Marco Huwyler, Redaktor.
Von Klein auf gab es für mich im Bus stets nur einen Lieblingsplatz. Zuvorderst, hinter dem Chauffeur. Mit Blick durch dessen Frontscheibe kann man die Fahrt am besten geniessen. Das sah ich als kleiner Bub so ...
Marco Huwyler, Redaktor.
Von Klein auf gab es für mich im Bus stets nur einen Lieblingsplatz. Zuvorderst, hinter dem Chauffeur. Mit Blick durch dessen Frontscheibe kann man die Fahrt am besten geniessen. Das sah ich als kleiner Bub so – und heute immer noch. Auch wenn ich natürlich sensibilisiert bin, den Platz zu räumen, wenn ältere Personen zusteigen (oder Kinder, denen es gleich ergeht, wie mir einst).
Nun hat dieser Platz aber einen Haken. Das Ein- und Aussteigen bei der Vordertür wäre naheliegend, schnell und bequem. Doch meine Grosseltern haben mich einst gelehrt: Das macht man nicht! (Ausser man muss ein Billett lösen). Es sei unanständig dem Fahrer gegenüber – muss er ständig öffnen, ist er der Aussenluft ausgesetzt. Im Winter der Kälte, im Sommer der Hitze. Das leuchtete mir damals wie heute ein. Ausserdem würde ich es auch sonst an Chauffeurs Stelle schätzen, wenn ich vorne meine relative Ruhe hätte.
Selbstredend fiel mir über die Jahrzehnte immer wieder auf, dass dies nicht alle gleich handhaben wie ich. Vorneinaussteiger gibt es viele. Und ebenso Fahrer, denen das nichts auszumachen scheint. Deshalb war ich stets im Dilemma. Wann immer möglich, beherzigte ich jedoch die eiserne Busregel meiner Grosseltern.
Kürzlich sprach mich jedoch eine Chauffeuse aktiv an, als ich hinten aussteigen wollte. «Komm doch hier raus», sagte sie laut (eine Deutsche). «Aber ich dachte…» – sie unterbrach mich lachend. «Diese Zeiten sind längst vorbei!» Ich ging also, mich bedankend, für einmal vorne raus. Die Skrupel blieben dennoch. Bis ich einige Wochen später auf den Bildschirmscreens gar eine Anzeigekampagne erspähte, die mich fortan begleitete. «Nutzen Sie auch die Vordertür» (oder so ähnlich). «So geht es für alle schneller.»
Definitiv Zeit also, meine verinnerlichten Manieren über Bord zu werfen. Die perfekte Gelegenheit folgte. Mit Nachwuchs neben mir auf dem Lieblingsplatz (meine Partnerin sass hinten) hatte ich die Fahrt verbracht. Der Bus war voll. Auszusteigen galt es mit Töchterchen auf dem einen und Einkaufstüte auf dem anderen Arm. Also Tür-Taste gedrückt. Einmal, zweimal… Beim dritten Mal geht die Vordertür erst auf. Unter theatralischem Geseufze des Chauffeurs. Draussen wartet schon meine Partnerin – hinten raus, natürlich: «Was mached ihr? Mer stiegt doch nöd vorne uus, das isch unhöflich!»