Heute, im Ruhestand, hat Profifotograf Andy Müller die Kamera weitgehend zur Seite gelegt. Stattdessen kreisen seine Hände um nassen Ton, formen Vasen, Tassen oder Teller. Ab morgen stellt der 71-Jährige seine Werke am Keramikpanorama in Murten aus.
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Heute, im Ruhestand, hat Profifotograf Andy Müller die Kamera weitgehend zur Seite gelegt. Stattdessen kreisen seine Hände um nassen Ton, formen Vasen, Tassen oder Teller. Ab morgen stellt der 71-Jährige seine Werke am Keramikpanorama in Murten aus.
Sabrina Salm
Nah dran. Das Objekt im Visier. Den Atem kurz anhalten, um im richtigen Moment den Auslöser zu drücken – so sah der Alltag von Andy Müller über drei Jahrzehnte lang aus. Als Profifotograf war er in der Schweiz und im Ausland für zahlreiche Medien, auch viele Jahre für diese Zeitung, unterwegs. Jagte dem perfekten Bild hinterher und hielt Emotionen fest, die in Erinnerung bleiben. Er war vor allem als Sportfotograf bekannt, erhielt 2019 beim Swiss Press Award in der Kategorie Sport den dritten Platz. Leidenschaft sei Fotografie für ihn allerdings nie gewesen. «Ich habe es gemacht, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren», sagt er nüchtern. Erst mit Mitte dreissig griff er wieder ernsthaft zur Kamera – zuvor hatte ihm sein Vater, selbst Fotograf, den Spass daran verdorben. «Kein Bild war gut genug», erinnert er sich. «Deshalb hatte ich lange keine Lust darauf.»
Zufällige Begegnung mit dem Material Ton
Für ihn war nach seiner Pensionierung schnell klar, dass er nicht mehr ständig durch die Linse schauen wollte. Er habe gar daran gedacht, seine Kamera zu verkaufen. «Das habe ich dann doch nicht geschafft», gibt er schmunzelnd zu. Ab und an fotografiert er noch und ist so etwa noch auf den regionalen Sportplätzen anzutreffen. «Gute Bilder mag ich eben noch immer.» Trotzdem hat Andy Müler das Kapitel Fotografie weitgehend geschlossen. Er habe für sich eine «sinnvolle» Beschäftigung gesucht. Gefunden hat er diese an der Töpferscheibe. «Hätte mir jemand vor sieben Jahren gesagt, dass ich einmal töpfern werde, hätte ich geantwortet: ‹Du bist nicht ganz gebacken›», sagt Müller und lacht. Tatsächlich war es eher eine zufällige Begegnung mit dem Material Ton, die ihn auf den neuen Weg brachte. Ein Töpferkurs sollte es richten – die Kursleiterin konnte ihm jedoch nicht viel beibringen. Doch statt frustriert aufzuhören, biss sich Müller durch. «Ich habe mir einen Bastelraum gemietet, eine Töpferscheibe gekauft und losgelegt.» Der Rest war, wie er es nennt, «üben, üben, üben».
Mit der Zeit entstanden immer mehr Objekte, von Vasen über Tassen bis zu Tellern. Bald wurde der Platz knapp. Zufällig entdeckte er bei einer Velotour ein leer stehendes Lokal an der Unterdorfstrasse 15 in Zufikon – heute sein Atelier. Hier findet man alles, was es zum Töpfern braucht – Drehscheiben, Werkzeuge, Glasuren, Brennofen. Dort bietet er nicht nur seine eigenen Arbeiten an, sondern teilt seinen Raum auch mit anderen Interessierten. «Es ist ein offenes Atelier.» Ebenfalls bietet er Kurse an.
Die «Olympiade» von Murten
Seine neue Leidenschaft trägt ihn nun bis ans Keramikpanorama in Murten – eine renommierte Keramikausstellung. Vom 6. bis 7. Septmber präsentieren dort rund hundert Keramikerinnen und Keramiker aus dem In- und Ausland ihre Werke. Müller, der sich fast scherzhaft beworben hat, wurde tatsächlich angenommen. «99 Profis – und ich», meint der Hobbykeramiker, wie er sich selber nennt, bescheiden. Für die Ausstellung bereitete er sich drei Monate lang vor. «Für mich ist das die Olympiade. Und ich darf dabei sein.»
Perfektionist sei er nicht, sagt er über sich selbst. Und Geduld habe er auch nicht gerade mit in die Wiege bekommen. Doch das Töpfern zwinge einen, genau das zu lernen: geduldig zu sein. Der spannendste Moment sei, wenn man den Ofen öffnet. Er rät: «Man sollte sich während des Prozesses nicht zu früh in ein Stück verlieben. Erst wenn es den Ofen überstanden hat, weiss man, ob es gelungen ist.» Beim Arbeiten mit Ton könne er seine Kreativität ausleben. «Dass man mit den Händen etwas Eigenes schafft, fasziniert mich», sagt er über das Töpfern. «Keramik ist unglaublich vielseitig.» Und so sitzt er nun, der ehemalige Profifotograf aus Rudolfstetten, in seinem Atelier in Zufikon, die Hände voller Ton, den Kopf voller Ideen und mit einem Schmunzeln im Gesicht. «Das Schönste ist, wenn Menschen meine Werke ansehen und sagen: ‹Das mag ich.› Auch wenn ich manchmal nicht verstehe, warum.» Vielleicht liegt genau darin das Geheimnis: Müller töpfert nicht, um zu gefallen – sondern weil es ihm gefällt.