Thomas Stöckli, Redaktor.
Will ich eine Stadtpflanze oder ein Landei sein? Das darf jeder und jede für sich beantworten – wobei die Antwort im Laufe einer Biografie unterschiedlich ausfallen kann. Wenn Jugendliche, die auf dem ...
Thomas Stöckli, Redaktor.
Will ich eine Stadtpflanze oder ein Landei sein? Das darf jeder und jede für sich beantworten – wobei die Antwort im Laufe einer Biografie unterschiedlich ausfallen kann. Wenn Jugendliche, die auf dem Land aufwachsen, im Rahmen der weiterführenden Schulen das Stadtleben entdecken, mag ihnen die Vorstellung einer WG mit Gleichaltrigen abenteuerlich-reizvoll erscheinen. Wenn es in die Familien-, die Nestbauphase geht, wächst das Bedürfnis, das wild-unabhängige Stadt- gegen das übersichtlich-behütetere Landleben einzutauschen. Wenn die Kinder ausgeflogen sind, wünscht man sich wieder ein breiteres Kulturangebot. Der irische Schriftsteller Oscar Wilde (1854–1900) hatte dazu seine eigene Ansicht: «In der Stadt lebt man zu seiner Unterhaltung, auf dem Land zur Unterhaltung der anderen.»
Wer sich nicht im Sinne des abgrenzenden «Entweder-oder» entscheiden will, schätzt vielleicht das verbindende «Sowohlals-auch». Im Freiamt können dies etwa Bremgarten und Wohlen, Muri und Sins bieten. Als regionale Zentren vereinen sie Naturnähe und Infrastruktur wie Dreifachhalle und Skaterpark, Pflegeinstitution und Konzertsaal. Regionalzentren bieten einen Mehrwert, von dem auch die umliegenden Orte profitieren – und zu dem sie im Idealfall ihren finanziellen Beitrag leisten.
«Solidarität nennt man die gerechte Verteilung des Elends», hat der 2019 verstorbene Schweizer Aphoristiker Walter Fürst gesagt. Eine fatalistische Ansicht. Ich halte es da lieber mit dem altgriechischen Komödiendichter Menander (342–290 v. Chr.): «Wenn alle Menschen sich immer gegenseitig beistünden, dann bedürfte niemand des Glücks.» Zugegebenermassen ein utopisches Ziel. Auch wenn man ans Gute im Menschen glaubt, so spricht doch nur schon die weitverbreitete Tendenz dagegen, dem Verhalten des Gegenübers stets die schlechtestmögliche Absicht zu unterstellen.
Zurück zu den Freiämter Gemeinden: Deren Attraktivität misst sich nicht nur am eigenen Angebot, sondern an jenem der ganzen Region. Entsprechend können Solidarität und Fairness einen Mehrwert bringen, der das vermeintliche Sparpotenzial von «Gärtlidenken» bei Weitem übersteigt. Und vielleicht schimmert bei genauerem Hinschauen aufs Elend ja doch etwas Utopia durch.