Lieber nicht in der Hofmatte
30.05.2025 Wohlen, VereineAuflagen zerschlagen Events
Aufgrund zu hoher Anforderungen verzichten Vereine auf den Austragungsort Hofmatten
Grosse Sportanlässe mit überregionalem Charakter würden perfekt in die Hofmattenhalle passen. Sie sind gar erwünscht. Doch die Anforderungen sind zu hoch. Der beste Beweis ist die «Xplosiv Fight Night».
Stefan Sprenger
Es war unbestritten ein genialer Anlass. Die «Xplosiv Fight Night» am letzten Samstag im Schüwo-Park brillierte durch perfekte Organisation und hat alles geboten, was ein Sportfan will: Show, Kampf, Emotionen. Der Standort Schüwo-Park bewies, dass auch dort andere Anlässe als Eishockeyspiele stattfinden können. Aber was auch unbestritten ist: Es war kühl und so herrschten für einen Kampfsport-Event ungewöhnliche Bedingungen.
Vielleicht dachte manch ein Besucher, der im Verlauf des Abends frierend im Publikum des Schüwo-Parks sass, dass der Anlass wohl in der warmen Hofmattenhalle besser aufgehoben gewesen wäre. Vielleicht dachte manch einer an die beiden WM-Gala-Abende von Rocco Cipriano Anfang der 2000er-Jahre zurück, als über 1000 Menschen in die Hofmattenhalle strömten und ein Wohler Sportfest feierten – auch damals mit riesiger Show, Musik und Entertainment.
«Unmöglich für uns»
All das wurde auch am letzten Samstag geboten. Aber auch Heizpyramiden, Wolldecken und Wärmelüfter. Alles Dinge, die Mehrkosten verursachten. «Der Anlass wäre organisatorisch und finanziell sicherlich einfacher gewesen in der Hofmattenhalle», sagt Rocco Cipriano. Dies hatte der Kickbox-Weltmeister eigentlich auch vor – er wollte den Anlass in der Hofmattenhalle durchführen. «Doch man hatte so hohe und komplexe Anforderungen, dass dies für uns unmöglich war.» Ähnliche Erfahrungen machte auch schon die Ringerstaffel Freiamt, die ebenfalls einen Kampf in Wohlen plante – aber dann auch verzichtete. Wo liegt das Problem?
Die «Xplosiv Fight Night» wäre in der Hofmattenhalle besser aufgehoben gewesen – doch es gab unüberwindbare Hürden
Für die Wohler Kickboxer waren die Auflagen, um die Hofmattenhalle zu nutzen, «unmöglich umzusetzen». Den Ringern war es «zu kompliziert». Beides wären grosse und überregionale Sportanlässe gewesen. «Das sollte nicht sein», sagt Roland Vogt, zuständiger Gemeinderat.
Stefan Sprenger
Die Funken sprühen. Die Menschen jubeln. Roy Cipriano hebt die Faust. Er geniesst sein Heimspiel. Aus den Boxen erklingt der Song «L’Ombelico del Mondo» (zu Deutsch: Nabel der Welt) vom italienischen Musiker Jovanotti. Derselbe Song, den schon sein Vater Rocco Cipriano – früherer Weltmeister – jeweils als Einlaufsong hatte. «Eine nostalgische Angelegenheit, die starke Erinnerungen weckt», sagen beide Ciprianos. Sie erinnern an die glorreichen Fights von Rocco. Sein Sohn schaute damals – Anfang der 2000er-Jahre – zu und steht nun selbst im Ring. Damals war es in der Hofmattenhalle, heute im Schüwo-Park.
Ein Tropfen auf den kalten Stein
Keine schlechte Wahl. Die «Xplosiv Fight Night» im Schüwo-Park hatte ihren Reiz. Gute Infrastruktur, genügend Parkplätze, coole Umgebung. Der Kampfsport hat in Wohlen Tradition und somit hohe Ansprüche. Und auch im Schüwo-Park wurde man nicht enttäuscht. Der Kickboxing Klub Wohlen und die Verantwortlichen des Schüwo-Parks haben Hand in Hand und mit riesigem Aufwand ein tolles Ambiente und einen einmaligen Anlass geschaffen. «Jeder hat sich ins Zeug gelegt und mit viel Engagement und Herzblut das Beste zu einer gelungenen Veranstaltung beigetragen», sagt Roland Vogt vom Gemeinderat Wohlen, der am Abend dabei war.
