Sie will entstauben
12.12.2025 Region Oberfreiamt, Kirche, Musik, VereineCordula Stucki aus Boswil geht mit dem Kirchenmusikverband Oberfreiamt neue Wege
Neues wagen, ohne Traditionelles zu vergessen. So will Cordula Stucki als Präsidentin des Kirchenmusikverbandes Oberfreiamt (KMV) in die Zukunft gehen. Für viele Kirchenchöre ...
Cordula Stucki aus Boswil geht mit dem Kirchenmusikverband Oberfreiamt neue Wege
Neues wagen, ohne Traditionelles zu vergessen. So will Cordula Stucki als Präsidentin des Kirchenmusikverbandes Oberfreiamt (KMV) in die Zukunft gehen. Für viele Kirchenchöre steht mit dem Advent eine intensive Zeit bevor. «Singen ist für mich wie Psychohygiene», sagt Stucki.
Annemarie Keusch
Da ist eine junge Präsidentin, die sehr gerne lateinische Messen singt. Dort ist eine ältere Frau, die sofort aus dem Chor austritt, wenn Pop- und Rockmusik Teil des Repertoires ist. Cordula Stucki lacht. «Ja, einfach ist es nicht, einen Weg zu finden, den alle mitgehen.» Darum sei die Geselligkeit, das Miteinander besonders wichtig. «Wenn es da stimmt, dann ist der Kitt im Verein zu stark, um ihn wegen solchen Themen einfach zu verlassen.» Stucki spricht nicht konkret vom Kirchenchor Boswil, wo sie mit Unterbrüchen seit rund 35 Jahren mitsingt. Sie meint auch keinen der anderen sieben Chöre, die miteinander den Kirchenmusikverband Oberfreiamt bilden. «Ganz allgemein. Mit solchen Herausforderungen haben wohl alle Vereine zu kämpfen, Gesangsvereine speziell.» Auch dass die Zahl der Mitglieder nicht ansteigt und dass die Jungen fehlen – darüber mag sich Cordula Stucki nicht beschweren. Viel lieber will sie aktiv werden. «Entstauben», wie sie sagt.
Seit rund einem Jahr ist die Boswilerin Präsidentin des KMV Oberfreiamt. Weil ihr Vorgänger keine Nachfolgelösung fand, stand die Auflösung im Raum. «Das wäre sehr schade gewesen», ist Stucki überzeugt. Weil der regionale Verband das Miteinander fördere, man einander bei Auftritten aushelfe. «Die Nähe ist wichtig, sonst wird es noch schwieriger.» Das war ihr Antrieb, um sich zu engagieren, um neuen Wind reinzubringen. «Ich scheue mich nicht davor, auch einmal anzuecken.» Wieder benutzt Stucki das Wort «abstauben». Denn sie ist überzeugt, dass darin eine grosse Chance besteht. «Wir wollen zeigen, wie toll es ist, in einem Chor mitzusingen.»
Viel mehr als religiöse Literatur
Für sie selbst entspricht das Singen einer Psychohygiene. «Ich vergesse dabei den Alltag komplett.» Sich auf den Punkt zu konzentrieren, das lasse keine Gedanken an mögliche berufliche oder familiäre Herausforderungen zu. Diese Freude am Singen nach aussen zu tragen, das sei zentral. Cordula Stucki spricht von Erfüllung, von Gemeinschaft. Und sie betont, dass in Kirchenchören weit mehr als religiöse Literatur gesungen wird. «Leider reicht für viele das Wort Kirche bereits, um nicht bei uns mitzumachen.» Das heisse aber nicht, dass der Name angepasst werden soll. «Wir wollen unsere Vielfalt zeigen. Die klassische Kirchenliteratur gehört genauso dazu wie neuere Musik. Was Stucki zudem betont: «Die Akustik ist in vielen Kirchen hervorragend und einzigartig. Einen solchen Raum mit Gesang zu füllen, das macht einfach pure Freude.»
Als Präsidentin des Verbandes will sie aber nicht nur die Freude am Singen fördern. «Ich möchte auch innehalten.» Getan hat dies der Verband kürzlich mit einem Impulstag, dem ersten seit acht Jahren. In Aristau sangen sie gemeinsam, vor allem aber lernten sie einander kennen, bildeten sich weiter und erweiterten den Horizont. Stucki erzählt von neuen Liedern, die wohl in zwei Jahren im neuen Kirchengesangsbuch aufgenommen werden. Aber sie erzählt auch von einem Podiumsgespräch über die Zukunft der Kirchenmusik. «Das Ziel? Ich wollte herausfinden, ob sich unsere Sängerinnen und Sänger der aktuellen Lage bewusst sind.» Ob sie offen sind, wenn jüngere Mitglieder andere Stilrichtungen miteinbringen. Wichtig ist ihr dabei auch, dass der Verband ein gemeinsames Repertoire pflegt. «Ebenfalls querbeet.»
Überzeugt, am richtigen Ort zu sein
Neun Kirchenchöre (einer davon ist aktuell inaktiv) – alle mit ihren Eigenheiten. Mit ihren Stärken und ihren Herausforderungen. «Ich bin überzeugt, dass wir voneinander profitieren können. Genau das will ich fördern.» Denn nach wie vor sind es viele Leute, die einem solchen Verein angehören, rund 80 davon waren beim Impulstag dabei. «Nach diesem bin ich noch mehr davon überzeugt, als Präsidentin am richtigen Ort zu sein und mich für eine gute Sache zu engagieren.» Zumal nächstes Jahr, am 15. November in Sins das nächste Verbandsfest ansteht. Mit über 150 Sängerinnen und Sängern. «Eine tolle Möglichkeit, uns gegen aussen zu präsentieren – im entstaubten Image», sagt Cordula Stucki und lacht.
Zuerst aber steht die Weihnachtszeit an, für die Kirchenchöre eine intensive Phase. «Ich freue mich riesig, weil ich Weihnachtslieder liebe», sagt Cordula Stucki. An Heiligabend und an Weihnachten tritt sie mit dem Kirchenchor Boswil auf. «Das gehört zum familiären Weihnachtsritual wie das Guetzlibacken.» So wie ihr geht es ganz vielen Mitgliedern von Kirchenchören. Dabei stehe nicht unbedingt die religiöse Komponente im Vordergrund. «Miteinander zu singen, ist einfach toll, in dieser speziellen Zeit sowieso.» Und genau diese Begeisterung soll andere anstecken.


