Wieder zur Leserin geworden
28.01.2025 WohlenFür Allgemeinheit engagiert
Pensionierung von Christine Freudenthaler, langjährige Leiterin der Gemeindebibliothek Wohlen
Erst die Ludothek, danach die Bibliothek. Christine Freudenthaler mag den Kontakt mit den Kunden. Neu hat sie den ...
Für Allgemeinheit engagiert
Pensionierung von Christine Freudenthaler, langjährige Leiterin der Gemeindebibliothek Wohlen
Erst die Ludothek, danach die Bibliothek. Christine Freudenthaler mag den Kontakt mit den Kunden. Neu hat sie den in der Brockenstube.
Chregi Hansen
An diesem Nachmittag gerät die Ausleihe der Bücher in den Hintergrund. Die Mehrzahl der Personen, welche die Bibliothek besuchen, kommen wegen ihr. Nach 17 Jahren als Mitglied des Teams, davon 10 Jahre als Leiterin, hat Christine Freudenthaler heute ihren letzten Arbeitstag. Geht sie in den verdienten Ruhestand. Und ganz viele sind gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Und sich bei ihr zu bedanken.
Für einmal steht die Wohlerin im Mittelpunkt. Eine Rolle, die sie gar nicht so mag. Sie engagiert sich einfach gerne für ihren Wohnort. Viele Jahre lang tat sie das in der Ludothek, die sie lange leitete. Zuletzt war sie in der Bibliothek tätig. Eine Zeit lang engagierte sie sich sogar parallel in beiden Ausleihen. Ihr Engagement für die Allgemeinheit ist gross. «Ich bin einfach gerne im Kontakt mit Menschen», sagt sie. Und sie habe sich immer auf ein gutes Team verlassen können. Ein Team, das ihr nun einen tollen Abschied organisiert.
Das Loslassen fällt ihr leicht, wie sie betont. Auch, weil mit Melanie Müller eine erfahrene Bibliothekarin die Leitung übernommen hat. «Ich konnte mich schon zurücklehnen, habe in den letzten Wochen nur noch als Springerin gearbeitet», sagt Freudenthaler. Sie freut sich auf den Ruhestand. Ganz aufhören kann sie nicht, in der Brockenstube engagiert sie sich weiter.
Christine Freudenthaler verlässt die Bibliothek als Leiterin, bleibt aber weiterhin Kundin
Mit einem feinem Apéro und im Beisein von vielen Freunden und Wegbegleitern nahm Christine Freudenthaler nach 17 Jahren Abschied von der Bibliothek. «Damit endet eine Ära», sagt der zuständige Gemeinderat Roland Vogt. Sie selber hofft, dass die Bibliothek endlich mehr Bedeutung erhält im Gemeindehaus.
Chregi Hansen
Eine Bibliothek sei auch ein Ort der Begegnung. Leider fehle in Wohlen der Platz dafür. Vor allem habe es zu wenig Sitzgelegenheiten. Das sagte Brigitta Loher, die frühere Leiterin der Wohler Gemeindebibliothek, bei ihrem Abschied vor neun Jahren. Und die exakt gleichen Worte wiederholt Christine Freudenthaler an ihrem letzten Tag. Zwar hat das Team es geschafft, durch eine Reduktion der Bücherzahl dem Raum mehr Luft zu verschaffen. Aber Sitzgelegenheiten sind immer noch rar. «Wenn ich sehe, dass Familien mit Kindern auf dem alten Teppich sitzen müssen, dann schäme ich mich», sagt die abtretende Bibliotheksleiterin.
Die Gemeinde und ihre Bibliothek – das ist keine Liebesgeschichte. Dass die räumlichen Verhältnisse im alten Gebäude am Bankweg nicht optimal sind, weiss man schon länger. Bereits vor 15 Jahren wurden als Folge einer dringlichen Motion Verbesserungen angekündigt. Passiert ist nichts, im Gegenteil. Die Bibliothek musste die Räume im Obergeschoss der Verwaltung abtreten, da im Gemeindehaus der Platz ausgeht. Zuletzt wurde zwar geprüft, ob man das reformierte Kirchgemeindehaus kaufen und allenfalls als Bibliothek nutzen kann. «Aber ohne vorher mit uns zu reden», wie Freudenthaler erzählt. Aber es sei eben so: Was die Bibliothek betrifft, so fehle das Interesse im Gemeindehaus.
