Sagen als Gewissen der Region
05.09.2023 Waltenschwil, Region OberfreiamtZum Sagenweg-Geburtstag durften die Gäste in Waltenschwil ihre künstlerische Ader ausleben
Seine ursprüngliche Lebenserwartung von fünf Jahren hat der Themenpfad längst hinter sich. Am Sonntag wurde der 13. Geburtstag des Freiämter Sagenwegs ...
Zum Sagenweg-Geburtstag durften die Gäste in Waltenschwil ihre künstlerische Ader ausleben
Seine ursprüngliche Lebenserwartung von fünf Jahren hat der Themenpfad längst hinter sich. Am Sonntag wurde der 13. Geburtstag des Freiämter Sagenwegs gefeiert.
«Dass wir nach 13 Jahren und hundert Anlässen immer noch so attraktiv sind, widerspricht eigentlich jeder Logik», wundert sich Alex Schaufelbühl, Co-Initiant des Freiämter Sagenwegs im Wald zwischen Bremgarten und Waltenschwil. Vor zwei Jahren – zum coronabedingt verspäteten 10-Jahr-Jubiläum des Themenwegs – hatte das Sagenweg-Team von Erlebnis Freiamt eine Freiluft-Steinhauer-Werkstatt anbieten wollen. Damals spielte das Wetter nicht mit: Nach den Ansprachen setzte Starkregen ein, nur wenige Hartgesottene trotzten diesem, die meisten flüchteten nach Hause. Deshalb wurde das Steinhauen nun nachgeholt. «Wir fanden, dass wir dies den Kindern schuldig sind», sagt Karin Renner, Leiterin des Sagenweg-Begleitteams.
Eigene Kreation meisseln
15 Steinhauer-Arbeitsplätze waren am vergangenen Sonntagnachmittag bei der Waldhütte eingerichtet. Und sie wurden rege genutzt. «Die ersten Interessierten waren bereits vor dem offiziellen Start um 14 Uhr da», so Karin Renner. Sogar aus der Ostschweiz hat eine Familie nach Waltenschwil gefunden. Viele Kinder machten sich daran, mit Klüpfel und Meissel die eigenen Ideen umzusetzen. So etwa die fünfjährige Ylva aus Bremgarten, die mit ihrer Mutter ein Kätzchen aus dem weichen Gasbeton-Klotz herausformt. Das «Büsi» hat bereits einen Namen: Lisa. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Anouk gestaltet derweil einen Stern. Die achtjährige Mika, ebenfalls aus Bremgarten, wirkt mit ihrem Vater ganz intensiv. Vom ursprünglichen Plan eines Schweizerkreuzes ist sie mittlerweile abgerückt. Stattdessen soll es nun ein Grabstein werden. «Auch wenn das etwas morbid erscheint», sagt der Vater, lacht und hilft beim Feinschliff mit. Für fachliche Tipps stehen die Bildhauer Rafael Häfliger und Alex Schaufelbühl bereit.
Der Besucherandrang war an anderen Anlässen am Sagenweg auch schon grösser, was angesichts der zahlreichen Veranstaltungen in der Region kaum überrascht. Dabei hatte das Sagenweg-Team ergänzend zum Steinhauen auch einen Parcours mit uralten Spielen eingerichtet. Nebst Klassikern wie Steinstossen und Kegeln gehören auch solche dazu, die den meisten nicht mehr bekannt sein dürften. Beim «Böcklischloh» etwa geht es darum, eine dreibeinige Astgabel mit einer Rute so zu treffen, dass sich das «Böckli» in der Luft dreht und wieder auf den drei Beinen landet. Der «Lange Pfaff» ist dagegen ein Zielwerfen mit Nüssen. Je weiter entfernt das getroffene Ziel ist, desto grösser der Gewinn. Was die meisten dieser Spiele gemeinsam haben, erklärt Nadine Zanyi vom Sagenweg-Team: «Das benötigte Spielmaterial findet man fast überall.»
Skulpturen sprechen auf einer anderen Ebene an
«Sagen sind das Gewissen der Region», sagt Bildhauer A lex Schaufelbühl. Manche der Besucher haben sich auch auf den 900 Meter kurzen Weg zu den zwölf Skulpturen gemacht. Ursprünglich war der Themenweg nach einigem Widerstand für fünf Jahre bewilligt worden. Er kommt so gut an, dass diese Frist bereits zweimal um weitere fünf Jahre verlängert wurde. «Also sicher noch zwei Jahre», sagt Co-Initiant Rafael Häfliger. Die Initianten würden den Weg am liebsten um weitere Skulpturen ergänzen. Material gäbe es zur Genüge: Die Sammlung von Hans Koch umfasst nicht weniger als 52 Freiämter Sagen, die über Jahrhunderte überliefert wurden. Seit dem Start ist allerdings nur das Drachenbänkli als Raststation dazugekommen.
Hauptsaison ist am Sagenweg der Juni, dann seien fast täglich Schulklassen unterwegs, berichtet Karin Renner, die ganz in der Nähe wohnt. Dabei sei die Wirkung der Skulpturen in der natürlichen «Kathedrale» des Waldes bei diesig-nebligem Winterwetter viel mystischer, findet Alex Schaufelbühl. Und auch für die ungebrochene Attraktivität des Themenwegs hat er eine Erklärung: «Skulpturen sprechen die Leute auf einer anderen Ebene an, sie hinterlassen ein Gefühl, das sich nicht mehr löschen lässt, und das gibt dem Ort letztlich auch eine Identität.» --tst