Einer von ganz wenigen
26.05.2023 Kallern, Region OberfreiamtFast vergessenes Wissen
Der Kallerer Ronny Wyssmüller ist Vollblutmusiker durch und durch. Dabei spielt er nicht nur über zwanzig Instrumente, sondern fertigt sie als Instrumentenbauer teilweise selbst an. Dabei gehört er schweizweit ...
Fast vergessenes Wissen
Der Kallerer Ronny Wyssmüller ist Vollblutmusiker durch und durch. Dabei spielt er nicht nur über zwanzig Instrumente, sondern fertigt sie als Instrumentenbauer teilweise selbst an. Dabei gehört er schweizweit zu einer Handvoll Menschen, die sogenannte Naturtoninstrumente, wie beispielsweise das «KoTaMo», selbst herstellen können. --cbl
Wie wichtig Musik für den menschlichen Geist sein kann, weiss Instrumentenbauer Ronny Wyssmüller
Er gehört zu einer Handvoll Menschen in der Schweiz, die noch Naturtoninstrumente selber anfertigen können: Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Ronny Wyssmüller mit dem Instrumentenbau. «Viele Klangkörper werden von Maschinen angefertigt. Doch nur das eigentliche Handwerk bringt die ganze Klangfarbe zur Geltung», weiss der Experte.
Celeste Blanc
Hell silbrig, metallisch klingende Töne der indischen Tanpura mischen sich mit den mystischen Klängen der japanischen Zither Koto. Darunter zu hören sind die beruhigenden Laute des Monochords. Was wie Musik einer spirituellen Zeremonie im Fernen Osten klingt, schallt in Kallern aus Ronny Wyssmüllers Musikstudio. Der Instrumentalist sitzt am «KoTa-Mo», einem hölzernen rechteckigen Klangkörper von anderthalb Metern Länge, das alle drei Instrumente vereint. Dabei zupft und streicht er die Saiten und lässt ungewohnte und gleichzeitig doch bekannte Klänge ertönen.
Was viele nicht wissen: Die Musik dieser sogenannten Naturton- oder auch Obertoninstrumente kann einen Einfluss auf die menschliche Stimmung haben. Deshalb werden sie zunehmend in verschiedenen Formen von Therapien verwendet. Und auch die Lehre der Quantenphysik beschäftigt sich mit Schwingungen. «Dieses Thema ist unheimlich spannend, aber auch äusserst komplex», weiss der Kallerer, der sich seit über einem Jahrzehnt damit beschäftigt.
Mit dem Didgeridoo an der Streetparade
Zahlreich sind die Instrumente, die den Arbeitsraum des 44-Jährigen zieren. Verschieden grosse Didgeridoos, Dutzende Flöten aus dem asiatischen, indianischen und afrikanischen Kulturkreis, diverse Gitarren, Schlaginstrumente, selbst gebaute Klangbetten, KoTaMo und Klangmühlen stehen darin. Musik – es ist und war schon immer die grosse Leidenschaft von Wyssmüller. Und das, obwohl man ihm sagte, er sei unmusikalisch. «Als ich als Kind die Orgel spielte, riet mir mein Lehrer, es sein zu lassen», lacht er.
Sein gelassen hat er es aber nicht – er entwickelte sich zum Multiinstrumentalisten. Und spielt heute über 20 Instrumente. Vor allem die alten Instrumente der Naturvölker haben es dem Mann, der vor vier Jahren mit seiner Frau und den zwei Kindern von Dübendorf nach Kallern zog, angetan – allen voran das australische Didgeridoo. Stundenlang übte Wyssmüller als Teenager am Staubsaugerrohr seiner Eltern, bevor ihm der Onkel ein Richtiges aus Australien mitbrachte. «Da war es um mich geschehen.»
Der Instrumentalist avancierte zu einem der bekanntesten Didgeridoo-Spieler der hiesigen Szene. Und der gelernte Heizungsmonteur, der seit 12 Jahren eine eigene Photovoltaik-Installationsfirma im Kanton Zug betreibt, schaffte es 2009 mit dem australischen Instrument sogar an die Streetparade. «Ein Kollege und ich produzierten elektronische Musik mit verschiedenen Naturinstrumenten und wir gewannen damit den ‹Swiss Track 2009›, ein Wettbewerb, initialisiert von der Suisa und dem Verein Streetparade.» Als Gewinn winkte nebst dem Preisgeld ein Auftritt an der Streetparade.
