat Attiger und erntete damit viele Lacher. Und auch wenn das vielleicht nicht zu 100 Prozent stimmt – zu einem runden Geburtstag darf man ja auch einmal etwas schmeicheln. Zumal Feier samt Podium tatsächlich wenig zu wünschen übrig liess.