Ihr Vorschlag ist chancenlos
03.10.2025 Wohlen, PolitikDie Erhöhung des Steuerfusses auf 120 Prozent findet bei den meisten Parteien keinen Zuspruch
Der Gemeinderat möchte den Steuerfuss von 116 auf 120 Prozent erhöhen. Die FGPK schlägt eine Erhöhung um nur zwei Prozent vor. Die Mehrheit der Parteien ...
Die Erhöhung des Steuerfusses auf 120 Prozent findet bei den meisten Parteien keinen Zuspruch
Der Gemeinderat möchte den Steuerfuss von 116 auf 120 Prozent erhöhen. Die FGPK schlägt eine Erhöhung um nur zwei Prozent vor. Die Mehrheit der Parteien stellt sich aber generell gegen eine Erhöhung. Nicht zuletzt wegen dem Ergebnis der Wahlen.
Chregi Hansen, Daniel Marti
Um die Gemeindefinanzen langfristig zu sichern, beantragt der Gemeinderat eine Erhöhung des Steuerfusses um 4 Prozentpunkte – von 116 auf 120 Prozent. Damit lassen sich jährlich rund 1,4 Millionen Franken zusätzliche Einnahmen erzielen. Doch wie kommt der Vorschlag bei den Parteien an?
Die Finanz- und Geschäftsprüfungskommission hat bereits letzte Woche Stellung bezogen. Sie beantragt dem Einwohnerrat, das vorliegende Budget mit einem abgeänderten Steuerfuss von 118 Prozent zu genehmigen. Also nur zwei Prozent soll der Steuerfuss nach oben. Ganz einig ist man sich in der FGPK in dieser Frage aber nicht. Es war ein Mehrheitsentscheid, wie es im Bericht heisst.
SVP: Finanzielle Katastrophe
Debattiert wird über das Budget und den Steuerfuss in zehn Tagen. Schon jetzt steht aber fest, dass es beide Vorschläge schwer haben werden. Die Wahlen vom Sonntag haben gezeigt, dass die Wohler eine neue Politik wollen. Die SVP geht gestärkt aus den Wahlen hervor. Und diese hat eine klare Haltung. «Einer Steuerfusserhöhung von 116 auf 120 Prozent wird die SVP nie zustimmen. Es sind immer noch Einsparungen von über 0,5 Millionen Franken möglich. In diesem Sinne stehen wir ein für 116 Prozent und einen Verlust», erklärt Präsident Roland Büchi auf Anfrage. Und er spart nicht mit Kritik an der Regierung. «Der Gemeinderat in seiner aktuellen Zusammensetzung steuert Wohlen auf eine finanzielle Katastrophe zu. Dies geschieht ohne eine Sinneswandlung, also ohne vermehrt zu priorisieren und zu verzichten.»
Mitte: 4 Prozent mehr wären chancenlos
Tatsächlich ist die Situation in diesem Jahr speziell. Das Budget wurde von einem Gemeinderat erarbeitet, von dem in den kommenden vier Jahren nur noch ein Mitglied dabei ist. Diesen Umstand erwähnt die Mitte in ihrer Stellungnahme. «Die Legislatur endet, und das Budget 2026 darf der neu zusammengesetzte Gemeinderat entgegennehmen. Die Wahlen am letzten Sonntag haben aber klar gezeigt, dass jetzt eine Erhöhung des Steuerfusses um 4 Prozent keine Chance haben wird», erklärt Co-Präsidentin Stefanie Dietrich. Ihre Partei wird den Vorschlag nicht unterstützen. «Aber wir stehen klar dazu, dass es in den nächsten vier Jahren keinen Investitionsstopp geben soll. Die herausfordernde finanzielle Situation muss in der Planung der Geschäfte stark miteinbezogen werden. Ein Stillstand aber schont nur im Moment die finanziellen Ressourcen, die Probleme werden die künftigen Generationen tragen müssen», so Dietrich.
FDP: Bevölkerung nicht zusätzlich belasten
Auch die FDP schaut auf den Wahlsonntag zurück. «Das Budget stammt vom Gemeinderat in seiner alten Zusammensetzung. Mit dem Ergebnis vom letzten Sonntag gab uns die Bevölkerung unmissverständlich zu verstehen, dass ein finanzpolitischer Kurswechsel in Wohlen gefordert wird», so Präsident Lionel Zingg. Für die FDP sei klar, man stehe nun in der Verantwortung, dieser Forderung aus der Bevölkerung nachzukommen. «Wir können deshalb das vorliegende Budget nicht unterstützen und lehnen die Steuerfusserhöhung ab», so Zingg. Die FDP habe sich schon früher deutlich gegen einen solch hohen Steuerfuss gestellt. «Dazu stehen wir», sagt Lionel Zingg. Seine Partei möchte in den nächsten Tagen mit den Parteien, die sich ebenfalls dafür einsetzen, dass die Bevölkerung nicht noch stärker belastet wird, zusammensitzen und gemeinsam Lösungen finden.