Lob von ihren Vorgesetzten
Immerhin, ihre wertvolle Arbeit wurde durchaus wahrgenommen von ihren Vorgesetzten. «Christine Freudenthaler hat die Gemeindebibliothek in einem Mass geprägt, dass ihr Name in den vergangenen Jahren untrennbar mit der Bibliothek verbunden war. Schwer vorzustellen, dass diese Ära nun endet. Es ist ihr gelungen, einen reibungslosen Betrieb mit hervorragendem Angebot sicherzustellen», sagt etwa Roland Vogt, der ihr im Namen des Gemeinderates für ihr Engagement dankt und ihr alles Gute wünscht für die Zukunft. Ihr Wirken habe wesentlich dazu beigetragen, dass die Bibliothek auch politisch allseits Unterstützung erfuhr, ist der Ressortvorsteher überzeugt,
Ähnlich äussert sich Flurin Burkard, Bereichsleiter Gesellschaft, Soziales und Bildung und damit ihr unmittelbarer Vorgesetzter. Christine Freudenthaler sei es gelungen, mit beschränkten Mitteln und auf kleinem Raum ein grossartiges Bibliotheksangebot zu schaffen. «Die knappen Ressourcen haben sie und ihr Team mit einer ausgeprägten Dienstleistungsmentalität und mit grosser Begeisterung für die Sache wettgemacht. So ist es auch gelungen, die Bibliothek erfolgreich und kundenorientiert durch die Zeiten der Pandemie zu führen», sagt Burkard. Zudem habe sie sich bis weit nach ihrer ordentlichen Pension engagiert und dem Team damit einen reibungslosen Übergang und eine gute Einarbeitung der neuen Bibliotheksleitung ermöglicht. Dass so viele an ihrem letzten Arbeitstag in die Bibliothek gekommen sind, um mit ihr auf die Pension anzustossen, ist für Burkard Ausdruck davon, wie sehr ihre Mitarbeitenden sie schätzten und wie beliebt sie bei den Kundinnen und Kunden war.
Viele Ideen, aber nicht alle lassen sich realisieren
Das gute Verhältnis im Team und die vielen schönen Kontakte mit den Kunden waren denn auch der Grund, dass Christine Freudenthaler so lange dabei geblieben ist, trotz der eher mageren Unterstützung aus dem Gemeindehaus. «Wir waren hier wie auf einer Insel. Wir waren relativ frei, was wir hier machen», sagt sie. Und zumindest das Budget für Neuanschaffungen grosszügig, fügt sie an. Das Team habe sich immer bemüht, aus dem wenigen Platz das Optimum herauszuholen. Dies weniger über die Menge der Titel, sondern über die Art, wie diese präsentiert werden. Auch gab es immer wieder Veranstaltungen. «In diesem Bereich hätten wir noch viele Ideen. Aber die lassen sich wegen des fehlenden Platzes nicht realisieren», bedauert sie. Auch darum wurden ab und zu auch Anlässe an anderen Orten organisiert. Und diese sind ihr noch heute in bester Erinnerung. Etwa die Busfahrt mit Lesung entlang der Wohler Grenze. «Als der Chauffeur auf den schmalen Waldweg einbog, da wurde mir schon etwas mulmig. Ich dachte mir: Wenn jetzt etwas passiert, dann bist du verantwortlich», schaut sie auf diesen Event zurück. Auch an die Lesungen an ungewöhnlichen Orten, etwa in der Entsorgungsstelle Römer, erinnert sie sich gerne zurück. Ein Erfolg sei auch die Einrichtung der Bücherboxen. «Die sind sehr beliebt – vor allem jene in Waltenschwil müssen wir regelmässig auffüllen», erzählt sie.
