Zwischen Glamour und Alltag
19.09.2025 Region Oberfreiamt, MerenschwandRöbi Koller gibt an der Lesung «Backstage» in der neuen Mediothek Merenschwand überraschende Einblicke
In seiner Show «Happy Day» hat er Träume wahr werden lassen und das publikumswirksam dokumentiert. In Merenschwand erzählte ...
Röbi Koller gibt an der Lesung «Backstage» in der neuen Mediothek Merenschwand überraschende Einblicke
In seiner Show «Happy Day» hat er Träume wahr werden lassen und das publikumswirksam dokumentiert. In Merenschwand erzählte Röbi Koller die Geschichten hinter diesen berührenden Geschichten. Spannend und sehr persönlich.
Thomas Stöckli
Es läuft für die Mediothek Merenschwand. Im Sommer durfte sie ihre Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Schulhaus-Neubaus beziehen. Gut sichtbar mit Fensterfront gegen die Hauptstrasse. Das zahlt sich offenbar bereits aus: 19 Neukunden in vier Wochen – gemessen an den 160 zahlenden Kunden sei das eine beachtliche Zahl, ordnet Mediotheksleiterin Claudia Zölch ein. Hauptnutzerin bleibt aber die Schule. «Wir setzen uns sehr für die Leseförderung ein», so Zölch. Die Klassen besuchen die Mediothek im Zwei-Wochen-Turnus. Von über 9000 Medien sind 1700 Kinder- und Jugendbücher. Dem stehen 1350 Romane für Erwachsene gegenüber.
Promi und Privatperson
In die Erfolgsgeschichte passt auch der Besuch von Röbi Koller. Die Lesung des bekannten TV-Manns aus seinem Buch «Backstage» lockt die Dorfbevölkerung zahlreich in den Neubau. Wobei der klassische Begriff «Lesung» für den Anlass eigentlich eine Mogelpackung sei, wie Koller zugibt – «aber im positiven Sinn», beeilt er sich nachzuschieben. Vielmehr ist es ein Spaziergang durch sein Leben, auf welchen er das Publikum mitnimmt. Als roter Faden dient «Happy Day», die TV-Show, in der er über 18 Jahre hinweg Herzenswünsche erfüllen durfte. Nach 86 Sendungen wurde er im April pompösemotional verabschiedet, mit Grussbotschaften von Peter Reber, Helene Fischer und Zucchero.
Auf die Bilder der Stars folgt eines, wie er am Morgen danach mit seinem Nachbar an der Tür eines Kellerabteils herumschraubt. Auch das ist Röbi Koller. Die private Variante. In der öffentlichen Wahrnehmung ist er der Promi. Der Wunscherfüller. Der Freudebereiter. Einer, dem nie die sogenannt ernsthaften Interviewfragen gestellt werden, die nach der Melancholie, nach den bittersüssen Seiten des Lebens.
Architektur und Literatur
Röbi Koller nimmt sein Publikum auf die Reise, die er nach dem Ende von «Happy Day» mit seiner Frau gemacht hat. Mit dem Wohnmobil ging es durch Deutschland an die Ostsee und via Nordsee dem Rhein entlang wieder zurück. «Wir haben viele Kirchen gesehen», sagt er, zeigt Beispielbilder aus Ulm, Köln und Bremen, und lässt die Zuhörerinnen und Zuhörer raten, welche es sind. Von den Kirchtürmen kommt er auf Windräder und von diesen wiedrum auf einen Buchtipp: «Unterleuten» heisst der Gesellschaftsroman der deutschen Schriftstellerin, Juristin und Verfassungsrichterin Juli Zeh, der im gleichnamigen fiktiven Dorf spielt. Ein Dorf, in dem eine Investorenfirma einen Windpark bauen will. Es entwickelt sich ein Verwirrspiel zwischen Realität und Eigennutz, erzählt aus verschiedenen Perspektiven.
