«Wir sind alle gefordert»
14.10.2025 Wohlen, Einwohnerrat, Finanzen, ParteienGestern Montagabend diskutierte der Einwohnerrat über das Budget 2026 und ob der Steuerfuss bei 116 Prozent bleibt
SVP, FDP und die Mitte setzten ein klares Zeichen. Ein Budget mit einer Steuerfusserhöhung ist für die Bürgerlichen aktuell nicht ...
Gestern Montagabend diskutierte der Einwohnerrat über das Budget 2026 und ob der Steuerfuss bei 116 Prozent bleibt
SVP, FDP und die Mitte setzten ein klares Zeichen. Ein Budget mit einer Steuerfusserhöhung ist für die Bürgerlichen aktuell nicht mehrheitsfähig. Das Trio will bei 116 Prozent bleiben. Damit stand der Vorschlag des Gemeinderates (120 Prozent) von Anfang an auf verlorenem Posten.
Daniel Marti
Finanzministerin Denise Strasser gab sich grosse Mühe, den Finanzhaushalt der Gemeinde darzustellen. Und sie erklärte eingehend, warum eine Steuerfusserhöhung von 116 auf 120 Prozent unausweichlich sei. Wer weiter und noch mehr sparen möchte, der solle aufzeigen, wo das möglich sei, sagte die Gemeinderätin. «Im Budget ist kein Spielraum mehr vorhanden.» Auf lange Sicht betrachtet, komme ein weiteres Aufschieben nur teurer. «Wohlen hat ein grosses Potenzial», betonte Strasser, «darum steuern wir doch auf ein zukunftsorientiertes Wohlen zu.» Und das sei nun mal nur mit einem Steuerfuss von 120 Prozent möglich. Die vier Prozente mehr Steuern seien gar nicht so schlecht, «wie viele meinen. Es gehört zu unseren Aufgaben, das aufzuzeigen, was möglich ist».
«Klar ungenügend»
Das tat Denise Strasser auch: «Das Haushaltgleichgewicht kann nicht eingehalten werden.» Darum müsse der Steuerfuss um vier Prozent rauf. Das Investitionsvolumen ist nach wie vor sehr hoch. Es beträgt im nächsten Jahr 18,2 Millionen Franken, 13,9 Millionen davon für Schulprojekte. Sie kommentierte Verbesserungen und Verschlechterungen zum Vorjahresbudget. Letztlich liegt das Ergebnis aus der betrieblichen Tätigkeit der Gemeinde Wohlen bei einem Minus von 2,5 Millionen Franken. Nur dank dem Ergebnis aus der Finanzierung (1,6 Millionen) und aus der sogenannten Aufwertungsreserve (900 000 Franken) ergibt sich ein knappes Defizit von 36 100 Franken.
Die Selbstfinanzierung ist zudem viel zu tief (29 Prozent). Sie darf eigentlich nicht unter 50 Prozent liegen. Dieser Wert ist aber «beim anstehenden Investitionsstau unmöglich» zu erreichen, so Strasser weiter. Und einige Posten im Budget seien von der Gemeinde nicht beeinflussbar, gab sie noch zu bedenken. Diese Bedenken nahm Daniel Heinrich als Sprecher der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission sehr wohl auf. «Aber die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde Wohlen ist klar ungenügend», betonte er.
Und die Investitionen gehen laut Finanzplan die nächsten zehn Jahre «steil nach oben. Die Schulden werden extrem steigen», so Heinrich weiter. Gemäss Finanzplan bis über 150 Millionen Franken. Auch darum brachte die FGPK einen Mittelweg ins Spiel: Steuerfusserhöhung auf 118 Prozent.
«Nicht realistisch» und eine konservative Linie
Diese Marke fand nur bei den Grünliberalen Anklang. Die aktuelle Politik sei nicht mehr gewünscht, sagte Olivier Parvex. Dies haben die Gemeinderatswahlen gezeigt. Nun müsse ein Weg gefunden werden und gleichzeitig müsse der Wunsch nach einem Kurswechsel respektiert werden. «Es braucht eine minimale Steuerfusserhöhung, aber vier Prozent sind nicht realistisch, auch wenn sie richtig wären», so Parvex.
