Zuckerbrot und Peitsche
30.04.2024 BremgartenBundesrat zu Gast
An der Maitagung der SVP im vollen Bremgarter Casino standen nationale Themen im Fokus. Bundesrat Albert Rösti weibelte dabei für ein Ja zum neuen Stromgesetz.
Die SVP-Parteiprominenz gab sich in Bremgarten die Ehre – ...
Bundesrat zu Gast
An der Maitagung der SVP im vollen Bremgarter Casino standen nationale Themen im Fokus. Bundesrat Albert Rösti weibelte dabei für ein Ja zum neuen Stromgesetz.
Die SVP-Parteiprominenz gab sich in Bremgarten die Ehre – inklusive Bundesrat
Die fünfte Maitagung der SVP-Bezirkspartei sorgte für ein ausverkauftes Bremgarter Casino. Bundesrat Albert Rösti gab sich dabei volksnah und sorgte für Lacher – rührte aber auch die Abstimmungs-Werbetrommel für ein innerparteilich unbeliebtes Anliegen.
Marco Huwyler
Angesichts der jahrelangen Absenz in der Bremgarter Regierung gehört das Reussstädtchen nicht unbedingt zu den SVP-Hochburgen. Doch an diesem Freitagabend war der Bezirkshauptort für einmal fest in der Hand der Schweizerischen Volkspartei. 270 Parteimitglieder und Sympathisanten füllten das Casino bis auf den letzten Platz. «Es ging nur gut zwei Wochen, da war die Veranstaltung ausverkauft», lächelte Veranstalter Mario Gratwohl. Zum fünften Mal hatte der Niederwiler Grossrat zur Maitagung geladen. Neben Fussvolk gab sich auch heuer wieder allerlei Parteiprominenz die Ehre. «Es gibt keinen anderen zahlungspflichtigen Anlass einer Partei im Aargau, der sich einer solchen Beliebtheit erfreut», konstatierte Gratwohl sichtlich stolz. Sein Anlass hat sich bestens etabliert. Was natürlich auch an den prominenten Rednern liegt. An vorderster Front heuer: Albert Rösti.
Werbung für das Stromgesetz
«Ich fühle mich schon fast wie ein Aargauer», frotzelte der Bundesrat, als er ans Rednerpult trat – angesichts seiner sich häufenden Besuche im Rüebliland. Zuletzt hatte er unter anderem auch in Boswil anlässlich der Murianer Grossratsnomination seine Aufwartung gemacht. «Das zeigt – ich bin wirklich gerne hier. Aber danach bleibe ich mal für eine Weile in Bern», scherzte Rösti, bevor er zu einer Rede ansetzte, für deren Inhalt er sich schon zu Beginn entschuldigte. «Ihr müsst mir gestatten, dass ich die Gelegenheit nutze, um etwas Werbung zu machen für das neue Stromgesetz.»
Ein Gesetz, das von einem Grossteil seiner Parteibasis abgelehnt wird. Für das Rösti als UVEK-Vorsteher im Vorfeld der Abstimmung am 9. Juni aber zu weibeln hat. Er tat dies Bremgarten überzeugend. «Wir können es uns in der momentanen Lage nicht einfach leisten, Nein zu erneuerbaren Energien zu sagen», meinte er etwa. «Wir brauchen Strom von überall, damit wir nicht in eine Mangellage geraten.»
Rösti meisterte die Zerrissenheit seines Daseins als Vollblut-SVPler und Bundesrat in einem Saal voller Stromgesetz-Skeptiker souverän – indem er deren Positionen geschickt immer wieder als vereinbar mit der Vorlage verknüpfte. «Wie ihr wisst, bin auch kein Fan von solchen Propellern», meinte er mit Verweis auf Windkraftwerke etwa. «Wir werden diese auch bei einem Ja nur dosiert einsetzen. Auch mit Gesetz wird keine Gemeinde gegen ihren Willen solche bauen müssen», versprach Rösti. Im Fokus stehe vor allem die Stärkung der Wasserkraft. Und ein «Ja» sei auch keineswegs eine Abfuhr an die Atomenergie. «Meiner Überzeugung nach brauchen wir alle Technologien – auch die Atomkraft.»