Bei einem der Besten gelernt
Mit seinem Vertrauen ins Leben und seiner gediegenen Art macht der Musiker Eindruck. «Manchmal gehen die Türen unverhofft auf, dann muss man mit Zuversicht eintreten», meint er, wenn er auf sein Leben zurückblickt. So beispielsweise, als er mehrere Monate in Kuba und Afrika verbrachte, um die traditionellen Trommeln spielen zu lernen. Oder als er 2010 den Toggenburger Instrumentenbauer Heinz Bürgin kennenlernte, der mit seinen Instrumenten und «Klangstationen» Bekanntheit erreichte. Heute findet man das von ihm mitgeprägte Konzept der «Klangstationen» unter anderem auch im Garten des Reussparks in Niederwil.
An einem Intrumentenbaukurs von Bürgin baute Wyssmüller sein erstes «KoTaMo» und kam dabei zum ersten Mal vertieft mit der Naturtonlehre in Kontakt. Er lernte, aus welchem Holz Instrumente gebaut werden müssen und wie die verschiedenen Frequenzen der Musik auf den Menschen und in der Natur wirken. «Es ist nichts Esoterisches, sondern alles hat mit Naturwissenschaft zu tun», so der Kallerer. Insgesamt gibt es in der Schweiz nur eine Handvoll Instrumentenbauer, die dieses Handwerk beherrschen. Wyssmüller wurde zu Heinz Bürgins Schüler, er gab an seiner Seite Kurse, in denen Interessierte ihre eigenen Instrumente zusammenbauten. «Zwischen uns hat es sofort gepasst.»
Und der Instrumentenbauer wurde nicht nur zu Wyssmüllers Mentor, der ihm sein Wissen und Handwerk weitergab, sondern auch zu einem engen Freund. Vor zwei Jahren verstarb Heinz Bürgin. Eine emotionelle Zeit für den 44-Jährigen. «Doch ich bin heute unglaublich dankbar, dass ich so viel wie möglich von seinem Wissen übernehmen durfte. Ich habe bei einem der Besten gelernt.»
Wissen weitergeben
Ronny Wyssmüllers nächstes grosses Ziel ist es nun, sein Wissen weiterzugeben. Aktuell ist er auf der Suche nach einer geeigneten Werkstatt in der Region. «Naturtoninstrumente kann ich nicht in einem betonierten Keller bauen. Sie müssen umgeben sein von dem, was sie zum Klingen bringt», so der Instrumentalist. Eine alte Scheune in der Gegend wäre schön, wo er wieder Instrumentenbau-Kurse anbieten oder Klangbetten herstellen könnte. Denn Anfragen, vor allem von Therapeuten, hat der Kallerer bereits.
Dass in der Therapie die Wichtigkeit und Effektivität von Musik zunehmend Beachtung finden, ist für den Musiker ein erstrebenswerter Schritt. «Alles besteht aus Materie, die schwingt, und was schwingt, hat einen Klang. Die Obertöne sind ein untrennbarer Teil der Natur, der auch auf den Körper und den Geist wirken kann.»
Das beweisen medizinische Studien, und auch die Lehren der Quantenphysik behandeln dieses Thema. Dem Kallerer ist bewusst, dass gewisse Personen das nicht glauben können. Doch ob Klangbett oder nicht – so oder so sei bei allen Menschen eines gleich: Musik ist Emotionalität, Musik bewegt, Musik berührt. Und Musik hat die Kraft, auch bei Demenzerkrankungen Erinnerungen hervorzurufen. «Musik ist daher unglaublich wertvoll und birgt wunderschöne Momente.»
Was sind Naturtöne?
Naturtöne (auch Obertöne) sind die ursprünglichen Klänge, mit denen Kulturen auf der ganzen Welt musizierten. Sie entstehen vor allem beim Singen oder beim Spielen von Blas- oder Saiteninstrumenten. Sie entstehen beispielsweise beim mongolischen Kehlkopfgesang, aber auch beim Jodeln beim «Grad heben», beim Spielen eines Didgeridoos oder eines Alphorns. Dabei schwingen mit dem Grundton verschiedene Frequenzen mit, die die Klangfarbe intensiver machen. Auf der ganzen Welt gibt es verschiedene Tonsysteme, denen die Naturtöne zugrunde liegen. In der westlichen Musikkultur, konkret in Europa, ist diese Form von Tonreihen durch das Aufkommen der temperierten Musikleiter mit 12 gleichklingenden Halbtönen im 17. Jahrhundert in den Hintergrund gerückt. Seither dominiert die temperierte Musikleiter die klassische Musik sowie die heutige Unterhaltungsmusik.