Südumfahrung in weiter Ferne
17.05.2024 Wohlen, EinwohnerratEinwohnerrat will keine Nachprüfung der kantonalen Verkehrszählung im Wohler Zentrum
Mit Skepsis hat die Mitte die Resultate der kantonalen Verkehrszählung zur Kenntnis genommen. Ein Vorstoss von Harry Lütolf verlangte eine Nachprüfung. Aber ...
Einwohnerrat will keine Nachprüfung der kantonalen Verkehrszählung im Wohler Zentrum
Mit Skepsis hat die Mitte die Resultate der kantonalen Verkehrszählung zur Kenntnis genommen. Ein Vorstoss von Harry Lütolf verlangte eine Nachprüfung. Aber eigentlich ging es in der Debatte erneut um die Südumfahrung.
Daniel Marti
«Es wird drei Jahrzehnte dauern, bis Wohlen zu einer Umfahrung kommen könnte.» Diese Feststellung von Gemeindeammann Arsène Perroud zeigt auf, wie weit in die Ferne eine allfällige Südumfahrung von Wohlen gerückt ist. Die Zweckmässigkeitsbeurteilung durch den Kanton kommt zu diesem Schluss. Dieses konsequente Urteil gaben die Kantonsverantwortlichen im vergangenen Herbst den Wohlerinnen und Wohlern weiter.
Der Traum von der Südumfahrung ist somit vorerst geplatzt. Und damit geben sich die Politikerinnen und Politiker in Wohlen zufrieden – die einen zähneknirschend, die anderen mit der Faust im Sack. Nicht aufgegeben hat zumindest einer: Harry Lütolf, Mitte, zweifelte die aktuellsten Zahlen des Kantons an. Seine Analyse ergab zumindest ein etwas fragwürdiges Bild ab. Zwischen der Verkehrszählung im Jahr 2002 und 2023 gab es eine Zählstelle, die Skepsis hervorruft.
Fragwürdig: Weniger Verkehr trotz Bevölkerungswachstum?
Überall im Ort ist eine Zunahme des Verkehrs feststellbar. Bei der Dorfeinfahrt Anglikon eine Steigerung von 36,8 bis 40,8 Prozent, bis zu 13 000 Fahrzeuge wurden dort erfasst. An der Villmergerstrasse wurde ein Plus von 6,2 bis 6,8 Prozent festgestellt, die maximale Zahl liegt bei 18 230 Fahrzeugen.
Und an der Zentralstrasse, Höhe Manor, wurde ein Minus ausgewiesen, zwischen 2,3 und 4,3 Prozent. Dieser sinkende Wert, runter auf ein Minimum von knapp 10 000 Fahrzeugen. sorgte bei Harry Lütolf für Stirnrunzeln. Also im Jahr 2023 gab es deutlich weniger Verkehr im Wohler Zentrum als noch im Jahr 2002 – obwohl in dieser Zeitspanne die Bevölkerung um 24,2 Prozent zugenommen hat (im Bezirk Bremgarten sind es plus 28,8 Prozent). Da stimmt doch etwas nicht, dachte sich Lütolf. «Die Zahlen dieser aktuellen Verkehrszählung sind nicht plausibel», hält er in der Motion fest. Darum forderte er eine Nachzählung, eine Nachprüfung des Anteils des Durchgangsverkehrs. Denn der Durchgangsverkehr hat nun mal einen Einfluss auf den Entscheid, ob eine Südumfahrung zum Thema wird oder nicht. Die Südumfahrung neu lancieren – aber im Einwohnerrat war Lütolf mit diesem Ansinnen chancenlos. Die Motion wurde grossmehrheitlich abgeschmettert.
Plus zehn Prozent – und vieles sieht anders aus
Der Verkehr habe sich eben verlagert, erklärte Gemeindeammann Perroud, «weg vom Zentrum». Für Patrick Schmid, Grüne, wurde die letzte Verkehrszählung «seriös durchgeführt». Zudem sei es schwierig, Vergleiche zu tätigen. Denn die Situation und die Verkehrslage verändern sich ja stets. «Wir haben einfach viel Quellenverkehr.» Aber die Zahlen reichen trotzdem nicht, um eine Südumfahrung zu rechtfertigen, «Zehn Prozent höher und dann sieht alles anders aus», erwiderte Lütolf. Und in diesem Bericht könnte auch die fehlerhafte Zählung sein.
Patrick Schmid möchte sich jedoch eine Nachzählung gar nicht leisten, die kostet nämlich zwischen 50 000 und 100 000 Franken. Und eine Südumfahrung in 30 bis 40 Jahren ist ihm auch ein Graus, «bis dann sind wir hoffentlich verkehrstechnisch anders unterwegs».
«Jedes Kaff bekommt seine Umfahrung»
Für die SVP müssten zuerst die Kriterien neu abgeklärt werden. «Unter welchen Voraussetzungen wird eine Umfahrung möglich», sagte Claudia Hauri. Und Manfred Breitschmid fügte an: «Wenn wir diese Kriterien nicht kennen, dann müssen wir auch keine Autos zählen.» Lionel Zingg für die FDP erinnerte daran, dass Wohlen erst auf die Finanzen schauen müsse. «Wir sehen keinen Grund, die Zahlen anzuzweifeln», sagte Beate Zimmermann für die Fraktion GLP/EVP. Die Kriterien sind jedoch bekannt, so Ammann Perroud. «Die Auswirkungen einer Umfahrung auf Natur und Siedlung werden inzwischen anders bewertet.» Oder die Grundwassersituation war vor zehn Jahren kein wesentlicher Punkt, «heute dagegen schon». Der Durchgangsverkehr ist sicherlich mitentscheidend. In Sins beispielsweise habe dieser bis zu 80 Prozent betragen, so Perroud, «davon sind wir in Wohlen weit entfernt». Und sollte die Südumfahrung tatsächlich wieder zum Thema werden, «dann muss die Kosten-Nutzen-Analyse neu gemacht werden».
Der Motionär gab sich mit der Haltung von Parlament und Gemeinderat nicht zufrieden. «Ihr Wohler kämpft nicht für euer Recht in Aarau», ärgerte sich Harry Lütolf, «wir stehen für unsere Interessen nicht ein. Jedes Kaff bekommt in diesem Kanton seine Umfahrung.» Die Zahlen beim Durchgangsverkehr seien ein «Killerkriterium», und Wohlen nehme das einfach hin – selbst wenn die Unterschiede der Verkehrszählungen nicht plausibel sind.