Zu wenig Schnee
31.12.2024 Region OberfreiamtMenschen mit einem besonderen Jahr: Nach 54 Jahren ist für Wasers Schluss mit dem Skilift auf dem Horben
Zwischen Weihnachten und Neujahr wäre die intensivste Zeit für die Familie Waser – wenn denn ausreichend Schnee liegen würde. Diesmal konnten ...
Menschen mit einem besonderen Jahr: Nach 54 Jahren ist für Wasers Schluss mit dem Skilift auf dem Horben
Zwischen Weihnachten und Neujahr wäre die intensivste Zeit für die Familie Waser – wenn denn ausreichend Schnee liegen würde. Diesmal konnten sie ihre Feiertage entspannt planen, nach dem Entscheid, den Skilift auf dem Horben nicht mehr in Betrieb zu nehmen.
Thomas Stöckli
Der Traum von einer weissen Weihnacht hat sich dieses Jahr endlich wieder einmal erfüllt, auf dem Horben. Anstelle einer dicken Schneeschicht blieb es allerdings bei einer dünnen weissen Decke. Zu wenig, um darauf Ski fahren zu können, und zu viel, damit dies auch allen bewusst ist. Der Entscheid, ob sie den Lift in Betrieb nehmen sollen oder nicht, erübrigte sich für die Familie Waser diesmal sowieso: Bereits im November haben sie kommuniziert, dass sie den Betrieb einstellen. Ein einschneidender Entscheid, nach 54 Jahren Skilift auf dem Horben, 35 Jahre davon unter ihrer Leitung.
Plausch für die Kinder, harte Arbeit für Wasers
Generationen von Kindern aus dem ganzen Freiamt haben auf dem Horben ihre ersten Wintersport-Erfahrungen gesammelt. In guten – will heissen: schneereichen – Zeiten seien die Weihnachtsferien jeweils die strengste Phase gewesen, blickt Alois Waser zurück: «Schon am 24. kamen die Väter mit ihrem Nachwuchs, damit die Mütter zu Hause noch alles vorbereiten konnten. Ab dem 25. bis in die Neujahrswoche haben die Kinder dann die neu erhaltenen Ski und Schlitten ausprobiert. «Es gab Eltern, die uns ihre Telefonnummer – falls etwas sei – und etwas Geld für die Verpflegung gaben, und die Kinder hier liessen», beschreibt Margot Waser, die, als sie noch in der Pflegi arbeitete, nach der Nachtschicht nahtlos am Lift weitermachte.
An Arbeit mangelte es nicht: Billette verkaufen und abknipsen, den Imbiss betreiben und im Notfall mit dem Rettungsschlitten intervenieren können. Doch am strengsten war das Anbügeln, in der Regel der Job von Alois Waser. «Ich war richtig froh, wenn mich da mal jemand ablöste», sagt er. Lange habe das allerdings niemand durchgehalten: «Auch bei mir sah es lockerer aus, als es ist», gibt er zu: «Manchmal hätte ich weinen können, so hat alles wehgetan.»
Schneemangel als Hauptgrund für den Schlussstrich
Und doch: «Wenn es schneesicher wäre, hätten wir weitergemacht», verrät Alois Waser im Laufe des Gesprächs am Küchentisch seines Chalets über Beinwil. Mindestens 15 bis 20 Pistentage bräuchte es, damit sich der Aufwand lohnen würde. Zu Anfangszeiten war der Lift auch schon mal zwei Monate am Stück in Betrieb. Doch das war in den letzten Jahren nie mehr der Fall: «Wenn man zehn Jahre aufstellt und abräumt, und kaum ein Flöcklein Schnee fällt, ist das schon frustrierend.»
Mit dem Skilift reich zu werden, sei nie die Absicht gewesen, «aber es kann nicht sein, dass wir, die wir schon in Pension sind, uns abrackern und noch drauflegen müssen.» Keine Freude bereiten Wasers in diesem Zusammenhang auch der neue Parkdienst an Spitzentagen, der die Marge weiter drückt, sowie die Zufahrtsbeschränkung, die sie Kundschaft kostet.
Kunstschnee-Erlebnis mit Augenzwinkern
In dreieinhalb Jahrzehnten Skiliftbetrieb haben Wasers manches gesehen: Ski, die mit dem Skischuh noch dran talwärts entschwanden, Halbwüchsige, die mit den Zweimeterlatten des Vaters aufkreuzten, und Eigenkonstruktionen, wo die Winterstiefel direkt auf die Ski geschraubt waren. Erstmals in Betrieb genommen wurde der Skilift auf dem Horben bereits 1970. «Die Alpgenossenschaft hatte das angekurbelt», blickt Alois Waser zurück. Damals wurde die Piste noch durch abtrippeln präpariert, in stundenlanger Arbeit, manchmal bis Mitternacht und länger. Später erleichterte ein Schneetöff und schliesslich ein Pistenfahrzeug die Arbeit.
Künstliche Beschneiung war nur einmal ein Thema: Auf den Marketing-Gag einer Schneekanone sei immerhin Tele M1 angesprungen, erinnert sich Alois Waser lachend. Weil die Beschneiung kaum Wirkung zeigte, habe er dann frühmorgens mit dem Traktor Schnee herangeschaufelt und mit dem Pistenbully verteilt. Immerhin sind die Leute gekommen – und haben für den Fernsehsender ihr «Kunstschnee-Erlebnis» beschrieben.
Vielseitiges Bedauern über das Ende
Besonders schwierig fielen die Entscheide, ob der Schnee für den Betrieb ausreicht. «Wenn wir wenig Schnee hatten, schickten uns schon Eltern die Rechnung für die Reinigung der Kleider ihrer Kinder», berichtet Waser. «Und wenn wir uns gegen eine Öffnung entschieden, hiess es: ‹Ihr habt es wohl nicht mehr nötig!›» Rückblickend sind es allerdings die schönen Erinnerungen, die haften bleiben: «Besonders herzig fand ich, wenn Kinder erzählten, wie viel Spass es ihnen macht», erzählt Margot Waser.
Und wie haben die Leute denn nun auf die Ankündigung reagiert, den Liftbetrieb endgültig einzustellen? «Es ist, wie wenn ein Restaurant zumacht: Es äussern alle ihr Bedauern, auch jene, die nie da waren», beschreibt Waser. Nach dem ersten Wintereinbruch im November seien sie zudem für eine, zwei Wochen durch Medienanfragen bombardiert worden. Aber es meldeten sich auch Geschäfte mit Sponsoring-Angeboten.
Nur mit ganz viel Herzblut möglich
Wasers vermochte das nicht mehr umzustimmen. Und an einen Verein als Trägerschaft glauben sie nicht. «In einem Verein packen vielleicht fünf mit an, vom Rest kommt nur heisse Luft.» Und wer einen Skilift betreiben will, der muss dann bereit sein, wenn der Wetterbericht Schnee ankündigt. «Wir haben jeweils die ganzen Ferien für den Winter aufgespart und wenn wir eingeladen waren nur unter Vorbehalt zugesagt», verdeutlichen Wasers das Herzblut, mit dem sie ihren Lift betrieben und damit anderen Freude bereitet haben. Doch jetzt ist genug. Jetzt sind sie dran.