Makel: Die Grösse der Eishalle und die Temperaturen. «Wir haben alles versucht, dass es trotz kühlen Aussentemperaturen angenehm ist», sagt Rocco Cipriano. 300 Militärdecken, Wärmelüfter, Heizpyramiden. Doch bei der Halle – die auf allen vier Seiten offen ist – war dies ein Tropfen auf den heissen (oder in diesem Falle kalten) Stein. «Der Wettergott war an diesem Abend kein Kampfsportler und die vielen Heizungslüfter und die Wolldecken waren gut gemeint, haben aber nur einen geringen Teil zu einem angenehmen Klima beigetragen», sagt Roland Vogt – und fügt an: «Aus dieser Sichtweise wäre der Anlass in der Hofmattenhalle sicher besser aufgehoben gewesen und hätte zudem noch weniger Kosten verursacht.» Da hat er recht, wie Rocco Cipriano bestätigt. Gleich einige Tausend Franken Mehrkosten sind es, die aufgrund des «neuen» Standorts und der kühlen Temperaturen zustande gekommen sind. «Die Mehrkosten sind markant», sagt Cipriano, der einiges an Erfahrung hat, was solche Veranstaltungen angeht. Ob nationale Meisterschaften, WM-Gala-Abende oder eine solche Fight Night: Rocco Cipriano hat alles schon organisiert. Auch sein Fazit ist: «Der Abend im Schüwo-Park war toll. Ich glaube aber, in der Hofmattenhalle wäre es besser gewesen.»
Ringer machten selbe Erfahrung
Das dachte er schon vor rund einem Jahr, als er begann, diesen Anlass auf die Beine zu stellen. Er wollte ihn – fast schon traditionellerweise – in der Hofmattenhalle durchführen. Nach einem Treffen mit dem zuständigen Mitarbeiter der Gemeinde war aber schnell klar: «Das sind Hürden, die wir unmöglich meistern können. Unüberwindbar. Wir mussten Alternativen suchen», so Cipriano.
Konkret geht es um zwei Dinge: Einerseits hätte man den Hallenboden nicht mit Strassenschuhen betreten dürfen und deshalb hätte man den Boden abdecken müssen. «Das wäre noch machbar gewesen», so Cipriano. Das andere Problem: «Man sagte uns deutlich, dass wir erst mit dem Aufbau am Veranstaltungstag um 8 Uhr die Halle nutzen dürfen. Somit hätten wir innert weniger Stunden alles aufbauen müssen. Unmöglich. Dafür benötigt es mindestens zwei Tage», so Cipriano. In den Schulferien wäre es möglich gewesen, schon früher mit den Aufbauarbeiten zu starten. «Aber das bringt uns nicht viel, weil Sportler, Eltern, Helfer und auch Zuschauer in den Ferien weilen.»
Die Ringerstaffel Freiamt machte dieselbe Erfahrung. Vor rund einem Jahr gingen die Ringer auf die Gemeinde Wohlen zu. Sie suchten einen Standort für den ersten Kampf der NLA-Saison (das wäre im September 2024 gegen Willisau gewesen). Eine einmalige Sache. Doch es wäre für Wohlen sicherlich spannend gewesen, einen solchen NLA-Kampf zu beheimaten – und auch für die Ringerstaffel Freiamt, die sonst fast ausschliesslich im Oberfreiamt präsent ist, wäre es eine gewinnbringende Sache gewesen.
Auch die Ringer trafen sich mit dem Verantwortlichen der Gemeinde. Doch auch hier hat das Gespräch denselben Ausgang, denn die Ringer ziehen zurück und suchen sich einen anderen Standort. «Aus unserer Sicht war es zu aufwendig und kompliziert», sagt Nicola Küng, Präsident der RS Freiamt. Einerseits kannte man sich in der Halle nicht aus. «Andererseits waren es die Bedingungen und Auflagen, die an uns gestellt wurden.»
