Marco Huwyler, Redaktor.
Es gibt Dinge, die muss man als Journalist seinen Interviewpartner immer fragen. Vorzugsweise zu Beginn des Gesprächs, damit es nicht vergessen geht. Die Eckpunkte eines kleinen Steckbriefs quasi. Name, Beruf, ...
Marco Huwyler, Redaktor.
Es gibt Dinge, die muss man als Journalist seinen Interviewpartner immer fragen. Vorzugsweise zu Beginn des Gesprächs, damit es nicht vergessen geht. Die Eckpunkte eines kleinen Steckbriefs quasi. Name, Beruf, Wohnort, Familie etc. Und – ganz wichtig: das Alter. Schliesslich möchte das der gwundrige Leser wissen. Ist diese Frau wirklich schon so jung Managerin geworden, wie sie aussieht? Oder andersrum: Ist dieser greise Herr tatsächlich im hohen Alter noch Ammann, oder ist das ein unvorteilhaftes Bild? Ich ertappe mich selber dabei, wenn ich Artikel lese, die ich nicht selbst geschrieben habe. Mein Auge überfliegt nach dem Betrachten des Fotos als Erstes die Buchstaben – zielgerichtet scannend nach dem dort eingebetteten Ziffernpaar, das die gebuckelten Lenzen verrät.
Nun ist es mit der Frage nach dem Alter aber so eine Sache. Irgendwie kriegt sie niemand gerne gestellt. Man fühlt sich auf seltsame Art und Weise in seiner Intimsphäre betüpft. Erst mal wird also gestutzt: Was erlaubt sich dieser Journi? Einige drucksen herum. Überlegen lange – als ob sie es nicht wissen würden. Andere antworten witzelnd: «20gi» («Hihi») – obwohl mindestens doppelt so alt. Doch blöd wirds erst dann, wenn sie gar nicht antworten wollen. «Das isch nöd wichtig.» – Moll, ist es eben schon. Für mich und meine Arbeit. Aber wert, gleich zu Beginn einen Streit vom Zaun zu brechen? Eher nicht. Ein Abwägen. Gutes Zureden hilft meistens.
Schliesslich gibt es noch jene, die antworten selbstsicher schmunzelnd mit der Gegenfrage: «Was schätzt du?» Jovial gemeint, aber maximal unangenehm. Denn ehrlich antworten kommt nicht infrage. Schliesslich scheint das Gegenüber sein Aussehen besonders jung einzuschätzen. Nun ist es aber so, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht immer deckungsgleich sind. Und man will seinen Gesprächspartner ja nicht gleich im Selbstverständnis erschüttern. Stattdessen absichtlich viel zu tief schätzen geht auch nicht. Einerseits der durchsichtigen Schleimerei wegen. Andererseits folgt dann oft ein: «Nei, säg würkli.»
So ist es in solchen Fällen an mir rumzudrucksen. Eine Antwort lasse ich mir jedenfalls nicht entlocken. «Ich bin schlächt im Schätze.» Humorlos, ich weiss. Aber besser, als für das ganze Interview einen tiefbeleidigten Gesprächspartner gegenüber zu haben. Und wenn ich dann endlich das richtige Alter habe, ist gefühlt der schwierigste Teil schon geschafft, bevor es richtig losgeht.