Quasi nichts ist unmöglich
31.07.2025 Region Oberfreiamt, Arbeit, GewerbeSommerserie «Mein eigener Chef»: Mathias Hilfiker aus Boswil machte sich direkt nach der Lehre selbstständig
19-jährig war er. Soeben hatte er die Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt absolviert. Zwei Jahre später hat Mathias Hilfiker sein ...
Sommerserie «Mein eigener Chef»: Mathias Hilfiker aus Boswil machte sich direkt nach der Lehre selbstständig
19-jährig war er. Soeben hatte er die Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt absolviert. Zwei Jahre später hat Mathias Hilfiker sein Unternehmen Hilfiker Dienstleistungen etabliert. Der Aufgabenbereich ist vielfältig. «Geht nicht, gibt es nicht», sagt der 21-jährige Boswiler.
Annemarie Keusch
An diesem Tag schellte das Telefon um 5 Uhr. Der Alarm im Reservoir ob Boswil wurde ausgelöst. Mathias Hilfiker stand auf, kümmerte sich darum. Seit knapp einem Jahr ist er Brunnenmeister der Wasserversorgungsgenossenschaft Boswil. Eine seiner vielen Aufgaben. «Das macht den Alltag für mich spannend. Ich weiss nie, was mich erwartet», sagt er. Es könne sein, dass er pro Tag an bis zu fünf Orten fünf ganz unterschiedliche Arbeiten erledige. Hilfiker erzählt: «Einmal war ich frühmorgens unterwegs, um einen Grenzstein zu setzen, später half ich, Solarpanels zu legen, am Nachmittag mähte ich eine Kiesgrube und eine Hecke und zum Dessert versuchte ich einen Wasserrohrbruch zu beheben.» Was für andere nach purer Hektik und Durcheinander tönt, ist das, was Mathias Hilfiker ein ausgefülltes Berufsleben nennt.
Dabei vergisst er hie und da auch selbst, dass er erst 21-jährig ist. Vielleicht weil er bereits seit zwei Jahren sein eigenes Geschäft führt. «Das war schon immer mein Ziel», sagt er. Schon als Kind habe er angefangen, die Spielzeugautos und -traktoren zu beschriften mit «Hilfiker Gartenbau». «Woher das kommt? Ich weiss es nicht. Vielleicht weil ich schon früh Verantwortung übernehmen durfte, etwa beim Motocross Wohlen, das meine Eltern organisieren.» Die Prophezeiung von damals stimmte aber nicht ganz. Hilfikers Firma kümmert sich nicht nur um Gartenbauarbeiten, sondern ganz allgemein um Dienstleistungen. «Ich mache fast alles für fast alle», sagt er und lacht.
John Deere 7810 als grosser Traum
Was er dabei am liebsten macht? Hilfiker lächelt. «Traktor fahren.» Dabei war dem über viele Jahre nicht so. Erst als sein Vater einen Unfall hatte, ein Wagen aber dringend ans Motocross gefahren werden musste, blieb Mathias Hilfiker nichts anderes übrig, als sich in den Traktor zu setzen. «Es nahm mir sofort den Ärmel rein.» So stark, dass er fortan nach der Schule und später auch nach der Lehre bei einem Lohnunternehmen mitarbeitete. Warum er nicht Landwirt wurde? «Weil ich die Lehrstelle als Fachmann Betriebsunterhalt bereits hatte. Und wenn ich zu etwas Ja gesagt habe, dann ziehe ich es durch.» Heute ist Hilfiker froh, den Weg so gegangen zu sein. «In der Lehre erhielt ich Einblick in Arbeiten aus zwölf Berufsgattungen
– Strassenbauer bis Maurer. Das kommt mir heute sehr zugute.»
