Sogar im Himalaja getestet
09.07.2024 Region Unterfreiamt, SarmenstorfMit dem SarmiTuk schnell etwas erledigen
Seit Ende Juni steht ein ungewöhnliches Fahrzeug in der Marktstrasse in Sarmenstorf. Es handelt sich um ein Elektro-Tuktuk, heisst SarmiTuk und wird von einer Privatinitiative zur allgemeinen Nutzung angeboten.
...Mit dem SarmiTuk schnell etwas erledigen
Seit Ende Juni steht ein ungewöhnliches Fahrzeug in der Marktstrasse in Sarmenstorf. Es handelt sich um ein Elektro-Tuktuk, heisst SarmiTuk und wird von einer Privatinitiative zur allgemeinen Nutzung angeboten.
Britta Müller
Wer schon einmal in Ländern wie Indien oder Thailand gewesen ist, kennt sie: die auffällig bunten Tuktuks. Sie erinnern an die aus Japan stammende Rikscha – ursprünglich von Menschenhand gezogen. Die heutigen Tuktuks sind durch ein benzinbetriebenes 2-Takt-Motorrad mit einem meist dreirädrigen Aufsatz für zwei bis sechs Personen im Einsatz. Sie flitzen durch asiatische Städte, transportieren meistens Menschen von A nach B und sorgen so mancherorts für keine gute Luftumgebung.
Seit Ende Juni kann man nun auch in Sarmenstorf von A nach B kommen – aber das ganz umweltfreundlich und innovativ. Denn an der Marktstrasse steht ein weisses Elektro-Tuktuk mit dem Namen «SarmiTuk». «Ich habe die jungen Menschen von Sarmenstorf dazu eingeladen, bei der Namensgebung mitzuwirken», erzählt Gemeindeammann Mäni Baur stolz. Er selbst benutzt es immer wieder gerne für kleine Erledigungen und zischt damit fröhlich durch Sarmenstorf.
32 Städte und 15 Sprachen
Moment, gehört der Gemeinde das SarmiTuk und bietet sie dies ganz offiziell zur Nutzung an? «Nein, das Mietangebot stammt nicht von der Gemeinde, sondern von einer Privatinitiative», erklärt Meinrad Baur und erzählt kurz die Geschichte, wie es zum SarmiTuk kam. Vor zehn Jahren lernte er «Babu» über seinen Freund Roger Jaquet kennen. Babu hat das Elektro-Tuktuk entwickelt und heisst eigentlich Prasad Raja, hat «Angewandte Mathematik» studiert und ist Telekommunikationsingenieur. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Dazu hat er auf vier Kontinenten in 32 Städten gelebt und 21 Schulen besucht – deswegen spricht er auch 15 Sprachen. «Ich gehöre zu den wenigen Schweizern, die alle vier Landessprachen sprechen können», sagt «Babu» leise in einem Nebensatz, während er schon im nächsten Augenblick sprudelnd weitererzählt, dass es bislang nirgendwo – ausser in der Schweiz – möglich ist, ein Elektro-Tuktuk zu mieten.
In Sarmenstorf ist diese Nutzung seit Ende Juni möglich. Hier können alle Bewohner das SarmiTuk spontan mieten. Um eine oder mehreren Stunden oder für einen längeren Zeitraum das Gefährt zu mieten, muss man lediglich eine App Namens Subeez (bedeutet Surselva Beezers – Exzellentes aus der Surselva) auf dem Mobilphone herunterladen und den gewünschten Zeitraum definieren. Der Schlüssel ist am SarmiTuk in einem kleinen Schlüsselsafe deponiert. Sobald digital gebucht und bezahlt wurde, erhält man einen Pin zum Auslösen des Schlüssels. Alles am SarmiTuk inklusive App hat «Babu» selbst entwickelt und umgesetzt. Er ist ein absoluter Macher und verrät «die neue Mobilität bringt viele Veränderungen. Ich träume davon, dass diese Veränderungen für die Menschen zur Bereicherung wird und Freude bereitet, sie für sich zu nutzen».
