Weil mehr verbindet als trennt
18.07.2025 Region Oberfreiamt, KircheAls Pilotprojekt im Kanton wird der Religionsunterricht im Oberfreiamt künftig ökumenisch geführt
Katholisch und reformiert gemeinsam in einem Religionsunterricht. Ab dem neuen Schuljahr ist das in Aristau, Benzenschwil, Beinwil und Buttwil Realität. ...
Als Pilotprojekt im Kanton wird der Religionsunterricht im Oberfreiamt künftig ökumenisch geführt
Katholisch und reformiert gemeinsam in einem Religionsunterricht. Ab dem neuen Schuljahr ist das in Aristau, Benzenschwil, Beinwil und Buttwil Realität. Die Idee dazu kommt von Irena Bobas, Leiterin Katechese beim Pastoralraum Muri und Umgebung.
Annemarie Keusch
Für Irena Bobas lag es auf der Hand. «Ich habe die Ausbildung zur Religionslehrerin bereits ökumenisch gemacht.» Die Faszination sei schon dort entstanden, der Austausch mit einer Freundin, die als reformierte Katechetin tätig ist, stetig geblieben. Im Hinterkopf hatte die Leiterin Katechese beim Pastoralraum Muri und Umgebung das Thema also immer. Seit sie vor neun Jahren ihre Tätigkeit hier aufgenommen hat. Immer wieder beobachtete Irena Bobas dabei, dass die Trennung von katholischem und reformiertem Religionsunterricht an Schulen für viele schwer verständlich ist. «Der Vater ist reformiert, die Mutter katholisch – und schon müssen sie sich entscheiden. Dabei ist Christ doch Christ», sagt sie. Es gebe zwar Unterschiede, aber auch ganz viele Verbindungen.
Über eineinhalb Jahre sind vergangen, seit sich nun ein Projektteam intensiv mit diesem Thema befasste. Mit dabei waren Vertreter des Pastoralraums Muri und Umgebung, des Pastoralraums Oberes Freiamt und der Reformierten Kirche Muri Sins. «Der Teufel steckt bei solchen Projekten im Detail», sagt Karl Scholz, Leiter des Pastoralraumes Muri und Umgebung. Schliesslich soll alles genau geregelt sein: die Finanzen, die Organisation, der Schulstoff.
Grosse Unterschiede in kleinen Gemeinden
Nun ist die Planung abgeschlossen. Nach den Sommerferien geht es los – vorerst in Buttwil, Benzenschwil, Beinwil und Aristau. «Ziel ist, dass ein Jahr später in allen Schulen der drei Kirchgemeinden umgestellt wird», sagt Irena Bobas. In den kleineren Gemeinden sollen nun erste Erfahrungen gesammelt werden. Gerade auch, weil sich in kleinen Ortschaften die bisherige Problematik gut zeigt. Vor allem für die reformierte Kirche war es schlichtweg nicht möglich, allen Kindern Religionsunterricht anzubieten. «In Beinwil ist es beispielsweise nur ein Kind, das reformiert ist, in Aristau ist es die Hälfte.
Die Unterschiede sind gross. Wenn wir nun diesen Weg gemeinsam gehen, ist vieles einfacher», betont Irena Bobas. Das heisse keinesfalls, dass der katholische Unterricht Überhand nehme, wenn die nummerische Mehrheit deutlich ist. «Wie beim ganzen Projekt wird es auch im Unterricht selbst sein: Wir begegnen uns auf Augenhöhe.»
