Wunschliste mit Potenzial
19.11.2024 WohlenJugendsession in Wohlen: Angeregte Debatten und demokratisch erstellte Liste mit Anliegen
Den Puls der Jugend fühlen. Dieses Ziel wird mit der Jugendsession stets erreicht. Die jungen Menschen sagen auch, was denn besser sein könnte in Wohlen.
...Jugendsession in Wohlen: Angeregte Debatten und demokratisch erstellte Liste mit Anliegen
Den Puls der Jugend fühlen. Dieses Ziel wird mit der Jugendsession stets erreicht. Die jungen Menschen sagen auch, was denn besser sein könnte in Wohlen.
Daniel Marti
Endlich wieder ein Kino in Wohlen. Bitte weniger Verbote an der Schule betreffend Handynutzung. Dies sind nur zwei Anliegen, die Wohlens Jugend beschäftigen. Insgesamt wurden am Ende der Jugendsession fünf Begehrlichkeiten an Gemeindeammann Arsène Perroud übergeben. Die fünf Anliegen haben laut Stefanie Suter «grosses Potenzial». Die Projektleiterin der Session wurde zudem angenehm überrascht, «wie viele Ideen und Anliegen gesammelt wurden». Aus 25 Vorschlägen wurden die fünf besten bestimmt. Natürlich demokratisch und per Abstimmung. Letztlich war Stefanie Suter «megazufrieden» mit dem Verlauf der Jugendsession. Bereits der Vorbereitungstag hat sehr gut funktioniert. So gut, dass die Projektleiterin kaum mehr eingreifen musste. Das sei doch ein sehr gutes Zeichen – auch was die Vorbereitungsarbeit des Jugendrats angeht. Deshalb sei sie stolz auf die Jugendlichen und auf den Jugendrat, so Stefanie Suter.
Gemeindeammann Arsène Perroud versprach, dass der Gemeinderat sein Möglichstes tun werde bei der Umsetzung der Anliegen. Weiter freute er sich darüber, dass so viele Vertreterinnen und Vertreter der Wohler Politik dabei waren. Der Gemeinderat war mit Thomas Burkard, Denise Strasser, Roland Vogt und dem Gemeindeammann fast vollständig vertreten. Und der Einwohnerrat war im Casino mit beinahe allen Parteien dabei, von links bis rechts, von den Grünen, der SP über die Mitte, die GLP und die FDP bis zur SVP. Auch das ist vorbildlich.
Zwei Tage lang lernten die Jugendlichen der zweiten und dritten Oberstufe die Politik näher kennen. Sie äusserten sich zu Problemen und ihren Wünschen. Fünf Anliegen wurden letztlich an den Gemeinderat überreicht. Ein Kino in Wohlen ist ganz oben auf der Liste. Oder auch ein Spielclub.
Daniel Marti
«Ihr stellt uns mit euren Anliegen stets vor Herausforderungen», sagte Arsène Perroud, als er aus den Händen des Co-Präsidiums des Jugendrates die fünf Anliegen überreicht bekam. Die Wünsche so umzusetzen, wie von den Jugendlichen formuliert, das sei «nicht immer einfach». Ganz zuerst gab es vom Gemeindeammann jedoch ein grosses Kompliment an die Jugendlichen. «Danke für die anregenden und spannenden Diskussionen.» Denn er bewertete das Politisieren der jungen Menschen als sehr konstruktiv. Und letztlich werden an der Jugendsession immer wieder Ideen oder Themen eingebracht, die auch für den Gemeinderat wertvoll sind.
Ein Kino für Wohlen, Kaugummi kauen während Prüfungen, ein Spiel-Club in Wohlen, Anpassung des Handy-Verbots an den Schulen, ein Boxautomat im öffentlichen Raum. Das ist die Hit- und Wunschliste der Wohler Jugend (siehe auch Artikel unten). Anfänglich waren es rund 25 Ideen und Wünsche, die vorgebracht und diskutiert wurden. 25-mal ein gewisser Leidensdruck. «Das ist eine gute Auswahl», so Stefanie Suter, die Projektleiterin Jugendrat und Jugendsession. «Es sind also noch viele Ideen vorhanden», betonte sie. Auch solche, die kaum realisiert werden können. Das aber ist normal bei der Jugendsession.
Gemeindeammann: «Wir werden unser Bestes geben»
Aber Stefanie Suter, die Mitarbeiterin beim Verein für Jugend und Freizeit, ist überzeugt, «dass alle Anliegen ein gewisses Potenzial haben». Beim aktuellen Kino-Umbau ist man auf den Bauherrn angewiesen und bei der Auflockerung des Handyverbots müsse man mit den Schulleitungen in Kontakt treten. «Vielleicht gibt es noch Spielraum, vielleicht gibt es Anpassungen», so Stefanie Suter weiter. Gemeindeammann Arsène Perroud versichert jedenfalls, dass die Anliegen sehr seriös geprüft werden: «Wir geben unser Bestes, damit wir die Anliegen umsetzen können.» Die geäusserten Bedürfnisse nimmt man im Gemeinderat sehr ernst, auch wenn eine Eins-zu-eins-Umsetzung nicht immer machbar sei.
«Wir versuchen auch Bedürfnisse zu interpretieren und vielleicht in einer anderen Form umzusetzen», so Perroud. Vielleicht mit Filmabenden für Jugendliche beispielsweise, um dem Wunsch nach einem Kino gerecht zu werden. Letztlich seien auch die Anliegen der Jugendlichen «kein Wunschkonzert».
