Den Kleinen Sorge tragen
05.08.2025 Region Unterfreiamt, NiederwilAn der Bundesfeier in Niederwil sprach Urs Bosisio, der Direktor des Reussparks
Urs Bosisio streifte in seiner Ansprache die Weltpolitik ebenso wie das Geschehen in den Gemeinden. Er sprach von den immer schneller werdenden Zeiten, aber auch davon, dass man seine ...
An der Bundesfeier in Niederwil sprach Urs Bosisio, der Direktor des Reussparks
Urs Bosisio streifte in seiner Ansprache die Weltpolitik ebenso wie das Geschehen in den Gemeinden. Er sprach von den immer schneller werdenden Zeiten, aber auch davon, dass man seine Träume nicht aufgeben soll.
Chregi Hansen
Er hatte einen kurze Anreise. Egal, ob er von zu Hause oder allenfalls von seinem Arbeitsort nach Niederwil kam. Urs Bosisio lebt in Hägglingen und ist Direktor des Reussparks. Und wenn er zur Arbeit fährt, durchquert er immer das Zentrum von Niederwil. Und von seiner Nachbargemeinde hat er einen guten Eindruck. «Ihr habt eine ideale Grösse, viele aktive Vereine und lebt in bester Lage. Ihr Niederwiler habt keinen Grund zum Jammern», sagte er in seiner Ansprache.
Und die Vereine legten sich auch ins Zeug in Niederwil. Die Frauengemeinschaft, der Musikverein und der Schiesssportverein sorgten dafür, dass Niederwil in den Genuss einer tollen Bundesfeier kam. «Es lohnt sich, wenn die Frauengemeinschaft dabei ist, dann gibt es auch ein Programm für Kinder», freute sich Ammann Norbert Ender in seiner Begrüssung. Er freute sich über die grosse Teilnehmerzahl und erinnerte daran, dass die Gemeinde aus drei Ortsteilen besteht, die alle zusammen das Wappen bilden: Niederwil, Nesselnbach und Gnadenthal. «Jede Gemeinde liegt geografisch für sich allein, und doch bilden wir eine Einheit», so Ende. Nächstes Jahr ist es 125 Jahre her seit der Vereinigung von Niederwil und Nesselnbach, dieses Jubiläum soll gefeiert werden.
Vorbild sein für andere
Auch Festredner Urs Bosisio nahm dieses Thema auf. Für ihn kann die Gemeinde Niederwil heute Vorbild sein für andere. Denn aktuell ist das Thema Fusionen im Aargau wieder in aller Munde. Niederwil und Nesselnbach haben diesen Schritt schon lange hinter sich gebracht. Eine Fusion zwischen zwei Kommunen mache aber nur Sinn, wenn es nicht mehr anders geht. Solange die Finanzen stimmen und die Gemeinden ihre Ämter alle besetzen kann, so lange sollte man den Weg der Eigenständigkeit gehen. «Unsere Gemeinden sind die kleinsten politischen Zellen in der Schweiz. Aber sie besitzen sehr viel Macht», erinnerte der frühere Gemeindeammann von Hägglingen. Und das sei auch gut so. Denn in den Gemeinden seien die Verantwortlichen nahe bei den Bürgern, kennen ihre Sorgen und Nöte und sind normalerweise bereit, sich deren Argumente anzuhören.
Schnelligkeit ist nicht alles
Für Bosisio sind Feiern wie diese am 1. August sehr wichtig. Dabei gehe es weniger um das Datum. «Wir könnten auch den 12. September feiern, denn an diesem Tag im Jahr 1848 erhielt die Schweiz die erste moderne Verfassung.» Bei solchen Feiern gehe es darum, die Gemeinschaft zu stärken. Wenn er hier im Zelt herumschaue, sehe er die unterschiedlichsten Menschen. «Diese Vielfalt ist typisch für unser Land», betonte er. Bosisio weiss, wovon er redet, arbeiten doch im Reusspark Menschen aus 35 verschiedenen Nationen. Gerade in den politisch schwierigen Zeiten mit Krisen in der ganzen Welt sei es wichtig, Einigkeit zu beweisen. «Mit etwas mehr Toleranz hätte es für alle Menschen auf dieser Erde genug Platz.»
Sorgen bereitet Urs Bosisio das immer grössere Tempo in unserer Welt. Er erinnerte daran, dass die Meldung über Kolumbus’ Entdeckung von Amerika erst 100 Jahre später in Europa ankam. Selbst das Attentat auf John F. Kennedy erfuhren viele US-Bürger erst 15 Stunden später. Mit der Live-Übertragung der Mondlandung habe sich vieles verändert, sind Ereignis und die Berichte darüber oft zeitgleich. «In der Schnelligkeit liegt aber auch eine grosse Gefahr von Ungenauigkeiten und Fehlern», mahnte er. Er kenne das aus dem eigenen Leben. Schon oft habe er sich geärgert, dass er eine Mail sofort beantwortet habe, statt erst eine Nacht darüber zu schlafen.
Die Zeit drängt
Sich etwas mehr Zeit nehmen, das ist sein Ratschlag. Vor allem auch mehr Zeit für seine Liebsten. In der Corona-Zeit fand bei vielen eine Besinnung statt auf das, was wirklich wichtig ist: Familie, Freude, die Natur. «Leider lässt die Wirkung wieder nach. Wir leben in einer Zeit der Individualisierung», so der Festredner. Und er warnte: Die heutige Gesellschaft habe ihren Zenit längst überschritten, ist er überzeugt. Wie bei anderen Hochkulturen aus früheren Zeiten, etwa den Griechen oder Römern, drohe der Untergang. «Im Unterschied zu heute haben diese Kulturen nur sich selbst zerstört. Wir aber sind daran, den ganzen Planeten zu zerstören.» Gerade die europäischen Länder würden versagen. «Wir verpassen den Anschluss in der Welt und kümmern uns um Mikroprobleme», so die Kritik des Festredners. Dabei dränge die Zeit.
Doch so pessimistisch wollte Bosisio seine Rede nicht beenden. Er forderte alle auf, wieder zufriedener zu werden und gerade dem Kleinen wieder mehr Sorge zu tragen. Den Gemeinden und den Familien. «Wir sollten wieder besser aufeinander schauen und nicht erst, wenn es zu spät ist», so sein Ratschlag. Und auch wenn die Zeiten weltweit gesehen alles andere als rosig seien, so sei Träumen doch erlaubt. «Versucht, diese Träume wahr werden zu lassen. Am besten sofort und nicht erst, wenn ihr alt und müde seid.» Er schloss seine Rede mit einem Zitat von Alexandre Dumas: «Der wahre Weg, um Glücklichkeit zu erlangen, besteht darin, andere Menschen glücklich zu machen.» Mit diesem Hinweis wünschte er allen noch eine tolle Feier.