Test auf 5000 Metern
Das SarmiTuk hat Platz für den Fahrer und zwei weitere Personen. Je nach geografischen Bedingungen fährt es bis zu 45 km/h und hat eine Reichweite von rund 90 Kilometern. Ein GPS-Tracking verrät, wo es sich befindet. Alle, die den Führerscheinen A1 und B1 besitzen, dürfen es nutzen. Die Bedienung ist leicht, es gibt nur einen Vorwärtsund Rückwärtsgang. Es ist etwas über 2 Meter lang, 1,5 Meter breit, 1,6 Meter hoch und 300 Kilogramm schwer. Ausserdem besitzt es eine Rückfahrkamera mit Monitor, eine Sitz- sowie Scheibenheizung. Die Türen können bei entsprechenden Temperaturen abmontiert werden und sorgen dann für das ultimative Sommer-Feeling und eine verwuschelte Frisur. Es besitzt einen kleinen Kofferraum und ganz wichtig: eine Hupe. Selbst im Schnee ist es fahrbar. «Wir sind bei minus 20 Grad im Schnee in Davos damit gefahren, das hat prima geklappt», erzählt «Babu» und ergänzt noch rasch «getestet haben wir es übrigens im Himalaja auf 5000 Metern Höhe.»
Für die Beladung mit Strom steckt man das Ladekabel des SarmiTuks in eine gewöhnliche Standard-230-V-Steckdose. Meinrad Baur hat dazu, für kleine Ladezeiten unterwegs, zwei Solarpanels auf das Dach des SarmiTuks montiert. Das SarmiTuk hat seinen festen Standort auf einem Parkplatz des früheren «Wilden Mann» an der Marktstrasse gegenüber dem Volg-Laden und der Raiffeisenbank. «Wir freuen uns sehr, dass die Grundstückseigentümer uns diesen Platz zur Verfügung stellen und spontan für die Stromzufuhr gesorgt haben», berichtet Meinrad Baur, «so sieht man das SarmiTuk bestens und wird dazu eingeladen, es zu nutzen.»
Schon beim 850-Jahr-Dorfjubiläum dabei
Das wachsame Auge erkennt, das SarmiTuk trägt ein Graubündner Fahrzeugkennzeichen Doch warum? Die Gemeinde Disentis, die Bergbahnen Disentis AG und T2 Raising aus Trun in Graubünden starteten mit «Babu» im Jahr 2022 das erste Pilotprojekt. Man wollte es nicht nur im Tourismus, sondern auch den Gemeindebewohnern zur Nutzung anbieten. Da das «Electric Tuktuk» auf der Strasse fährt, musste es auch entsprechend zugelassen werden. «Wir haben es damals über den Kanton Graubünden angemeldet, was sehr aufwendig war», berichtet Babu. Und da diese Zulassung zu viel Zeit und Geld kostete, wurde beschlossen, vorerst das Fahrzeugkennzeichen zu belassen.
Schon zum 850-Jahr-Dorfjubiläum haben die Sarmenstorfer das SarmiTuk – damals noch in der Farbe Orange – kennengelernt. Es transferierte zwei Tage lang die Bürger durchs Dorf – am Steuer sass selbstverständlich «Babu».
Viele andere Gemeinden zeigen ihr Interesse am Elektro-Tuktuk. Warum bietet die Nutzung also eine Privatinitiative und nicht die Gemeinde Sarmenstorf an? «Wir bieten bereits zum Thema Mobilität die SBB-Spartageskarte. Aber wir haben im Gemeinderat darüber gesprochen und schauen uns die Pilotphase von SarmiTuk an», erklärt Meinrad Baur. Dabei stellt er jetzt schon fest, dass vor allem junge Menschen das SarmiTuk anspricht, die noch nicht über ein eigenes Fahrzeug verfügen. Aber auch die ältere Generation zeigt Interesse für kleine Erledigungen und Touren zum Beispiel mit den Enkelkindern.
Warum nicht für Ausfahrt mit Senioren nutzen?
Wer weiss, vielleicht wird ja doch noch ein weiteres, grösseres SarmiTuk angeschafft. «Zum Beispiel könnten wir es für das Seniorenheim einsetzen und damit kleine Ausfahrten machen», überlegt Baur und steigt ins SarmiTuk ein. Dabei fällt auf, das Fahrzeug hinterlässt, sobald man es entdeckt, viele lächelnde Gesichter. Es wird gewunken, zugerufen und auch fotografiert. «Ich bekomme immer wieder lustige Bilder zugeschickt», verrät der Gemeindeammann mit einem Augenzwinkern, gibt Gas und flitzt hupend in Richtung Gemeindehaus. Prasad Raja, alias Babu, und Roger Jaquet bleiben lachend sowie verdient ein bisschen stolz zurück und hoffen im Stillen mit Meinrad Baur auf einen mobilen Erfolg für Sarmenstorf.