Ein Böschungsmäher war das erste Gerät, das sich Mathias Hilfiker kaufte. «Ich sah während meiner Lehre, dass ein solcher von weither angemietet werden muss.» Dieser Kauf war quasi der Start in seine Selbstständigkeit. «Hilfiker Mulchen und Heckenpflege» hiess seine Firma damals noch. Für einzelne Arbeiten mietete er einen Traktor dazu. Bis er sich einen Traum erfüllen konnte, den er viele Jahre hegte. Noch heute glänzen Hilfikers Augen, wenn er den John Deere 7810 anschaut. «Wenn es mir mal zu viel wird, dann ist die Welt wieder in Ordnung, sobald ich den Zündungsschlüssel gedreht habe.» In Videos sah er sich dieses in der Schweiz seltene John-Deere-Modell immer wieder an, später an Messen. «Ich habe von klein auf alles Geld gespart, jetzt wusste ich, warum.» Dass er sich mit 19 Jahren den Traum dieses Traktors erfüllen konnte, macht Hilfiker stolz. Entsprechend hegt und pflegt er den über 20-jährigen Traktor.
Sonntag ist Bürotag
«Hilfiker Dienstleistungen» heisst die Firma des jungen Boswilers mittlerweile. Neben der Tätigkeit für die Wasserversorgung Boswil setzt er regelmässig im ganzen Bezirk Muri Grenzsteine. Mulchen, Böschungen mähen, Schnee räumen Transporte mit dem Traktor, allerlei handwerkliche und landwirtschaftliche Tätigkeiten, Umgebungsarbeiten. «Eben, fast nichts ist unmöglich», sagt er. Dabei arbeite er mit anderen Selbstständigen und Unternehmen zusammen. «Das Netzwerk ist wichtig», sagt Mathias Hilfiker. Auch, um an Aufträge zu kommen. Wobei er sich diesbezüglich gar nicht beklagen will. Er müsse sich zwingen, dass ein Arbeitstag nur neun Stunden umfasse. «Zum Glück hilft mir meine Freundin dabei. So geht es einfacher», meint er und lacht. Es laufe bestens. Mitarbeiter beschäftigt er bereits im Stundenlohn. «Wo das hinführen soll? Ich weiss es nicht. Ich gehe den Weg immer weiter.» Dabei hat er auch ein Vorbild vor Augen: Franz Bucher. Einst mit einem einzelnen Bagger gestartet, hat er ein grosses Unternehmen und einen Namen aufgebaut. «Das imponiert mir.»
Freie Tage bezieht Mathias Hilfiker kaum. Den Sonntag widmet er nicht selten der Büroarbeit. «Das ist nicht meine Stärke und ich bin froh, unterstützt mich meine Mutter in diesem Bereich.» Die Buchhaltung wird extern geführt. So kann sich Hilfiker tagein, tagaus auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und an seinem Erfolg arbeiten.
«Auch wenn ich dabei durchaus auch auf Neider stosse», sagt er. Mit erst 21 Jahren beruflich so erfolgreich sein, das kommt nicht überall gut an. «Das stört mich nicht. Denn ich mache das alles für mich und für die Verwirklichung meiner Träume.» Dabei mache er sich nicht zu viele Gedanken. «Ich lebe von Tag zu Tag.» Angst, zu wenig Aufträge zu haben, kennt er nicht. Stattdessen sieht er Potenzial darin, auch mal Nein sagen zu können, wenn die Woche schon gänzlich ausgefüllt ist, aber ein weiterer Anruf kommt.
Vergleiche zu anderen 21-Jährigen zieht er nicht
Selbstständig sein, Verantwortung übernehmen, auch am Wochenende und abends arbeiten. Mathias Hilfikers Leben sieht so ganz anders aus als das vieler anderer 21-Jähriger. «Das stimmt, aber das stört mich nicht.» Party machen, übermässig Alkohol konsumieren, das war nie sein Ding. «Überhaupt, schon immer waren fast alle meine Freunde älter als ich. Mir fehlt nichts, wenn ich nicht Wochenende für Wochenende im Ausgang bin.» Ihm würde nur etwas fehlen, könnte er sich nicht jede Woche auf seinen John Deere 7810 schwingen, damit durch die Gegend fahren und Aufträge erledigen.
Mehr Informationen unter: www.hilfikerdienstleistungen.ch
Die Serie
In der Sommerserie «Mein eigener Chef» oder «Meine eigene Chefin» porträtiert die Redaktion Menschen aus dem Freiamt, die sich selbstständig gemacht haben, ohne die Einmischung eines Vorgesetzten ihr eigenes Unternehmen führen und sich damit einen Traum erfüllten.