Leitung muss verträglich sein
27.08.2024 Region Bremgarten, Fischbach-GöslikonKampf wird weitergeführt
Der Verein «Verträgliche Starkstromleitungen Reusstal» (VSLR) beschloss an seiner Generalversammlung in Fischbach-Göslikon, wie er seinen Kampf gegen die geplanten oberirdischen Leitungen weiterführt. ...
Kampf wird weitergeführt
Der Verein «Verträgliche Starkstromleitungen Reusstal» (VSLR) beschloss an seiner Generalversammlung in Fischbach-Göslikon, wie er seinen Kampf gegen die geplanten oberirdischen Leitungen weiterführt. --red
Verein VSLR hat an seiner Generalversammlung in Fischbach-Göslikon langlebigen «Schnauf» erneuert
Seit 2009 kämpft der Verein «Verträgliche Starkstromleitung Reusstal – VSLR» gegen die geplante neue Starkstromleitung Niederwil–Obfelden der Swissgrid. An der Generalversammlung in der Fischbacher Schnüzi-Schür zeigten sich die Vereinsmitglieder entschlossen, ihre Aktivitäten weiterzuführen.
Stefan Treier
Es standen vorweg die üblichen statutarischen Traktanden auf dem Programm, doch bereits der Jahresbericht 2023/24 des Präsidenten Stephan Bärtschi enthielt einige Brisanz. Er informierte über die Einverlangung von Unterlagen zum umstrittenen Swissgrid-Freileitungsprojekt Niederwil–Obfelden. Anfang März des letzten Jahres hat der Verein VSLR die Unterlagen erhalten. Die Bewertungsunterlagen enthalten in ihrem Schema einige Angaben, welche Verfahrensfehler aufweisen, worüber der Verein auf seiner Website (https://www.vslr.ch) detailliert aufmerksam macht.
Vernehmlassung neues Elektrizitätsgesetz
Mittels Aufsichtsbeschwerde vom 28. August 2023 beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gegen das Bundesamt für Energie (BFE) wurde verlangt, gegenüber dem Beschwerdegegner sei ein aufsichtsrechtliches Verfahren zu eröffnen. Weiter verlangte der Reusstaler Verein VSLR, das BFE sei anzuhalten, eine Neubeurteilung des Planungskorridors zu erwirken. Im November 2023 teilte das UVEK der Beschwerdeführerin die Abweisung der Beschwerde mit. Noch im Dezember letzten Jahres teilte der Verein VSLR dem UVEK seine Bedenken mit, der abweisende Entscheid sei auf mangelnde Information erfolgt. Dennoch verzichtete der Verein auf eine Verfahrensweiterführung, legte aber Wert darauf, dem Sekretär des UVEK seine klar unterschiedliche Auffassung mitzuteilen. Nur gut zwei Wochen nach Annahme des «Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» hat der Bund die Vernehmlassung zur Abänderung des bestehenden Elektrizitätsgesetzes (EleG) eröffnet. Die Anhörung bei befugten Parteien, Verbänden und Organisationen dauert bis zum 17. Oktober. Wie Präsident Stephan Bärtschi aufzeigte, enthält der Gesetzesentwurf Bestimmungen, welche die Volksrechte massiv beschneiden. «Wir sehen die Rechtsgleichheit hier nicht mehr gegeben», so der Präsident. Dabei verweist er auf Artikel 43 des Gesetzesentwurfes, gemäss welchem Netzbetreibern und der nationalen Netzgesellschaft gar ein Enteignungsrecht zustehen soll. Gemäss den Bestimmungen bis kann der Ersatz einer bestehenden Leitung mit einer Nennspannung von 220 kV oder höher am bestehenden Standort genehmigt werden, sofern nur teilweise Änderungen oder massvolle Erweiterungen notwendig sind.
Die revidierte Fassung des nun zur Vernehmlassung gelangenden Elektrizitätsgesetzes würde bedeuten, dass interessierten Bürgerinnen und Bürgern, wie sie sich im Verein VSLR zusammenfinden, jegliches Recht zu Mitund Einsprache bei Leitungsführungen künftig verwehrt bliebe. «Der Vorstand wehrt sich vehement gegen diese geplante Beschneidung von Volksrechten und hofft sehr, dass auf politischer Ebene gegen diese Vorlage angetreten wird, sei es schon in den Vernehmlassung oder dann bei den kommenden parlamentarischen Beratungen», so Bärtschi.
