Wenn das Inspektorat warnt
11.04.2025 WohlenStellenerhöhung beantragt für das Betreibungsamt
Pro 1000 Betreibungen eine 100-Prozent-Stelle, so lautet die Empfehlung. Dieser Wert wird in Wohlen längst überschritten. Nach einer Pensionierung und einer Kündigung spitzt sich die Situation zu. ...
Stellenerhöhung beantragt für das Betreibungsamt
Pro 1000 Betreibungen eine 100-Prozent-Stelle, so lautet die Empfehlung. Dieser Wert wird in Wohlen längst überschritten. Nach einer Pensionierung und einer Kündigung spitzt sich die Situation zu. Nun sollen 150 Stellenprozente dazukommen.
Das Betreibungsinspektorat kommt in seinem Bericht vom Juni 2024 zu einer eindeutigen Einschätzung: «Die Fallbearbeitung von rund 1261 Betreibungen pro 100 Stellenprozenten war nur möglich dank der hohen Leistungsbereitschaft und effizienten Arbeitsweise des gesamten Teams und insbesondere der Amtsleitung. Der Leistungsdruck auf die einzelnen Mitarbeiter ist überdurchschnittlich. Dies birgt mittelfristig eine hohe Erschöpfungsgefahr und zudem gesundheitliche Risiken.»
Sprich: Das Betreibungsamt Wohlen läuft am Anschlag. Und die Situation wird sich in Zukunft noch verschärfen. Dies einerseits wegen der steigenden Bevölkerungszahl, andererseits wegen des wirtschaftlichen Umfelds. Vor allem die steigenden Hypothekarzinsen können dazu führen, dass vermehrt Liegenschaften unter den Hammer kommen. Dazu kommen Gesetzesänderungen, die zu Mehrarbeit führen. Im Weiteren ziehen betriebene Personen immer öfter an einen anderen Wohnort oder leisten Vorladungen immer seltener Folge, was entsprechend zu Mehrarbeiten infolge aufwendiger Abklärungen führt. Ganz allgemein werden auch die einzelnen Fälle immer komplexer.
Viel Know-how ging verloren
In Wohlen bewältigte die Abteilung die ständig steigenden Fallzahlen und die Mehrarbeit dank gut organisierten Abläufen und einem funktionierenden Team. Letztes Jahr aber ging viel Know-how verloren. Der bisherige Leiter ging in Pension. Dazu kam die Kündigung einer erfahrenen Fachperson, die aufgrund des Fachkräftemangels durch eine Person ohne Fachausweis ersetzt werden musste.
Umgekehrt haben sich wegen der steigenden Fallzahlen im vergangenen Jahr 930 Überstunden angesammelt. «Durch den weiteren Anstieg der Fallzahlen ist das Betreibungsamt aktuell nicht mehr in der Lage, die auszuführenden Arbeiten speditiv und korrekt auszuführen», so das Fazit des Gemeinderates in seinem Bericht. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Betreibungen von 8971 auf 11 082 angestiegen, die Zahl der Rückweisungen von 1215 auf 1612 und die Zahl der Pfändungen von 5540 auf 6619.
Gemäss den Empfehlungen des Betreibungsinspektorats des Kantons Aargau wird die Anzahl von 1000 Betreibungen pro Jahr für ein Stellenpensum von 100 Prozent als ideal erachtet. Bei den aktuell für das Betreibungsamt vorhandenen 870 Stellenprozenten hat sich die Auslastung im vergangenen Jahr auf etwa 1273 Betreibungen pro Vollpensum belaufen – Tendenz steigend.
Jetzt will der Gemeinderat handeln. Zwar ist im Finanzplan für das Jahr 2030 eine Stellenerhöhung von 50 Prozent angedacht, aber das ist erstens zu spät und reicht zweitens nicht aus. Darum legt der Gemeinderat nun einen Bericht und Antrag vor, um die Abteilung schon dieses Jahr um weitere 150 Prozent aufzustocken. Der Vorteil: Stellen im Betreibungsamt finanzieren sich salopp gesagt von selber. Der effektive Kostenaufwand des Betreibungsamtes Wohlen wird nach dem Verursacherprinzip anhand der Vollkosten auf die dem Betreibungsamt Wohlen angehörenden Vertragsgemeinden (neben Wohlen sind dies Hägglingen, Niederwil, Dottikon, Sarmenstorf und Uezwil) verteilt. Die eingenommenen Gebühren steigen von Jahr zu Jahr weiter an und werden voraussichtlich in Zukunft höher sein als die Kosten der neu zu bewilligenden Stellen.
Etwas schwieriger gestaltet sich die Raumsituation. Schon jetzt ist es sehr eng im Betreibungsamt. Im Gemeindehaus existieren aber keine Reserven mehr. Über kurz oder lang muss die räumliche Erweiterung des Betreibungsamtes wieder Thema werden. Vorerst muss auf temporäre Übergangslösungen zurückgegriffen werden. Langfristig, so der Gemeinderat, sei dieser Zustand nicht haltbar. Für ihn ist aber klar, dass die beantragte Erhöhung des Stellenplans dringend nötig ist. «Damit wird es möglich, die anstehenden Herausforderungen in der verlangten Qualität zielgerichtet, pragmatisch und somit auch kostenoptimiert zu bewältigen», schreibt er in seinem Bericht und Antrag. --chh