«Das können wir uns leisten»
03.08.2024 Region Bremgarten, Fischbach-Göslikon«Auf einen Kaffee ...» mit Ronny Wasem, Gemeindeschreiber von Fischbach-Göslikon
Anfang Juni 2023 übernahm Ronny Wasem die Stelle des Gemeindeschreibers in Fischbach-Göslikon. Der Quereinsteiger erlebte seither eine turbulente Zeit im Dorf mit ...
«Auf einen Kaffee ...» mit Ronny Wasem, Gemeindeschreiber von Fischbach-Göslikon
Anfang Juni 2023 übernahm Ronny Wasem die Stelle des Gemeindeschreibers in Fischbach-Göslikon. Der Quereinsteiger erlebte seither eine turbulente Zeit im Dorf mit vielen Diskussionen und Neuanfängen. Mit Zuversicht schaut er voraus.
Roger Wetli
Sie arbeiten jetzt seit rund 14 Monaten als Gemeindeschreiber von Fischbach-Göslikon. In dieser Zeit traten zwei Gemeinderäte zurück, darunter der Ammann, das Budget 2024 wurde zuerst zurückgewiesen, später der Steuerfuss erhöht und es gab viele kritische Stimmen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Ronny Wasem: Es waren intensive und herausfordernde Monate. Gerade auch, weil ich ein Quereinsteiger bin.
Wäre es mit Erfahrungen als Gemeindeschreiber einer anderen Gemeinde einfacher gewesen?
Ich denke schon. Mit einer gewissen Erfahrung hätte ich alles etwas gelassener nehmen können. Die Entscheidungen zu den Geschäften fällt und trägt aber der Gemeinderat.
Wie viel haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Sehr viel. Ich kam ja nicht aus der Gemeindebranche. Gerade die Abläufe auf der politischen Ebene mit den Gemeindeversammlungen und dem Willen der Bevölkerung musste ich erst kennenlernen. Als Gemeindeschreiber ist mir die Stimmung in der Bevölkerung sehr wichtig und zu spüren, wohin die Mehrheit das Dorf entwickeln möchte. Dies alles unter dem Aspekt des finanziell Möglichen. Für die Entscheidungsgrundlagen der Gemeinderäte arbeite ich die bestmöglichen Informationen aus.
Welche positiven Impulse konnten Sie geben?
Das ist schwierig zu sagen. Es waren sehr bewegte 14 Monate. Wichtig war mir, nach all den Turbulenzen Ruhe in die Verwaltung zu bringen. Toll finde ich zum Beispiel, dass die Lehrtochter erfolgreich abgeschlossen hat. Vor einem Jahr gab es da noch Schwierigkeiten, weil jeder neue Vorgesetzte etwas anderes von ihr wollte. Im letzten Jahr erfuhr sie auf der Verwaltung Kontinuität und Sicherheit. Auf der Gemeindeverwaltung konnten wir wieder Fachwissen und Kompetenzen aufbauen.
Parallel zu Ihrer Arbeit bilden Sie sich zum Gemeindeschreiber weiter. Wie stark hilft Ihnen das in dieser turbulenten Zeit?
Sehr stark. Einerseits erhalte ich mit der Ausbildung Werkzeuge und Fachwissen, anderseits ist der Austausch zwischen den Schülern und Lehrern sehr wertvoll. Zudem darf ich bei Fragen das Telefon in die Hand nehmen, und bei Berufskollegen nachfragen.
Toll ist auch, dass ich das Gelernte gleich 1:1 umsetzen kann. Als Gemeindeschreiber ist man der Dreh- und Angelpunkt einer Gemeinde. Es ist eine Herausforderung, den richtigen Leuten die für sie wichtigen Informationen zu geben.
Welche Tipps erhalten Sie von Berufskollegen aus der Umgebung?
Der Eggenwiler Gemeindeschreiber Walter Bürgi hat mich zum Beispiel bei Personalfragen unterstützt und mich auf politische Nuancen aufmerksam gemacht. Der Stadtschreiber von Bremgarten, Beat Neuenschwander, fungiert im Gemeindeschreiberverband als mein Götti und gibt mir wertvolle Tipps. Aber auch mit dem Niederwiler Gemeindeschreiber Christian Huber pflege ich einen regen Austausch und er steht mit Rat und Tat an meiner Seite. Man geht auch mal miteinander essen. Die Vernetzung untereinander hilft sehr und ist entscheidend in dieser Funktion. Zudem erhielt ich von den anderen sehr viele Informationen zur Vorgeschichte der aktuellen Geschäfte der Gemeinde.