Die Idee zum Projekt schwelte schon länger in Irena Bobas. Auch weil sie als Leiterin Katechese erfährt, dass vieles rund um den Religionsunterricht nicht einfacher wird. Der Platz in Schulhäusern wird immer knapper. Und auch personell wird es immer schwieriger, geeignete Lehrpersonen zu finden. Die Tatsache, dass am vorherigen Wirkungsort von Karl Scholz Religion bereits ökumenisch unterrichtet wird und dies sehr gut läuft, bestärkte sie weiter. «Schliesslich basieren unsere Religionen auf der gleichen Bibel. Die Parallelen sind häufig, auch in der bisherigen Unterrichtsgestaltung», weiss Irena Bobas. Im Kanton Aargau gehen die Kirchgemeinden im Bezirk Muri diesen Schritt als Erste – in anderen Kantonen ist dies längst etabliert.
Letztes Abendmahl statt Erstkommunion
Den Unterrichtsplan für das erste Schuljahr haben Vertreterinnen und Vertreter aller drei Kirchgemeinden gemeinsam erarbeitet. «Wirklich miteinander zusammenarbeiten setzt Bereitschaft aller Parteien voraus. Und diese ist da», sagt Karl Scholz. Denn es braucht von allen Involvierten ein Umdenken. Nicht mehr die Vorbereitung für die Erstkommunion wird im Religionsunterricht thematisiert, sondern vielleicht ganz allgemein das letzte Abendmahl. «Die Vorbereitung auf die Sakramente erfolgt nur noch ausserschulisch. So, wie es bereits bisher zu weiten Teilen war», erklärt Irena Bobas.
Dabei ist ihr wichtig zu betonen, dass es nicht darum gehe, die beiden Religionen zu einem «Einheitsbrei zu vermischen». «Wir wollen einander kennenlernen, voneinander lernen. Wir wollen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zelebrieren.» In einer vielfältigen, oft weltanschaulich zersplitterten Gesellschaft soll der ökumenische Religionsunterricht zentrale Kompetenzen vermitteln: Toleranz, Gesprächsfähigkeit und das Verständnis für andere Perspektiven. Es gehe um das Verständnis zwischen den Religionen. Dieses soll gefördert werden. Das sei auch der Wunsch des Bistums, das diesen Schritt begrüsse. Und Karl Scholz betont: «Im Rahmen der Umfrage innerhalb unseres Pastoralraums wünschten sich viele Leute mehr Ökumene.» Zumal dieses Miteinander gerade im Religionsunterricht auch bisher gelebt wurde. «Wir thematisierten nicht nur Bruder Klaus, sondern auch Zwingli», nennt Irena Bobas ein Beispiel.
Keine Religion ist besser als die andere
Die Vorfreude auf den gemeinsamen Weg ist bei der Initiantin gross. «Weil ich weiss, dass dieses Miteinander funktionieren kann», sagt Irena Bobas. Ihre Familie stammt ursprünglich aus dem katholischen Teil Bosniens. Sie kennt das Miteinander von Muslimen, Orthodoxen und Katholiken in Sarajevo, weiss um den Krieg, den es der Religion wegen auch gegeben hat. «Wenn es möglich ist, im Kleinen etwas zu tun, um gegenseitiges Verständnis zu fördern und den Weg mit- und nebeneinander zu gehen, dann ist das doch wunderschön.» Weil sowohl die katholische als auch die reformierte Kirche ihre schönen und ihre weniger schönen Seiten haben. Weil keine Religion besser ist als die andere.
Die Qualität des Religionsunterrichts möglichst hochzuhalten, ist ein weiterer positiver Effekt. Natürlich neben der Tatsache, dass nur so allen Kindern überhaupt Religionsunterricht angeboten werden kann. «Ob sich dann jemand eher im katholischen oder im reformierten Glauben zu Hause fühlt, dazu haben wir gar nichts zu sagen», betont Karl Scholz. Schliesslich könne man unterschiedliche Heimatdörfer haben und trotzdem nebeneinander wohnen. Die Gemeinden, die Schulen, die Kinder und die Eltern in Buttwil, Benzenschwil, Aristau und Beinwil sind mittlerweile informiert. «Negative Reaktionen gab es bisher keine», sagt Irena Bobas. Das lässt die Vorfreude auf den Start nach den Sommerferien weiter steigen.