Ein unrühmliches Kapitel
03.10.2025 Region Oberfreiamt, Buttwil, Bücher, LiteraturDer Buttwiler Stephan Rey präsentiert sein neues Buch «Auf Teufel komm raus»
Frühling 1966. Bei einer Teufelsaustreibung stirbt die damals 17-jährige Bernadette Hasler. Ihrer Geschichte widmet Autor Stephan Rey sein neustes Buch, «eine ...
Der Buttwiler Stephan Rey präsentiert sein neues Buch «Auf Teufel komm raus»
Frühling 1966. Bei einer Teufelsaustreibung stirbt die damals 17-jährige Bernadette Hasler. Ihrer Geschichte widmet Autor Stephan Rey sein neustes Buch, «eine historische Erzählung». Dabei bringt er auch seine eigene Geschichte mit ein.
Annemarie Keusch
Noch sind seither keine 60 Jahre vergangen. Seit damals in einer Frühlingsnacht Bernadette Hasler ums Leben kam. Sie sei vom Teufel besessen und dieser müsse ausgetrieben werden. So lautete das Verdikt, das der exkommunizierte Pater Josef Stocker und Magdalena Kohler fällten – der heilige Vater und die heilige Mutter der Sekte, die sie «Internationale Familiengemeinschaft zur Förderung des Friedens» nannten. Diese Teufelsaustreibung endete im Tod der damals 17-jährigen Frau aus Hellikon. In der Folge gingen die Wogen in der Schweiz und im nahen Ausland hoch. Medial war das Thema omnipräsent. Nun hat sich Autor Stephan Rey der Geschichte angenommen. Als «historische Erzählung» bezeichnet er sein neustes Werk. «Alles basiert auf Fakten», sagt er. Fakten, die er aus Geschichtsakten, aus Zeitungen, aus dem Fernsehen sammelte.
Stephan Rey ist in Büttikon, Bettwil und am längsten in Buttwil aufgewachen, er lebte jahrelang in Hägglingen, aktuell ist er in Rohr zu Hause. Also weit weg vom Fricktal, von Hellikon, wo Bernadette Hasler herkam. Mitnichten. Reys Grossmutter hiess Hasler, stammte aus Hellikon. «Ihre Geschichte war entsprechend immer präsent bei uns. Dabei betonte unsere Grossmutter stets, dass wir nicht mit ihr verwandt gewesen seien.» Nachgeprüft, ob dem vielleicht doch nicht über zig Ecken so sei, hat dies Stephan Rey nicht. Stattdessen erzählt er Bernadette Haslers Geschichte.
In Hellikon wird geschwiegen
Überhaupt auf die Idee kam er über seine berufliche Tätigkeit. Rey ist Mitarbeiter der psychiatrischen Spitex. Eine Klientin, die unter einer Psychose litt, verwechselte ihre Geschichte mit jener von Bernadette Hasler. Rey wurde hellhörig, sprach seine Mutter, die ebenfalls in Hellikon lebte, darauf an. «Dann hat es mich gepackt.» Rey ging auf Spurensuche. In Hellikon, einem Dorf, in dem diese Vorkommnisse verdrängt werden. «Ich habe Leute darauf angesprochen, erzählen wollte aber niemand.» Direktbetroffene hat er bewusst aussen vor gelassen. «Ihre Schwester denkt sicher noch genug oft daran, was passiert ist. Da wollte ich nichts aufwühlen.» Die «Heilige Mutter» und der «Heilige Vater» lebten in Hellikon, im Untergrund, versteckt von der Bauernfamilie Hasler. Sie waren im Dorf nicht die Einzigen, die Anhänger der Sekte waren. Bernadette Hasler war später Dienstmädchen der Sektenführer in deren Ferienhaus im Zürcher Oberland. Doch sie begann, sich aufzulehnen. Die klare Folgerung der Sektenführer: Sie müsse vom Teufel besessen sein. Fortan wurde sie ausgegrenzt, gemieden – und in jener Frühlingsnacht 1966 sollte ihr der Teufel ausgetrieben werden. Sieben Leute seien damals dabei gewesen, alle wurden bestraft, einer lebt noch. In jener Nacht wurde Bernadette Hasler zu Tode geprügelt.
Vertuschungsversuche folgten, aber auch Gerichtsprozesse und Verurteilungen. Zehn Jahre sassen der «Heilige Vater» und die «Heilige Mutter» im Gefängnis. Ihre Sekte wurde staatlich verboten, lebte aber im kleinen Kreis in Süddeutschland weiter. «Als die ‹Heilige Mutter› wieder frei war, kam es gar zu einer zweiten Teufelsaustreibung in Deutschland – ebenfalls mit Todesfolge», weiss Stephan Rey. In der Berichterstattung nach der schrecklichen Tat, wird Haslers Mutter so zitiert: «Wenn Bernadette nicht getötet worden wäre, hätten wir nie den Weg aus dieser Sekte gefunden.»
Teufelsaustreibungen gibt es nach wie vor
Die Geschichte ist aufwühlend. Auch für den Autor. «Ich musste bewusst immer wieder Abstand nehmen.» Und er hat bewusst die brutalsten Details der Teufelsaustreibung weggelassen. «Das ist kaum zumutbar.» Rey hat den Kreis rund um die Geschichte von Bernadette Hasler absichtlich auch vergrössert. Als Einführung ins Buch erzählt er die Geschichte seiner Grossmutter, die lange Jahre im «Stiefeliryter» in Uezwil wirtete. Er baut Verbindungen zum bis zu den 1980er-Jahren stark unter dem Einfluss der katholischen Kirche stehenden Freiamt. «Klar, das war eine Sekte. Aber noch heute glaubt die katholische Kirche an den Teufel. Austreibungen gibt es nach wie vor, wenn auch in anderer Form, ohne Gewalt, ohne Berührungen», erzählt Rey.
Rey will mit «Auf Teufel komm raus» aufrütteln. Er will, dass Bernadette Hasler und ihre Geschichte nicht vergessen werden. Er will aber auch, dass sich etwas ändert. «Braucht es in solchen Fällen nicht medizinische Betreuung anstatt Teufelsaustreibung? Muss nicht abgeklärt werden, ob eine Psychose, ein Wahn oder eine Ich-Syntonie vorliegt, bevor Pfarrer oder Heiler beigezogen werden?» Rey weiss, dass aktuell in der Schweiz rund 20 000 Personen meinen, den Teufel in sich zu tragen. Er weiss auch, dass mehrere Hundert jährlich um eine Austreibung fragen. Reys Fazit ist deutlich: «Folge nie jemandem, der extrem ist. Lasse die Finger weg von Fanatismus.» Um sich zu distanzieren, brauche es Wissen. Und genau darum habe er sich entschieden, die Geschichte von Bernadette Hasler noch einmal zu publizieren.
Schreibt an nächsten Büchern
«Auf Teufel komm raus» ist Reys achtes Buch. Weitere werden folgen. «Aktuell schreibe ich an zwei Büchern parallel», erzählt er. Ob über ADHS, seine Ururgrossmutter, eine Buttwilerin, die sich als erste katholische Frau im Aargau scheiden liess, oder nun Bernadette Hasler, die in Hellikon lebte, wo auch der Autor selbst Wurzeln hat – «in jedem Buch steckt ein Teil von mir».
Mehr Infos: www.stephanrey.ch.