In welcher Verfassung ist die Gemeinde zurzeit?
In einer sehr guten. Wir verfügen über ein Pro-Kopf-Nettovermögen. Sind also nicht verschuldet. Bei den Steuereinnahmen hatte man jetzt einmal zu optimistisch budgetiert und einen Verlust erzielt. Das aktuelle Budget 2024 ist dagegen realistisch. Wir haben die Prozesse angeschaut und daraus Lehren gezogen. Die aktuelle Infrastruktur von Fischbach-Göslikon befindet sich in einem sehr guten Zustand. Für die Schulhauserweiterung erarbeiten wir momentan eine mögliche Lösung, die an einer der nächsten Gemeindeversammlungen traktandiert werden kann.
Ein aktuelles Thema ist die Finanzierung des Reussstegs. Kann sich Fischbach-Göslikon diesen leisten?
Meiner Meinung nach ganz klar Ja. Zurzeit stehen Kosten von grob gerechnet 2 Millionen Franken im Raum. Davon trägt der Bund 800 000 Franken. Für Künten und Fischbach-Göslikon bleiben also noch je 600 000 Franken übrig. Um diese Kosten weiter zu senken, werden wir andere Gemeinden um Mitfinanzierung bitten und nach Sponsoren suchen. Die Erstellung des Hasenbergturms in Widen hat gezeigt, dass das klappen kann. Fischbach-Göslikon kann sich also den Reusssteg leisten. Die Frage ist nur, ob eine Mehrheit der Bevölkerung das auch will.
Wann wird voraussichtlich wieder Ruhe einkehren?
Wir haben jetzt schon viel mehr Ruhe als vor einem Jahr. Wichtig ist eine offene und transparente Kommunikation der Bevölkerung gegenüber. Wir müssen die Bürger abholen und ernst nehmen. Das muss noch vermehrt gelebt werden.
Das klingt gut. Die Bürger haben aber sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche.
Das stimmt und gehört zu den Schwierigkeiten. Wir müssen heraushören, was die Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner möchte und dies mit den finanziellen und anderen Möglichkeiten in Einklang bringen. Die Gemeinde Fischbach-Göslikon wächst durch verschiedene Bauprojekte in den nächsten fünf bis zehn Jahren um 250 bis 500 Einwohner. Da gilt es abzuschätzen, wer kommt und welche Auswirkungen das auf die Infrastruktur wie etwa den Schulraumbedarf hat. Wir müssen jetzt einen umsetzbaren Plan erstellen und diesen realisieren.
Bei all diesen Herausforderungen: Wie entspannen Sie sich zwischen der Arbeit?
Indem ich Zeit im privaten Freundeskreis verbringe, mit Sport und Wellness. Zwei bis drei Stunden runterfahren tut richtig gut. Danach habe ich wieder Kraft und Willen für diese teils 14- bis 15-Stunden-Tage. Durch meine früheren beruflichen Tätigkeiten sehe ich mich als krisenresistent und bin es gewohnt, nicht gleich aufzugeben. Meine Devise bleibt: Was kann ich tun, damit es für die Einwohner im Dorf einfacher oder besser wird.
Persönlich
Ronny Wasem amtete vor seinem Einstieg als Gemeindeschreiber von Fischbach-Göslikon als Kommandant der Zivilschutzorganisation Wettingen-Limmattal. Zuvor war er Offizier und Ereignismanager beim Lösch- und Rettungszug der SBB. Neben seiner Arbeit als Gemeindeschreiber verbringt er seine Freizeit als Vizekommandant der Feuerwehr Bremgarten und als Chef des Regionalen Führungsorgan Aargau Ost. Zurzeit absolviert er die Ausbildung zum Gemeindeschreiber. Er besitzt zudem ein Diplom in Betriebswirtschaft und in Management und ein Höheres Wirtschaftsdiplom.