Wie schmeckt denn Nebel?
10.10.2023 Hägglingen, Region UnterfreiamtFür jede Saison der passende Gin
Den Frühlings- und Sommer-Gin gibt es bereits. Jetzt lanciert Daniel Röthlisberger von der Hägglinger Maygreen Distillery neu einen Herbst-Gin. Wer wissen will, wie Nebel schmeckt, der sollte ihn probieren.
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Für jede Saison der passende Gin
Den Frühlings- und Sommer-Gin gibt es bereits. Jetzt lanciert Daniel Röthlisberger von der Hägglinger Maygreen Distillery neu einen Herbst-Gin. Wer wissen will, wie Nebel schmeckt, der sollte ihn probieren.
Die Maygreen Distillery produziert nunmehr seit 5 Jahren Lohn- und Edelbrände
Immer auf der Suche nach dem perfekten Geschmack der Natur werden in der Maygreen Distillery in Hägglingen Brände unterschiedlicher Essenzen produziert. Brennmeister Daniel Röthlisberger erzählt, was mit der Brennerei im Herbst auf ihn und seine Familie wartet.
Britta Müller
«Der Herbst schmeckt nach Nüssen, Pilzen und reifen Früchten, aber auch nach feuchtem Laub, nassem Wald und Nebel», erklärt Daniel Röthlisberger. Nebel? Wie schmeckt denn Nebel? «Das wird man in unserem neuen Herbst-Gin selbst entdecken müssen», sagt er lachend und erzählt von seiner Idee, für jede Jahreszeit einen Gin zu kreieren.
Den Frühlings- und Sommer-Gin gibt es bereits. Allein für den Frühlings-Gin benötigte es zirka 200 Versuche unterschiedlicher Zutaten, bis der Geschmack gepasst hat. «Der Sommer-Gin war einfacher», erzählt Röthlisberger. Hierzu entstand ein Fruchtcocktail mit dem Ziel, ein Gefühl von «on the beach», also wie mit einem Longdrink am Strand, zu erzeugen. Mango, Ananas, Cranberry und Kokosnuss und weitere exotische Gewürze kamen zum Einsatz. Und wenn man sich fragt, welches Tonic man am besten zum Mixen eines Gin-Drinks verwendet, lächelt Daniel Röthlisberger und verrät, dass viele seiner Stammkunden ihn am liebsten pur trinken, damit man den vollen Genuss aller Aromen hat. Auf dem Tisch liegen frisch geschnittene Kräuter wie Lorbeer, Salbei und Rosmarin, ob sie auch in den Herbst-Gin kommen, bleibt noch sein grosses Geheimnis.
Leben komplett umgekrempelt
Seit fünf Jahren gibt es das Maygreen in Hägglingen nun bereits. Der ursprüngliche Werkzeugmacher hat viele Jahre Maschinenersatzteile weltweit verkauft, als 2017 Werner Steinmann aus Villmergen einen Nachfolger für seine 30-jährige Brennerei suchte und Röthlisberger zugriff. Mit 46 Jahren krempelte er sein Leben komplett um. Kündigte den sicheren Job und stieg zusammen mit seiner Familie mutig ins «Brenngeschäft» ein. «Ohne meine Familie würde es nicht gehen – alle helfen fantastisch mit», sagt Daniel Röthlisberger dankbar.
Seine Frau Barbara arbeitet eigentlich in der Kieferorthopädie und hat ihre Leidenschaft im Maygreen im Qualitätsmanagement, in der Filtrierung und Abfüllung der Edelbrände und im Verkauf und der Kundenbetreuung gefunden. Bruder Adrian und Schwester Claudia sind ebenfalls an der Seite des Inhabers und helfen bei allem, was anfällt, mit. Aber auch der Nachwuchs der Röthlisbergers engagiert sich immer öfters. Der erste Sohn Robbie, 16 Jahre, ist handwerklich veranlagt und hilft seinem Vater meist dann, wenn es etwas zum Bauen gibt. Der zweite Sohn Tommy zeigt mit 14 Jahren bereits seine Stärken in der Kundenbetreuung. Betritt man samstags den Verkaufsladen und die Eltern sind gerade mit anderen Kunden beratend tätig, begrüsst Tommy selbstbewusst die neuen Kunden und bietet neben einem Platz auch einen feinen Kaffee oder Wasser an.
Man sagt, in der Selbstständigkeit sind die ersten vier Jahre die kritischsten – entweder man schafft all die Herausforderungen oder man gibt auf. Wie war es bei Daniel Röthlisberger? «Es ist wie überall. Auch bei mir kam nach einem ‹Aufwärts› auch irgendwann das ‹Abwärts›», sagt er. Beim Maygreen kam erschwerend noch dazu, dass in dieser Zeit Corona das Geschäft belastete. Der Umsatz veränderte sich. Viele Kunden, darunter vorrangig Gastronomen, tätigten durch ihre verordneten Restaurantschliessungen keine Bestellungen. «Wir freuten uns, dass viele Privatkunden uns entdeckten und Zeit hatten, daheim den einen oder anderen guten Edelbrand zu geniessen», bestätigt Röthlisberger.