Klar für 120 Prozent standen die Grünen und die SP ein. Wohlen habe grosse Investitionen getätigt, aber mit dem Steuerfuss sei man eine konservative Linie gefahren, sagte Simone Allenspach. «Höhere Löhne sind ein Muss. Und Wohlen muss als attraktive Gemeinde wahrgenommen werden.» Zudem, so die SP-Sprecherin weiter, werde der Kanton Aargau den Steuersatz senken. So werde die Steuerfusserhöhung in Wohlen um vier Prozent nicht dermassen stark gespürt. «Das ist wie ein eine Win-win-Situation.»
Der finanzielle Spielraum der Gemeinde werde stets kleiner, betonte Franziska Matter für die Grünen. «Und die Bevölkerung erwartet, dass die Gemeinde handlungsfähig bleibt.» Und laut Matter bedeutet eine gesunde Finanzpolitik, «dass man gut vorausschaut».
Die SVP ist einfach enttäuscht
Gezielte Weitsicht nehmen auch andere Parteien für sich in Anspruch. Beispielsweise die SVP. Sie scheiterte mit einem Rückweisungsantrag zu Beginn der Sitzung deutlich. Nur 8 Ja gab es für diesen Schritt. Die Kritik am Budget 2026 bleibt dennoch bestehen. «Wir sind enttäuscht, dass trotz Steuerfusserhöhung von vier Prozent der Gemeinderat ein Minus von 36 000 Franken präsentiert», reklamierte Adrian Kündig. Ein Steuerfuss von 120 Prozent werde jedoch vom Volk nicht akzeptiert, darum müsse man zwingend bei 116 Prozent bleiben.
Die SVP möchte zudem, dass der Gemeinderat in seiner neuen Zusammensetzung mit einem gültigen Budget starten kann. Dafür setzte sich die SVP ein – und brachte Abänderungsanträge im Umfang von rund 700 000 Franken ins Spiel (siehe Artikel unten).
Gemeinsam zu Lösungen
Daniel Heinrich, nun als Sprecher der Mitte, folgte der Volkspartei. Die Mitte stehe für 116 Prozent ein, «im Wissen, dass sowieso nicht alles umgesetzt werden kann». Mit einem gleichbleibenden Steuerfuss von 116 Prozent muss das Budget 2026 auch nicht vom Volk genehmigt werden. «So gehen wir bei einem allfälligen Nein kein Risiko ein, dass letztlich das Budget in Aarau beim Regierungsrat landet.» Eine Steuerfusserhöhung habe beim Stimmvolk keine Chance, «dessen müssen wir uns alle bewusst sein». Daniel Heinrich sagte noch, dass die Mitte erstaunt sei über die beantragte Lohnerhöhung von 2,6 Prozent für das Personal. Hier reichen 1,5 Prozent, so, wie es auch der Kanton Aargau macht. Heinrich sprach sämtlichen Einwohnerratsmitgliedern noch ins Gewissen: «Wir sind alle gefordert. Wir müssen jetzt die finanzielle Situation analysieren. Und wir müssen gemeinsam Lösungen finden.»
Grosse Sorgen und Hoffnung
Diese Lösungen kann auch die FDP, die Partei der Finanzministerin, nicht sofort aus dem Hut zaubern. «Aber wir machen uns grosse Sorgen wegen der grossen Zahl bei den Schulden und wegen der tiefen Zahl beim Selbstfinanzierungsgrad», erklärte Fraktionspräsident Lionel Zingg. Zudem sei im Finanzplan kein effektiver Schuldenrückgang abgebildet. «Und der Zug mit der Zinslast nimmt laufend Fahrt auf.» Die Gemeinde Wohlen werde tatsächlich Mühe haben, ein Finanzgleichgewicht herzustellen.
Dennoch hat Lionel Zingg eine grosse Hoffnung. Und die sieht er in der nächsten Amtsperiode: «Geben wir der neuen Zusammensetzung des Gemeinderates eine echte Chance», sagte er. Dann wird Claudia Hauri, die neue Gemeinderätin der SVP, wohl als Finanzministerin tätig sein.