Ende 2024 / Anfang 2025 wird das Swissgrid-Projekt für die neue Freileitung öffentlich aufliegen. Diese soll eine höhere Kapazität aufweisen und den Bestimmungen der NIS-Verordnung entsprechen. «Diese Freileitung mit nicht akzeptabler Linienführung für Einwohnerinnen und Einwohner der Region Reusstal kann so nicht toleriert werden», erklärte der Präsident. Der Vorstand schlug den Vereinsmitgliedern vor, bei seinem Anwalt, eine Mustereinsprache zu bestellen, welche auf der Website publiziert und abgerufen werden kann. Diesem Vorschlag stimmte die Versammlung einhellig zu. Die Aufschaltung des Mustertextes soll rechtzeitig zum Auflagebeginn erfolgen.
Beschwerdemöglichkeiten nur durch Direktbetroffen
Der Verein VSLR beschloss, zu gegebener Zeit ebenfalls beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat während dem Plangenehmigungsverfahren Einsprache zu erheben. Die Gründe liegen beim Leitungsverlauf nahe Wohngebiet wie auch beim Schutz von Natur und Landschaft. «Es ist schliesslich nicht unbekannt, dass betroffene Einwohnerinnen und Einwohner über gesundheitliche Schwierigkeiten klagen, welche ihnen durch zu nahe Leitungsführungen erwachsen», erklärte der Vorstand. Sollte die Einsprache beim ESTI auf Ablehnung stossen, stünde für betroffene Grundeigentümer der Weg über eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht offen. Eine solche müsste möglicherweise dann gegen Ende 2025 erfolgen. Für den Verein besteht keine Beschwerdemöglichkeit mehr. Er erwägt jedoch, private, beschwerdelegitimierte Grundeigentümer zu unterstützen. Es bestehen hier schon direkte Kontakte. Man rechnet mit Anwaltskosten von rund 30 000 Franken sowie Gerichtskosten von maximal 50 000 Franken. Schliesslich ist auch von einer zu erbringenden Bürgschaft von 150 000 Franken auszugehen. «Es liegen Äusserungen privater Personen vor, welche im Fall der Notwendigkeit bereit wären, sich mit grösseren Beträgen finanziell an einem weiteren Verfahren zu beteiligen», so der Präsident. Aktuell hatte die Generalversammlung von dieser Situation Kenntnis zu nehmen. Drängt sich zu gegebener Zeit ein finanzielles Engagement des Vereins auf, wäre darüber zu befinden. Aus der Versammlungsmitte wurde jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass es Probleme bereiten könnte, genügend finanzielle Mittel für eine weitere Verfahrensführung zusammenzubringen.
«Zielsetzung des Vereins sollte es sein, eine vollständige Argumentation gegen die geplante Linienführung der Freileitung und zugunsten einer Verkabelung vor gerichtliche Instanzen zu bringen», so die klare Willensbekundung des Vereinspräsidenten. Das Anliegen wurde bereits vor längerer Zeit anlässlich einer nationalen Kundgebung in Bern mit Nachdruck vertreten. Aus dem Aargau wurden an einer Demo 2162 Unterschriften den Bundesbehörden übergeben.
Da die Weiterführung der sachlich begründeten Opposition gegen den Ersatz der bestehenden Freileitung durch eine neue, stärker frequentierte Freileitung durch das Reusstal ins Auge gefasst werden sollte, wird ein Zusammenschluss mit den betroffenen Gemeinden zu einer regionalen Einheit befürwortet. «Man kann so Synergien zusammenlegen, besser ausnützen und Kosten sparen», ging aus klaren Versammlungsvoten hervor. Man war sich darin einig, dass es bei diesem Vorhaben weit mehr als bloss um Politik geht, sondern dass generelle übergeordnete Interessen der Region im Mittelpunkt stehen.
Rücktritt von Peter Stenz
Die Versammlung nahm vom Rücktritt von Vorstandsmitglied Peter Stenz Kenntnis. Er gehörte als «Mann der ersten Stunde» seit 2009 dem Vorstand an und leistete dort in fachlicher Kompetenz wertvolle Arbeit für den Verein. Er konnte mit dem Verein einen Etappenerfolg für die Region erleben, indem die Swissgrid einer Veränderung der ursprünglich geplanten Linienführung zustimmte. Der Demissionär wurde kürzlich in die Finanzkommission Niederwil gewählt.