Windräder gebodigt
31.10.2025 Region OberfreiamtDie Beinwiler sagen an der ausserordentlichen «Gmeind» deutlich Nein zur «Spezialzone für Windenergieanlagen»
Die Bevölkerung hat entschieden: Sie will keine Windräder über Beinwil. Der Entscheid fiel deutlicher aus als erwartet. ...
Die Beinwiler sagen an der ausserordentlichen «Gmeind» deutlich Nein zur «Spezialzone für Windenergieanlagen»
Die Bevölkerung hat entschieden: Sie will keine Windräder über Beinwil. Der Entscheid fiel deutlicher aus als erwartet. Und mit einer Teilnahmequote von fast 60 Prozent wurde auch das Quorum für die definitive Beschlussfassung deutlich überboten.
Thomas Stöckli
Mehrzweckhalle Beinwil, Mittwochabend, kurz nach 22 Uhr: Die Stimmzettel werden verteilt. Die Spannung scheint greifbar. Der Antrag auf geheime Abstimmung – gestellt vom Gemeinderat selbst – ist soeben mit grossem Mehr angenommen worden. Es sollte das letzte Ja an diesem Abend bleiben. «Wir kommen zur Verkündung des Abstimmungsresultats», lässt Gemeindeammann Stefan Zemp nach dem Auszählen der Stimmzettel das Gemurmel in der Halle um 22.42 Uhr abrupt verstummen: Mit 197 Ja- zu 315 Nein-Stimmen haben die Beinwiler der Teiländerung Kulturlandplan mit BNO-Anpassung eine Abfuhr erteilt. Und damit auch dem Windpark. Angesichts der hohen Beteiligung unterliegt der Entscheid nicht dem fakultativen Referendum. Es scheint das Ende zu sein von jahrelanger Planung, Abklärung und Diskussion. Das Ende eines Prozesses, der 2011 mit einer Machbarkeitsstudie lanciert wurde, worauf ab 2014 Windmessungen und 2018 eine Umweltverträglichkeitsprüfung folgten, stets begleitet vom Interessengruppenprozess.
Rekordverdächtige Beteiligung
Mehr als drei Stunden zuvor hat Zemp 519 Stimmberechtigte begrüssen dürfen. So viele passen gar nicht in die Halle. Der Gemeinderat war vorbereitet und hat eine Bild- und Tonübertragung in den Nebenraum aufgegleist. 877 Stimmberechtigte zählt die Gemeinde total – tagesaktuell: «Gerade heute ist noch einer volljährig geworden», sagt Gemeindeschreiberin Sibylle Hochstrasser. Damit beträgt die Teilnahmequote fast 60 Prozent. Diesen Wert erreichen üblicherweise nicht mal Urnenabstimmungen. «Das Dorf ist heute offensichtlich leer», stellt der Gemeindeammann fest. Auch für den Gemeinderat kein Normalzustand. «Fantastisch», findet es Zemp und verleiht seiner «unglaublichen Freude» Ausdruck. «Wir könnten uns an so eine volle Hütte gewöhnen», stimmt Gemeinderat Guido Wigger zu, der das eigentliche Raumplanungsgeschäft vorstellt, bis hin zu den technischen Eckpfeilern, etwa den maximalen Ausmassen, und der Bankgarantie für die Wiederherstellung der Landschaft nach der vertraglich vereinbarten Nutzungsdauer.
David Gautschi von der Windpark Lindenberg AG stellt anschliessend das Projekt vor. Als grossen Vorteil der Windenergie nennt er, dass sie vor allem dann Strom liefert, wenn dieser knapp ist, nämlich im Winterhalbjahr. Weiter ist von einem ausgereiften Projekt die Rede, von einem Projekt mit Strahlwirkung über die Grenzen der Gemeinde und der Region hinaus. Ein Projekt, gegen das kein einziger Naturoder Umweltschutzverband Einsprache erhoben habe. Und Gemeinderat Jürg Barmettler spricht vom nationalen Interesse. «Ja, das Landschaftsbild wird beeinträchtigt, aber die Produktion von erneuerbarer Energie ist höher zu gewichten.» Zudem sei der Gemeinderat überzeugt, dass die Attraktivität des Dorfs durch die Windräder nicht beeinträchtigt werde.