Gemeinderat Vogt hat eine klare Haltung: «Kampfsportveranstaltungen in der Hofmattenhalle haben eine grosse Tradition und es ist schade, dass man sich im Vorfeld dieses Anlasses nicht gefunden hat. Aus meiner Sicht, und damit vertrete ich auch die Sicht des Gemeinderats, sollten alle Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, damit solche Anlässe in Wohlen stattfinden können, und ‹unüberwindbare Bestimmungen› sollte es nicht geben. Es ist Rocco Cipriano hoch anzurechnen, dass er nach der Absage in der Hofmatte eine Möglichkeit gesucht und gefunden hat, den Anlass doch noch in seiner Wohn- und Heimatgemeinde Wohlen durchzuführen.»
Klingt gut, aber …
Was Vogt – von sich aus – auch erwähnt, ist die Bedeutung solcher überregionaler Anlässe. «Anlässe in dieser Grösse mit überregionalem Charakter müssen in Wohlen eine Plattform finden und dafür haben wir eine hervorragende Infrastruktur. Die Hofmatten-Turnhalle wurde mit Unterstützungsbeiträgen vom Kanton, gerade wegen ihrer überregionalen Ausstrahlung, finanziell unterstützt und darum ist es wichtig, dass solche Anlässe in dieser Halle stattfinden. Wenn die Anforderungen tatsächlich zu hoch sind, muss man sich an den Tisch setzen und eine Lösung finden.»
Klingt gut. Aber wieso wurde dies nicht schon jetzt gemacht – mit Rocco Cipriano und den Ringern? Bezüglich der Aufbauzeit sagt Vogt, «dass die Schule Vorrang hat». Allerdings wird zum Beispiel an diesem Wochenende – wegen Auffahrt – die Halle am Donnerstag und Freitag nicht genutzt. «Der Samstag, 31. Mai, wäre ein gutes Datum gewesen», sagt auch Vogt. Beim FC Wohlen hat es beim Hallenturnier übrigens auch geklappt. Nach Gesprächen mit der Schule gab es eine Lösung – und mehr Vorlaufzeit für den Aufbau in der Halle. «Ich kenne die Details nicht in diesem Fall. Aber grundsätzlich sollte man immer bestrebt sein, eine Lösung zu finden. Und ich glaube, das ist in den allermeisten Fällen auch möglich», so Vogt. Im Falle jenes Hallenturnieres hat Vogt selbst – als FCW-Mitglied im OK – für die richtige Kommunikation gesorgt. Bei Rocco Cipriano und den Ringern kamen die «Fälle» gar nicht erst so weit, sondern blieben bereits beim Gespräch mit dem Gemeindevertreter der Hofmattenhalle hängen.
Was ist mit zukünftigen Anlässen in der Hofmattenhalle? Vogt sagt: «Rocco Cipriano und Kickboxing Wohlen sind jederzeit willkommen, Veranstaltungen dieser Art in Wohlen durchzuführen. Die Gemeinde Wohlen wird ihm, aber auch anderen Veranstaltungen, welche einen Bezug zu Wohlen oder der Region haben, immer Hand bieten. Privates Engagement soll, so weit wie möglich, durch die Gemeinde Unterstützung finden. So ist es auch im aktuellen Legislaturprogramm festgehalten.» Dort ist auch eine befristete Teilzeitstelle eines Sportkoordinators vorgesehen. Ein Bindeglied zwischen Vereinen und Verwaltung, das Brücken schafft, um genau solche – nennen wir es mal Missverständnisse – aus der Welt zu schaffen. Der Kanton würde gar einen Teil der Kosten dieser Stelle tragen. Ob der Einwohnerrat bei der aktuellen Finanzlage der Gemeinde aber Geld für eine solche Stelle gutheisst, bleibt abzuwarten. Für diese sportlichen Anlässe wäre solch eine Koordinationsstelle allerdings Gold wert. Und es würde helfen, damit der Song «L’Ombelico del Mondo» beim nächsten Cipriano-Kampf wieder in der Hofmattenhalle erklingt.