«Sonst läuft es aus dem Ruder»
25.07.2023 Region Oberfreiamt, Waltenschwil«Auf ein Glas Wasser» mit Edith Frey, langjährige Schulleiterin in Waltenschwil
Eigentlich wurde sie vor zwei Jahren pensioniert. 13 Jahre lang prägte Edith Frey die Schule Waltenschwil vorher als Schulleiterin. Seither ist sie zweimal eingesprungen, ...
«Auf ein Glas Wasser» mit Edith Frey, langjährige Schulleiterin in Waltenschwil
Eigentlich wurde sie vor zwei Jahren pensioniert. 13 Jahre lang prägte Edith Frey die Schule Waltenschwil vorher als Schulleiterin. Seither ist sie zweimal eingesprungen, als Not am Mann war. Frey spricht über die Herausforderungen der Schule, etwa über die fehlenden Plätze an Sonderschulen.
Annemarie Keusch
Wie wichtig ist eine gute Schulleitung für eine Schule?
Edith Frey: Sehr wichtig, finde ich. Eine Schule braucht eine Führung. Meiner Ansicht nach ist es ideal, wenn diese jemand übernimmt, der oder die selber Erfahrung im Unterrichten hat. Jemand, der den Schulalltag kennt und weiss, worum es geht. Das Spektrum an Themen wird immer breiter. Umso wichtiger ist es, dass sich jemand damit auskennt. Sonst läuft die Schule Gefahr, aus dem Ruder zu laufen. Es könnte ein Vakuum entstehen, in das einzelne Lehrpersonen drängen und bestimmen wollen, wie es läuft.
Stabilität ist dafür ein wichtiger Faktor.
Das stimmt. Wenn jemand über eine längere Zeit bleibt, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass vieles stimmt. So entsteht keine Unruhe. Es ist ein grosses Glück, dass dies in Waltenschwil nicht passiert ist, obwohl es in den letzten zwei Jahren gleich zu mehreren Wechseln in der Schulleitung kam. Das langjährige und gute Team hat viel aufgefangen. Die Schule ist weiterhin gut aufgestellt, mehr Wechsel als üblich gab es Ende des Schuljahres nicht. Aber ein weiteres Mal soll dies hoffentlich nicht passieren. Umso wichtiger ist es, dass nun wieder Stabilität einkehrt. Und diesbezüglich bin ich mit der neuen Schulleiterin Nadia Fischer guten Mutes. Ich hoffe, sie bleibt so lange, wie ich hier tätig war (lacht).
Könnte es sein, dass es die Wechsel gab in den letzten zwei Jahren, weil sich die Aufgaben der Schulleitung nach der Abschaffung der Schulpflege stark verändert haben?
Das glaube ich nicht. Klar, die Arbeit hat sich verändert. Die Schulleitung trägt mehr Verantwortung, was ich nicht schlecht finde. Die Strukturen sind schlanker. Dass es für gewisse Themen, etwa baulicher Natur, zeitlich begrenzte Kommissionen braucht, erachte ich als unerlässlich. Das geht alleine schlicht nicht. Ich finde es nach wie vor spannend, eine Schule zu leiten, Verantwortung zu tragen, zu organisieren, Neues aufzugleisen. Aber ja, die Herausforderungen, sie nehmen auch in diesem Berufsfeld zu.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Die integrative Schule etwa. Ich finde es toll, dass möglichst viele Kinder integriert werden in den normalen Schulalltag. Aber bei allen ist das schlicht nicht möglich. Das würde allen schaden – den anderen Kindern, der Lehrperson und dem betroffenen Kind selbst. Ganz schwierig wird es jeweils, weil es im Kanton Aargau viel zu wenig Plätze in Sonderschulen gibt. Ich weiss von Schulen, auf deren Wartelisten rund 90 Namen stehen. Und ich weiss auch, dass es im Aargau Kinder gibt, die deswegen aktuell nicht beschulbar sind. Umso wichtiger ist es, bei diesem Thema am Ball zu bleiben.
Was heisst das?
Dass wir uns laufend darum bemühen müssen, für betroffene Kinder Plätze zu finden, obwohl es im Kanton Aargau keine gibt. Besonders schwierig wird es bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Gerade hier haben ausgebildete Schulleitungen, die Kontakte pflegen, grosse Vorteile. Kürzlich gelang es uns etwa, zwei Kinder in einer Sonderschule im Kanton Zug unterzubringen. Aber das braucht viel Zeit und Energie. Hier gibt es ganz viel Handlungsbedarf.
Was wäre Ihre Lösung?
Die ist ganz simpel: Es braucht zusätzliche Sonderschulen im Aargau. In der Politik wurde dieses Anliegen mehrmals platziert, auch von mir. Aber es sieht nicht danach aus, als sei eine Besserung in Sicht. Ohne Kontakte zu ausserkantonalen Schulen wäre es kaum möglich, Kinder in Sonderschulen zu platzieren. Möglichkeiten in Heimen gäbe es. Aber das kommt für viele Eltern nicht infrage. Ich verstehe es, dass sie ihr Kind nicht die ganze Woche weggeben wollen. Aber teilweise wäre es die beste Lösung, auch für das betroffene Kind.
13 Jahre Schulleitung, zwei interimistische Engagements – was bedeutet Ihnen die Schule Waltenschwil?
Sehr viel. Sonst wäre ich nicht zweimal zurückgekommen. Mich interessiert es, wie sich die Schule entwickelt, ich bin sehr zuversichtlich und hoffe, nicht mehr einspringen zu dürfen. Aber für kleine Stellvertretungen bin ich weiterhin zu haben. Ich mache diese Arbeit einfach gerne. Und gerade in Waltenschwil kannte ich die Schule schon, darum sagte ich auch nochmals Ja zu einem fünfmonatigen Engagement. Aber das suche ich nicht mehr. Viel zu sehr freue ich mich nun darauf, mehr Zeit meinem grossen Hobby, dem Reisen, widmen zu können. Im Herbst geht es in die USA und im November nach Südamerika.