Glücklicher Wink des Schicksals
Die Zweifelsfrage, ob all die Arbeit und das Gefühl der stetigen Unsicherheit der Selbstständigkeit es wert sind, kam ihm aber nie. Auch nicht, als ihn sein jüngster Sohn Tommy fragt, ob ihm am Ende des Lebens die Arbeit in der Brennerei Spass gemacht hat. «Ich war überrascht, über was er so nachdenkt, aber ich konnte ihm versichern, dass, wenn einem die Arbeit Freude bereitet, sie sich nicht als Arbeit anfühlt und man fürs Leben glücklich ist.» Er weiss, wovon er spricht. Sein früherer Job war stressig, auch heute hat er es manchmal streng und könnte auf die «Auf und Abs» gerne verzichten. Er weiss, dass er und seine Familie zu den Menschen gehören, die resilient sind. Also aus Situationen des Scheiterns, Aufstehens und Neuanfangs lernen und positiv in die Zukunft schauen. «Eiskalt duschen hilft dazu, den Kopf freizubekommen», hat er als wohl funktionierende Regel aus einem seiner Fachbücher entnommen. «Aber im Vergleich zu den wunderbaren Augenblicken, die ich und meine Frau Barbara durch die neue Aufgabe geschenkt bekommen, ist alles Schwierige zusammen leichter ertragbar», sagt er lächelnd.
Nun hält der Herbst Einzug. Landwirte und Privatgärtner bringen ihre Ernte zur Lohnbrandherstellung ins Maygreen. Und auch die Nachbarn schauen gerne vorbei. Ein gut gelauntes, fröhliches Ehepaar tritt in den Verkaufsraum. Einst in Rudolfstetten arbeitend und lebend, zogen sie gegenüber in die neu gebaute Liegenschaft in die Unterdorfstrasse und klopften – so wie heute – eines Tages beim Maygreen an. Offen und neugierig wollten sie wissen, was dort denn Köstliches produziert wird. Beim Kennenlernen entpuppten sich Walter und Clairette Keller als Kenner der Früchtewelt. «Mit der Jeune Primeur AG in Rudolfstetten haben wir einst Gastronomen, Hotels und andere Unternehmen mit Früchten und Gemüse beliefert», erzählt Waldi Keller. Altersbedingt haben sie das Unternehmen verkauft und sind nun nach Hägglingen gezogen. Kellers kennen sich also mit Früchten bestens aus – man mag glauben, was man will, aber deren Zügeln in die Unterdorfstrasse ist für das Maygreen ein glücklicher Wink des Schicksals.
Die Hochsaison steht an
Mit strahlenden Augen erzählen Waldi Keller und Daniel Röthlisberger, dass sie zusammen auf dem Engrosmarkt waren, dem schweizweiten Grossmarkt für Früchte und Gemüse, um ein neues Experiment zu starten. Gemeinsam haben sie jeweils ein Fass Maische einmal mit italienischen Feigen und einmal mit französischen Cantaloupe-Melonen angesetzt. Neugierig schauen sie in den jeweiligen blauen Kunststoff-Fässern nach und staunen nicht schlecht. Aktiv durch die Beisetzung der Hefe blubbert im Gärprozess die gelborange-farbene Fruchtmasse vor sich hin. Ob das Projekt am Ende tatsächlich für einen neuen edlen Tropfen funktioniert, wird sich zeigen. Aber man merkt, wie viel Spass und Freude den beiden dieses Experiment macht.
Neben neuen Ideen und dem Herbst-Gin steht im Maygreen von Daniel und Barbara Röthlisberger nun die Hochsaison an. Neben der Brennarbeit nehmen sie dazu am 18. Oktober bei der DistiSuisse, der nationalen Schweizer Spirituosenprämierung, mit insgesamt acht Bränden teil. Sortenreiner Aprikosenbrand, sizilianische Blutorange und Schneiderapfel sind nur drei davon. Preise abzuräumen, ist nicht ihr Ziel – diese Wertschätzung durch die Profis tut aber sicherlich nach all der vielen, anstrengenden Arbeit trotzdem gut.
Am 11. November findet der nächste schweizweite Brenntag statt. Von 10 bis 17 Uhr ist auch das Maygreen wieder Teil dieser nationalen Aktion und öffnet für Besucher seine Türen, um einen Blick hinter die Kulissen zuzulassen. Bis dahin könnte dann auch das Geheimnis des Herbst-Gins gelüftet werden und die Gin-Liebhaber dürfen bei der Degustation erfahren, wie denn nun Nebel neben all den herbstlichen Düften und Aromen schmeckt.