Einflüsse auf den Steuerfuss
Zu den finanziellen Auswirkungen referiert der Gemeindeammann: «Es wäre vermessen zu sagen, dass wir die Windkraft brauchen, um zukünftige Investitionen zu stemmen», stellt er klar. «Unsere Rechnung würde erheblich entlastet», fügt er an. Konkret spricht er von drei Steuerprozent, frühestens ab 2031. Wobei sich angesichts der Investitionstätigkeiten der Gemeinde die Notwendigkeit abzeichnet, den Steuerfuss schon per 2029 um sieben Prozentpunkte zu erhöhen, von derzeit 98 auf 105 Prozent.
Mit der Bitte um Sachlichkeit und kurze Voten leitet Zemp in die Diskussion über. Befürworter wollen Mut machen, verantwortungsbewusst voranzugehen, auf saubere, nachhaltige Energie zu setzen. Nicht zuletzt geht es auch um die 7,3 Millionen Franken Entschädigung. Gegner warnen derweil vor Lärm, optischer Verschandelung, Umweltrisiken – und als Folge von alldem vor Wertverlusten bei den Immobilien. In schärferen Voten ist hier von Angstmacherei und da von Erpressungsversuchen die Rede. «Woher soll denn der Strom für die Wärmepumpe kommen?», fragt ein Befürworter pragmatisch, «wollen wir im Lindenberg lieber ein Atommüll-Endlager?» Eine Gegnerin stellt das Allgemeinwohl in den Vordergrund: «Verlorene Lebensqualität lässt sich nicht mit Geld zurückkaufen.» Einig sind sich alle, dass das Geschäft sehr komplex ist, dass es um einen bedeutenden Entscheid für die Zukunft der Gemeinde geht.
Zwei Änderungsanträge werden aus der Versammlung gestellt. Jener, die Rückbaugarantie von 200 000 auf 750 000 Franken zu erhöhen, findet mit 272:136 Stimmen Gehör. Der andere wird zurückgezogen, nachdem der Gemeinderat versichert hat, eine Mitversicherung der Gemeinde in der Betriebshaftpflichtversicherung zu prüfen. Schliesslich sollte die Schlussabstimmung beide Anliegen obsolet machen.
Nun ennet der Kantonsgrenze?
«Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Beinwil haben ein starkes Zeichen gesetzt: für den Schutz unserer Landschaft, für die Gemeindeautonomie – und für eine nachhaltige Zukunft, die nicht auf Kosten unserer Lebensqualität geht», ordnet Stefan Schimon, Präsident Pro Lindenberg, den Entscheid ein. Weiter spricht er von einem «Meilenstein für den Erhalt des Lindenbergs als wertvolles Naherholungsgebiet». Die Bevölkerung habe Weitsicht und Verantwortung bewiesen – und sich nicht von kurzfristigen finanziellen Versprechungen blenden lassen. Im Namen des Vereins Pro Wind Aargau bedauert Vorstandsmitglied Martin Bossard den negativen Entscheid der Gemeinde und spricht von einem «fatalen Signal für weitere Windprojekte».
Und wie geht es nun weiter? «Wir haben keinen Plan B», sagt David Gautschi von der Windpark Lindenberg AG. «Die Deutlichkeit des Resultats hat mich erstaunt», gibt er unumwunden zu. Woran es gelegen haben könnte, mag er nicht spekulieren. «Ich wüsste nicht, was wir anders hätten machen können», so Gautschi. Die Gegner seien gut organisiert gewesen, der Widerstand gut orchestriert, «das habe ich schon an der Infoveranstaltung festgestellt».
Die Windpark Freiamt AG werde das Resultat nun analysieren und dann mit der «Luzerner Seite» das Gespräch aufnehmen, so Gautschi weiter. Dort prüft eine andere Gesellschaft ihrerseits Standorte, in Sichtweite, ennet der Kantonsgrenze. Anders als im Aargau hat hier der Kanton für prioritäre Windanlagen das letzte Wort, und nicht die Gemeinde. Die Projektausarbeitung ist in Müswangen, Hitzkirch, jedoch noch nicht so weit fortgeschritten wie in Beinwil.