Ein weiteres Beispiel: Auch Verbesserungen beim Skaterpark wurden an der Session angesprochen, ohne dass dies Aufnahme in die Liste der Anlie-
gen fand. «Vielleicht kann man da über den ordentlichen Unterhalt eine Verbesserung einfliessen lassen», lässt der Gemeindeammann auch hier Bereitschaft erkennen. Der Gemeinderat
ist also bereit, das gesamte Spektrum der Jugendsession aufzunehmen. Aber immer unter dem Aspekt, dass die Erwartungen der Jugendlichen nicht dahin gehen dürfen, dass alle Anliegen umgesetzt werden können. «Denn sonst werden sie enttäuscht.»
«Speed Debating» mit angeregten Diskussionen
Bei der zweitägigen Jugendsession wurde aber nicht nur um Anliegen und Wünsche sowie Verbesserungen diskutiert und gefeilscht. Ein spannendes Referat (siehe Artikel unten) und vor allem das «Speed Debating» waren wesentliche Eckpunkte. Lokalpolitiker von Gemeinderat und Einwohnerrat stellten sich allgemeinen Themen. Und bei drei Runden konnten sich die Jugendlichen ihre Lieblingsthemen aussuchen. So trat man an den Thementischen in angeregte Diskussionen mit Erwachsenen, erhielt Meinungen aus erster Hand und auch Fakten.
Die Themen Cannabis-Legalisierung, Schwangerschaftsabbruch, Fleischkonsum, Todesstrafe, Kopftuchverbot an Hochschule wurden heiss und angeregt diskutiert. Das «Speed Debating» sei eine «Chance zum Argumentieren. Getraut euch. Sagt, was ihr wollt. Und tut dies respektvoll», lautet der Ratschlag der Jugendratsmitglieder. Und genau so war es auch. Einwohnerräte und Gemeinderäte stellten sich den Diskussionen – und führten die Jugendlichen an die fünf Themen heran, erklärten ihnen, was geht und was nicht funktioniert. Kräftig unterstützt von den Mitgliedern des Jugend-
Jugendrat neu mit einem Co-Präsidium
Der Jugendrat ist neben der Projektleiterin Stefanie Suter eine tragende Säule der Jugendsession, die ihre 18. Auflage erlebte. Sana Wazir trat als Mitglied des Jugendrats-Präsidiums zurück, Leonie Waldner und Lars Gutknecht werden künftig den Jugendrat in einem Co-Präsidium weiterführen «Wir vertreten eure Meinung im Gemeinderat», sagte Sana Wazir zum Abschied. Wenn man in Wohlen etwas verändern wolle, dann könne man auf den Jugendrat zählen. «Wir wollen in der Wohler Politik mitreden und über die grossen politischen Themen diskutieren.» Und genau das funktionierte an der Jugendsession vorbildlich. Darum ein letzter Appell von Sana Wazir. «Schaut beim Jugendrat vorbei.» Das grosse Interesse an Wohlen habe sie jetzt an der Jugendsession bemerkt. «Ihr wart super.» Ein tolles Kompliment zum Abschluss.
Gemeindeammann Arsène Perroud bedankte sich beim scheidenden Präsidiumsmitglied des Jugendrates, Sana Wazir. Und er wünschte dem neuen Co-Präsidium mit Leonie Walder und Lars Gutknecht viel Glück. «Ihr werdet dabei viel lernen, und viele Erkenntnisse daraus ziehen.»
Der Weg in die Normalität
Referat: «Gefangene helfen Jugendlichen»
Es war ein eindrückliches Referat, das ein junger Mann an der Jugendsession gehalten hat. Er ist Mitglied der Organisation «Gefangene helfen Jugendlichen» und als dessen Mitglied erzählte er seine Geschichte. Weil er sich die Zukunft nicht (nochmals) verbauen will, bleibt sein Name anonym.
Es ist die Lebensgeschichte eines Ex-Sträflings. Alles verlief in seinem Leben normal, bis sich die Eltern getrennt haben. Dies hatte Folgen für den damals Siebenjährigen. Der Vater Schweizer, die Mutter Ausländerin aus der Dominikanischen Republik. Die Mutter musste plötzlich arbeiten gehen und Mutter und Sohn mussten umziehen in eine Sozialwohnung. Mit zehn Jahren kam er in ein Heim. Starkes Heimweh quälte ihn. Und er wurde gewalttätig. Mit elf verprügelte er erstmals eine Person. Der Anfang vom schiefen Weg.
Später ging er in die Fremdenlegion anstatt in die Rekrutenschule. Verhaftung bei seiner Rückkehr auf Schweizer Boden. Die Folge: Job verloren. Für ihn der einfachste Weg: Drogenhandel. Und sein Strafregister wurde immer länger. Mit 26 trat er eine Lehrstelle an, obwohl er noch einen Monat im Gefängnis absitzen musste. Im vergangenen Dezember kam seine Tochter zur Welt. Und so fand er auf einen guten Weg zurück. Jetzt sei er stabil, erzählte er den Jugendlichen. Und bald möchte er ein eigenes Geschäft gründen. «Gefangene helfen Jugendlichen», in diesem Fall hat vieles vorbildlich funktioniert – und die Teilnehmer der Jugendsession waren beeindruckt vom schwierigen Lebensweg und vom Weg zurück in die Normalität. --dm