«Lesen bildet», leitet Röbi Koller zum nächsten Thema über. Dabei fällt ihm eine Karte aus dem Buch. «Fehler sind Helfer» steht darauf. Ein Anagramm. Und ein Hinweis, dass das «Missgeschick» pure Absicht gewesen sein dürfte. «Aus ‹Eichhof Bier› kann man ‹Frohi Cheibe› machen», knüpft Koller nämlich sogleich an. Es folgt ein «Plädoyer fürs Lesen» – eine Rundumempfehlung bis hin zu Klosprüchen. Einzig bei «allgemeinen Vertragsbedingungen» rät der TV-Mann von der Lektüre ab. «Wenn Sie nicht lesen, sind Sie nicht belesen», so das Fazit von Koller nach einer schier endlosen Aufzählung von Lesestoffen und Lesesituationen. Und weiter: «Ach, lesen Sie, was Sie wollen. Aber lesen Sie!»
Klingende Sprache
Belesen ist zweifellos auch Bob Dylan. Weil die Technik in der Mediothek Merenschwand keine Sounddateien abspielen kann, singt Röbi Koller selbst vor. Einen Text, der auch nach der Übersetzung unverständlich bleibt. «Manchmal geht es nur um die Schönheit der Worte», zitiert er Michael Gray, einen britischen Autor, der sich intensiv mit dem Werk von Bob Dylan auseinandergesetzt hat. Während wir in der bildnerischen Kunst gelernt haben, mit Abstraktion umzugehen – als Beispiel zeigt der TV-Mann ein Bild des zeitgenössischen Künstlers Gerhard Richter –, erwarten wir in (Lied-)Texten noch eine verständliche Botschaft.
Doch wie kommt Koller auf Dylan? Erstmals bewusst wahrgenommen habe er den Song-Poeten als 13-Jähriger. In seiner Zeit am Radio habe er ihn weiter begleitet. Richtig geweckt wurde die Faszination allerdings erst durch ein Interview mit erwähntem Michael Gray. Seither lasse das Thema ihn nicht mehr los: «Mittlerweile habe ich eine halbe Bücherwand voll mit Literatur um Bob Dylan», so Röbi Koller.
Entstanden ist auch der «Dylan-Talk», eine Serie öffentlicher Gespräche, in deren Verlauf er Grössen empfangen durfte wie Toni Vescoli, Franz Hohler oder Wolfgang Niedecken, Frontmann der Kölschrockband BAP, der zuweilen «Deutscher Bob Dylan» genannt wird.
Emotionale Momente
Via Übersetzer-Handwerk, das aus nationaler Literatur universelle erschaffen kann, indem es den Klang findet, welcher der Sprache gerecht wird, landet Röbi Koller beim Reisen – und damit wieder bei «Happy Day». Er berichtet von Eisstrassen bei minus 39 Grad, von der Wiedervereinigung einer jungen Schweizerin mit ihrem Hund aus Namibia.
Weiter von der alten Mutter, die wissen wollte, wie der Arbeitsalltag ihres Sohnes aussieht, der als Helipilot Ölbohrinseln im Golf von Mexico versorgt. Vom Fan von Eiskunstläufer Stéphane Lambiel, der auf seinem eigenen Sofa eine exklusive Kür in der Eishalle geboten bekam. Vom Besuch bei Travestiekünstler Olivia Jones auf der Hamburger Reeperbahn.
Und dann wird es wieder ganz persönlich. Röbi Koller erzählt, wie nach jedem «Happy Day» am nächsten Morgen seine Mutter zur «Manöverkritik» anrief. «Sie bemerkte viele Details und nahm kein Blatt vor den Mund», erinnert er sich. «Das meiste hat ihr gefallen, die Musik aber nicht: Sie war ein Bach-Fan.» Nach ihrem Tod habe dann der Vater die lieb gewonnene Tradition fortgesetzt, bis der ein Jahr später selbst verstarb.
Das Publikum in der Mediothek folgt den Ausführungen gebannt. Am Signiertisch bietet sich dann Gelegenheit, mit dem Autor einige Worte zu wechseln. «Ich würde gerne mehr solche Anlässe machen», sagt Claudia Zölch. Schliesslich soll die Mediothek auch ein Treffpunkt sein. Ein «dritter Ort», wie sie es bezeichnet, ergänzend zu Wohnung und Arbeitsplatz.