Muss nicht alle Bücher kennen
Die Bibliothek selber sei hingegen etwas weniger gefragt, bedauert sie. Das stellt sie vor allem bei den Jugendlichen fest. «Früher hatten wir etliche Schüler, die wöchentlich eine grosse Zahl Bücher geholt haben. Heute gibt es das fast nicht mehr. Die Jungen haben das Lesen verlernt», bedauert sie. Ihr selber ging es hingegen genau umgekehrt. Sie habe als Erwachsene gar nicht mehr so viel gelesen, bis sie von Brigitta Loher angefragt wurde, ob sie sich nicht melden wolle für das Team. «Durch meine Tätigkeit hier habe ich wieder damit angefangen», berichtet sie. Sie lese eigentlich querbeet alles – ausser Krimis. Wobei es nicht so sei, dass man als Bibliotheksleiterin viel lesen muss. «Man muss nur Bescheid wissen», schmunzelt sie.
Auf die 17 Jahre in der Bibliothek Wohlen schaut sie mit einem gewissen Stolz zurück. Vor allem die Coronazeit wird unvergessen bleiben. Das Team hat alles versucht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Mit Bestellungen, der Rückgabe via Fenster, dem Desinfizieren der Bücher samt Auslüften. «Es war eine verrückte Zeit», sagt Freudenthaler. Umgekehrt seien in dieser Zeit einige ältere Kunden und Kundinnen gestorben, «da wird man schon nachdenklich». Eine Freude sind für sie die vielen Stammkunden. «Mit der Zeit weiss man, was diese gerne lesen. Und achtet bei der Auswahl der Neuheiten auch mal darauf.» Auf wenig Interesse stossen hingegen die E-Books. Die meisten Benutzer der Bibliothek lesen noch immer analog, möchten ein richtiges Buch in den Händen halten. Nur in den Sommerferien spüre man eine grössere Nachfrage nach digitalen Büchern, da lässt sich eben das Gepäck etwas reduzieren.
Gute Nachfolgerin gefunden
Die Kundenkontakte hat die frühere Kinderkrankenschwester stets geschätzt. Schon früher, als sie noch die Ludothek leitete. Und die wird sie auch nach ihrer Pensionierung noch weiter geniessen dürfen. Seit einigen Jahren engagiert sich Freudenthaler auch in der Brockenstube, da will sie sich auch weiterhin einsetzen. Was die Bibliothek betrifft, so sei diese bei der neuen Leiterin Melanie Müller in guten Händen. «Das macht das Aufhören einfach. Und ich bin froh, kann ich die Verantwortung jetzt abgeben», sagt Christine Freudenthaler. Und sie freut sich besonders auch über die Besucherinnen von anderen Bibliotheken an ihrem Abschiedsapéro. In den vergangenen Jahren habe man die Zusammenarbeit im Freiamt ausgebaut. Und das soll, so ihre Hoffnung, auch in Zukunft der Fall sein.
Das Team wurde für sie zu Dichtern und Dichterinnen
Doch nun ist genug gesagt, jetzt geht es ums Feiern. Das Bibliotheksteam hat ihrer Leiterin einen tollen Abschied bereitet. Musikalisch umrahmt werden die Feierlichkeiten von Martin Donat und Erwin Stöckli. Neben einer Ansprache von Flurin Burkard gibt es auch eine Würdigung durch das Team. Dieses hat das Wirken ihrer Vorgesetzten in eine Schnitzelbank gepackt mit etlichen Anekdoten. Und ganz vielen Lobesworten. So heisst es etwa passend: «Du besch die gueti Seele vo dem Huus, do semmer eus alli einig / und bi Problem heissts dorom immer ganz eilig: Nicht verzagen, Christine fragen! / Uf dech chamer sech eifach immer verloh, / ganz egal was esch, du stohsch do.» Treffender könnte man es wohl nicht ausdrücken. Doch ganz möchte das Team nicht auf sie verzichten. Darum reimt es weiter: «Mer wärde dech so fescht vermisse / vor und hinter de Kulisse. / Aber mer wüssed: D’Christine isch immer do. / Und mer send eus secher, das bliibt so bestoh. / Und das werd au noch dinere Pensionierig so bliibe. / Mer freued eus druf, dich als Chundin is Bibliothekssyschtem iizschriibe.» Und das wird Christine Freudenthaler sicher tun.