Platznot im Storchennest
07.11.2025 Region Unterfreiamt, NiederwilDurch eingebrachte Pflanzensamen wächst im Horst ein Gebüsch
Störche prägen den Himmel über dem Freiamt. Fünfzig brütende Storchenpaare leben im Murimoos und verteilen sich auf bewohnte Horste von Mühlau bis Sarmenstorf. Die ...
Durch eingebrachte Pflanzensamen wächst im Horst ein Gebüsch
Störche prägen den Himmel über dem Freiamt. Fünfzig brütende Storchenpaare leben im Murimoos und verteilen sich auf bewohnte Horste von Mühlau bis Sarmenstorf. Die Niederwiler Störche haben nun aber plötzlich mit einem ungewöhnlichen Problem zu kämpfen.
Hans Rechsteiner
Das Storchenpaar auf dem Kreisellichtmast Niederwil-Gnadenthal, das auch dieses Jahr ein Jungtier durchbrachte, ist ein Sympathieträger und viel mehr als ein temporärer Hingucker. Ein Charmebolzen für die interessante Sache der Störche, die ja traditionell auch fürs Kinderbringen zuständig sind.
Obwohl auf der Kreisellampe schon vor vielen Jahren immer wieder mal ein Einzelstorch zu sehen war, ist dieser exponierte Standort erst seit vielleicht fünf Jahren von einem brütenden Storchenpaar ständig besetzt. Allerdings erregt das erfolgreiche Treiben plötzlich Aufmerksamkeit. Der Horst, in jahrelanger Kleinstarbeit zusammengebastelt, ist bald meterdick und eine seltene Augenweide, weil dort oben den Störchen ein Grüngebüsch den Sitzplatz streitig macht. Dabei sind sie selber schuld daran. Wie Vögel die Pflanzensamen für die Misteln auf die Bäume koteten, mit denen der Asterix-Druide Miraculix seinen Zaubertrank brühen kann, trugen die Störche die Pflanzensamen ins eigene Nest, die sich zum platzraubenden grünen Gebüsch entwickelten.
Autodrehleiter muss ran
Man wird das störende Gebüsch entfernen müssen, keine Frage. Doch so einfach ist das nicht, wie Margrith Enggist von der Vereinigung «Storch Schweiz» erklärt. Niemand kennt insbesondere die Storchensituation im Freiamt besser als «die Storchenmutter», zumindest jedes Jahr in den Brutzeiten ist sie im Murimoos omnipräsent.
Der Storch gilt als Wildtier und ist in der Schweiz streng geschützt, auch das Nest, und das über die reine Brutzeit hinaus. Der Rückbau des Niederwiler Kandelaberhorstes durch das kantonale Bauamt kann erst mit etlichen komplexen Bewilligungen, unter anderem dem Einbezug des Tierschutzes, erfolgen. Die Aufgabe erfordert durchaus Fachwissen, handwerkliche Fingerfertigkeit und vorsichtige Herangehensweise – man will das Nest ja nicht übermässig beschädigen, nur etwas abbauen. Vorerst kann man also noch den einzigartigen Ausblick auf die temporäre Niederwiler Kandelaberstorchen-Attraktion geniessen, bis sie zurückgebaut sein wird.
Freiamt ist Storchenland
Was für ein wunderschönes Bild, wenn im Frühling die Bäume blühen und die Paare auf ihren Horsten klappern. Kurz etwas Fachwissen: Die Störchin legt vier bis sechs Eier, nur ein bis zwei Küken kommen durch. Die Brutzeit dauert 32 Tage. Beide Altvögel beteiligen sich an der Aufzucht. Sie bringen Würmer und Grashüpfer, später Mäuse, Kleingetier, selten Frösche, ins Nest und würgen sie dem Jungstorch vor die Füsse. Flügge sind die Tiere nach zehn Wochen. Doch der Frühling birgt seine Tücken. Kälteeinbrüche, Regen, Nässe gefährden die Jungstörche.
Störche sind intelligent organisiert. Sie drehen elegant in sehr hohen Aufwärmetürmen im langen Freiamt. Über Feldern, die gerade landwirtschaftlich bearbeitet werden, sind sie deshalb innert Minuten zur Stelle. Dann ziehen sie zusammen und stolzieren dem Traktor des Bauern hinterher. Milane und Greifvögel nutzen die Zeichen ebenfalls in unglaublichem Gewirbel. Ihre Ernte ist reich.
Viele Paare überwintern hier
Schon die Hälfte der einheimischen Störche erspart sich mittlerweile die Tausend-Kilometer-Reise auf die spanischen Plastikmüllhalden, wo sie elend sterben, wenn sie nicht schon in Stromleitungen getötet wurden. Nach Afrika fliegen sie schon seit Jahren nicht mehr. Das kann am Klimawandel liegen, aber auch am heimischen Nahrungsangebot und an den warmen Wintern, wo wenig Futternot herrscht.
Erwachsene Störche ertragen Temperaturen bis minus 20° Celsius. Wenn eine Schneedecke liegt, steigen sie in die Gewässer, die ihnen etwas Wärme bieten. Am Flachsee kommen dann gut und gerne 200 Tiere zusammen. Wie viele davon mit Platzproblemen kämpfen wie das Niederwiler Paar, ist hingegen nicht bekannt.
Die Website von «Storch Schweiz» (www.storch-schweiz.ch) gibt einen umfassenden Überblick zu ganz verschiedenen Themen wie Horststandorten, Webcams, Brutgebieten, Gefährdungen und den Film «Storchensommer».

