Literarische Zeitreise
18.11.2025 Bremgarten, Literatur, BücherGelungene Erzählnacht in Bremgarten
Vergangenen Freitagabend fand in Bremgarten wieder die Erzählnacht statt, welche mit voll besetzten Lesungen und stimmungsvoller Atmosphäre das Städtchen begeisterte.
Gianna ...
Gelungene Erzählnacht in Bremgarten
Vergangenen Freitagabend fand in Bremgarten wieder die Erzählnacht statt, welche mit voll besetzten Lesungen und stimmungsvoller Atmosphäre das Städtchen begeisterte.
Gianna Schläpfer
Es ist ein Anlass, der längst zum festen Bestandteil des lokalen Kulturlebens geworden ist: Die Erzählnacht im historischen Städtchen Bremgarten. In den Räumlichkeiten des Zeughauses, des Schellenhauses, der Stadtbibliothek und des Schlössli reihten sich 16 Lesungen im Halbstundentakt aneinander, begleitet vom warmen Licht des Gastrobetriebs und einem Publikum, das dieses Jahr besonders zahlreich erschien.
Familiensaga im gefüllten Bürgerhauszimmer
Unter den Lesenden war auch Jérôme Sutter, welcher aus seinem Roman «Bullinger – eine Familiensaga» vortrug. Wer zehn Minuten vor Lesungsbeginn noch einen Platz im lauschigen Parterre des Schlössli suchte, merkte schnell: Der Andrang ist gross. Im gespannten Ambiente des dicht besetzten Bürgerhauszimmers erzählte Sutter von seiner Entdeckung, von der Bullinger-Familie aus Bremgarten abzustammen, und wie das sein Interesse für die reformationszeitliche Geschichte entfachte.
Er liest vom Ablassverkauf des geschäftstüchtigen Franziskaners Samson und wie dieser aufgrund des Dekans Bullinger unverrichteter Dinge wieder aus Bremgarten abziehen musste. «Auf dich haben wir hier nicht gewartet», lässt Sutter Heinrich Bullinger hören, welcher seine Bremgarter Schäfchen nicht geschoren sehen wollte. Nach seiner Lesung bedankt sich der Autor beim vollen Saal: «Es freut mich, dass ihr einem alten Bremgarter zugehört habt.» Auch nimmt er eine Einordnung zum Thema vor: Man dürfe Geschichte nicht unter den Tisch wischen. «Es beelendet einen, dass Menschen immer dieselben Fehler machen.» Die Fortsetzung der Geschichte präsentierte Sutter später am Abend im Kellertheater.
Preacher-Slam mit Corinne Dobler
Im Schlössli liest zum Höhepunkt des Abends schliesslich die Bremgarter Pfarrerin Corinne Dobler aus ihrer Preacher-Slam-Sammlung. Unter dem Motto des Abends trägt sie drei Texte vor, die vom Suchen, Finden und Sichselbst-Erkennen handeln. Einen speziell für diesen Abend verfassten Text begleitet sie mit eingespielter Musik. «In dir erkenne ich mich wieder», richtet sie sich dabei direkt an die Zeit, das Motto des heutigen Abends.
Es gehöre zu ihrer Lebensmission, zu suchen, aber nicht zu finden. «Wenn es mich nicht bewegt, kann ich es auch nicht gut rüberbringen», so die Pfarrerin über ihre Textauswahl. Die Pfarrerin und Seelsorgerin ist auch auf Poetry-Bühnen anzutreffen. Im Vergleich dazu genoss sie an diesem Abend das wettkampflose, wertungsfreie Setting der Erzählnacht, welche etwas Familiäres ausstrahlte. Man begegnet hier immer wieder den gleichen Leuten, der Abend ist von einem Gefühl heimeliger Vertrautheit begleitet. Auch nun, als der vorwinterliche Abend kühler und dunkel wurde, sass und stand das Publikum noch dicht gedrängt, aufmerksam lauschend. «Es gibt hier eine Dichte an Konzentration, welche sich auf die Atmosphäre auswirkt», meinte Dobler und dankte der Organisation: «Megaschön, dass es immer wieder Menschen gibt, die die Erzählnacht aufbauen.»
Kulturvermittlung mit unterschiedlichen Qualitäten
Hans Jörg Gygli, seit vier Jahren Mitorganisator, zeigte sich ebenfalls begeistert. Bei einer Lesung habe er 67 Zuhörende gezählt, doppelt so viele, wie ursprünglich Plätze bereitstanden. «Die Leute schätzen es, ihre Aufmerksamkeit einmal ganz auf ein Element zu richten. Diese Qualität von Kulturvermittlung löst bei mir ein richtiges Hochgefühl aus.» Er spüre eine intensive Dankbarkeit für die Kulturveranstaltung. Die Erzählnacht ist seit jeher eine Gemeinschaftsproduktion von Kellertheater und Stadtbibliothek, welche sich auf das Erwachsenensegment konzentriert.
Das diesjährige Motto «Zeitreise» sollte das Publikum verbinden. Denn wer wünscht sich nicht manchmal, den Lauf der Zeit verändern oder Vergangenes korrigieren zu können? In Geschichten sei das noch möglich, meint Gygli dazu: «Eine Vorstellung, die Generationen beflügelt und verbindet.»
Nachdem der letzte Applaus verhallt war, freuten sich die Teilhabenden, den Abend zusammen in der Trotte-Bar ausklingen zu lassen. Selbst dort wurde der Platz schnell knapp. Ein Abend, der zeigt, wie wohltuend es sein kann, für eine Weile die Zeit zu vergessen.