GLP für verantwortungsvollen Kompromiss
Damit scheint klar: SVP, FDP und die Mitte, die in Zukunft eine klare bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat haben, wollen nichts wissen von 116 Prozent. Und auch die GLP wird einer Erhöhung um 4 Prozent nicht zustimmen. Sie unterstützt den Vorschlag der FGPK, wie Matthias Angst erklärt. «Die Gemeinde Wohlen hat viele bereits beschlossene, sinnvolle Investitionen zu stemmen, die entsprechend viel Geld benötigen. Eine Erhöhung auf 120 Prozent wäre rein finanziell gedacht wohl nötig, aber politisch nicht tragbar. Wir setzen uns daher für eine verantwortungsvolle Kompromisslösung ein», so der Präsident der Grünliberalen.
SP und Grüne heben den Warnfinger
Unterstützung erhält der Gemeinderat nur von links-grüner Seite. «Der Gemeinderat präsentiert uns ein ausgeglichenes Budget, das bereits viele Kürzungen erfahren hat und realistisch gesehen kein echtes Sparpotenzial mehr beinhaltet», so Patrick Schmid von den Grünen. Wer die Zahlen genau studiere, müsse zum Schluss kommen, dass finanzpolitisch eine Erhöhung auf 120 Prozent den einzigen vernünftigen Entscheid darstellt und der Steuerfuss eigentlich sogar noch etwas höher liegen sollte, um die Schuldenlage nicht weiter zu verschärfen. «Schon jetzt betragen die Schuldzinsen über 4 Prozent unseres Budgets – was beispielsweise mehr kostet als das Errichten einer ganzen Schulabteilung», rechnet der Co-Präsident der Grünen vor.
Auch SP-Präsidentin Laura Pascolin warnt vor den Folgen, wenn der Steuerfuss nicht erhöht wird. Die Erhöhung möge unpopulär sein, aber das Budget zeige deutlich, dass Wohlen ohne diesen Schritt seine Aufgaben nicht mehr finanzieren kann. Selbst mit einer Erhöhung resultiert ein Defizit von 36 000 Franken. Bei 118 Prozent, wie die FGPK vorschlägt, würden rund 700 000 Franken fehlen, bei 116 Prozent gar 1,4 Millionen. Für Pascolin eine Horrorvorstellung. «Dann müsste der Einwohnerrat massive Kürzungen vornehmen, etwa bei Kultur- und Sportbeiträgen, beim Werterhalt von Schulen und Infrastruktur oder bei wichtigen Digitalisierungsprojekten.» Für die Partei ist dies ein No-Go. «Für uns als SP ist klar: Nur mit 120 Prozent bleibt die Gemeinde handlungsfähig, zentrale Leistungen für alle Einwohnerinnen und Einwohner gesichert und die Schuldenlast einigermassen unter Kontrolle», erklärt Pascolin.
Abwahl führt zu Mehrkosten
Wenn das Parlament am 13. Oktober das Budget berät, wird es bereits nicht mehr aktuell sein. Die Abwahl von Arsène Perroud als Gemeindeammann wird zu Mehrkosten führen. Wie hoch diese sind, lässt sich aktuell jedoch nicht sagen.
Im Vergütungsreglement für politisch gewählte Personen ist dieser Fall eindeutig geregelt. Bei einer Nichtwiederwahl des Gemeindeammanns wird eine Vergütungsfortzahlung für die Dauer von maximal sechs Monaten geleistet. Dies unter Berücksichtigung des aktuellen Stellenpensums und basierend auf der letzten Jahresbruttovergütung. Tritt Perroud schon vor dem Ende der sechs Monate einen neuen Job an, wird die Vergütung wieder eingestellt.
Der tatsächliche Betrag für das Budget kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau berechnet werden. Ob und wie lange (maximal 6 Monate) der nicht wiedergewählte Gemeindeammann eine Vergütungsfortzahlung beziehen wird, ist nicht klar. Und je nach Stellenpensum des neu gewählten Amtsinhabers kann gegenüber dem Budget auch noch eine Anpassung resultieren. Denn Roland Vogt muss sich noch entscheiden, ob er wie sein Vorgänger ein 80-Prozent-Pensum übernimmt oder ein eher kleineres – das Reglement ermöglicht eine Auswahl zwischen 60 und 80 Prozent. Zudem steht auch noch die Ersatzwahl eines Gemeinderatsmitglieds an. «Diese Faktoren werden zu Budgetabweichungen führen. Diese werden später mit der Genehmigung der Jahresrechnung dargelegt», heisst es bei der Gemeinde dazu.
Immerhin: Vor einigen Jahren wäre eine solche Abwahl für die Gemeinde noch viel teurer geworden. Früher gab es nach so vielen Jahren ein Jahresgehalt. --chh