Annemarie Hofer bundesrätlich verabschiedet
So gelang es Rösti, die bundesrätliche Position zu vertreten, ohne die Stimmung seiner Parteigenossen allzu sehr zu trüben. Zumal auf die unliebsame Stromgesetz-«Peitsche» das Zuckerbrot auf dem Fuss folgte. Indem Rösti im zweiten Teil seiner Rede über seine Pläne referierte, das Nationalstrassennetz auszubauen, und damit der SVP-Basis aus der Seele sprach. «Gegner sagen, Strassen seien nicht nachhaltig, wollen aber im Sinne der Nachhaltigkeit die Elektroautos fördern – ja wo sollen denn diese fahren?», fragte er sarkastisch in die Menge. Der Strassenausbau solle zudem ohne Abbau von Kulturland geschehen. Er wisse um dessen Bedeutung und stehe für die Landwirtschaft ein, sagte er mit Seitenblick zu den Bauern. Danach stellte sich Rösti den Fragen aus dem Saal und verabschiedete und verdankte «Im Auftrag von Andreas» mit Annemarie Hofer die langjährige Parteipräsidentin Oberwil-Lielis. «Wir brauchen Leute wie sie, die jahrelang an der Basis wertvolle Arbeit verrichtete», sagte der Bundesrat unter dem warmen Applaus des Saals an Hofer gerichtet.
SVP-Themen kommen nicht zu kurz
Der Auftraggeber dieser Laudatio – Andreas Glarner – hatte bereits zu Beginn des Abends seinen Auftritt. Anders als der Bundesrat bediente er in seiner Auftaktrede vollumfänglich das SVP-Klientel und setzte vor dem vergnüglichen Speis und Trank den Ton für die folgenden Stammtischgespräche. Die altbekannten Themenfelder «Klimawahn», Zuwanderung und Ausländer-Kriminalität bewirtschaftete er in gewohnt pointierter Manier mit spitzen Worten und scharfer Zunge – und sorgte immer wieder für Applaus, Nicken und teils bitterböse Lacher.
Regierungsrat Jean-Pierre Gallati tat ähnliches eine gute Stunde später in seiner Grussbotschaft eine Spur staatsmännischer, aber nicht minder SVP-affin und eindringlich, als er über die «kriegerische Krise» sprach, in der wir uns befinden. Die Schweiz müsse sich nun ernsthaft auf die Landesverteidigung vorbereiten, findet Gallati, und könne nicht länger naiv auf den Schutz von anderen vertrauen. «Unsere Armee würde einen Angriff, wie den, mit dem sich die Ukraine konfrontiert sieht, nur eine oder zwei Wochen überleben», sagte der Aargauer Militärdirektor, bevor er den Bogen spannte zum Asylthema, wo er ebenfalls den Mahnfinger hob. «Wenn Russland gewinnt, dann haben wir wirklich Fullhouse. Dann kommen nochmals 500 000 Migranten», sagte er etwa. Die Schweiz müsse daher die Schraube anziehen – gerade gegenüber «muslimischen Einzelmännern», mit denen umzugehen «nicht angenehm» sei.
Ein Anlass, der mobilisiert
Gallati hofft deshalb, dass Justizminister Beat Jans seinen Worten nach Schnellverfahren im Asylbereich auch Taten folgen lässt – wenngleich er und die SVP skeptisch bleiben. Schliesslich ist Jans noch immer ein Sozialdemokrat, anders als der «ganze SVP-Bundesrat», Albert Rösti, der nach Gallati auf die Bühne trat und sich auch nach seinem Auftritt noch Zeit für Fragen nahm, sich volksnah gab, Hände schüttelte und erst gegen 23 Uhr wieder Richtung Bern davonbrauste.
So brauchten die 270 Gäste ihr Kommen nach Bremgarten wahrlich nicht zu bereuen. Und die SVP-Bezirkspartei durfte sich über eine einmal mehr gelungene Maitagung freuen. Eine Mobilisierung wie an diesem Abend würde sich wohl auch der lokale Partei-Ableger für seinen nächsten Bremgarter Wahl-Anlauf wünschen. Wer weiss, ob sich Aargau-Liebhaber Albert Rösti dann vielleicht wieder als Zugpferd einspannen lässt.