«Weg ist endlich vorgezeichnet»
19.12.2025 Wohlen, VereineDer Kindergarten-Pionier
Gemeinnütziger Ortsverein Wohlen (GOV): Kindergarten-Dynastie endet spätestens 2035
Der Tatendrang und die finanzielle Unterstützung des Gemeinnützigen Ortsvereins waren entscheidend für die lange ...
Der Kindergarten-Pionier
Gemeinnütziger Ortsverein Wohlen (GOV): Kindergarten-Dynastie endet spätestens 2035
Der Tatendrang und die finanzielle Unterstützung des Gemeinnützigen Ortsvereins waren entscheidend für die lange Kindergarten-Geschichte von Wohlen. Nun naht das Ende dieses über 100 Jahre alten Engagements.
Daniel Marti
Wohlen hat in den Jahren 1904 und 1914 Geschichte geschrieben. Autor dieser einzigartigen Story war der Gemeinnützige Ortsverein Wohlen (GOV). Vor 121 Jahren wurde der erste Kindergarten in Wohlen gegründet und 1914 wurde der erste Doppelkindergarten mit Vereinslokal am Schulweg eröffnet. Damit ist der GOV der unbestrittene Kindergarten-Pionier in Wohlen. Es folgten noch die Kindergärten Aesch, Bollmoos, Reithalle und Sorenbühl. Dies weit bevor die Kindergärten in den Aufgabenbereich des Staates gefallen sind, was ab 1982 Gültigkeit hatte. Durch diese Tätigkeit und Grosszügigkeit wurde der GOV auch zu einem vorbildlichen Partner der Gemeinde Wohlen. In seiner 134-jährigen Vereinsgeschichte – der GOV wurde 1891 gegründet – waren die Kindergärten ein wesentlicher Eckpfeiler. Für Gemeinde und Verein.
Über etliche Jahrzehnte bildeten grosszügige Spenden sowie die Beiträge von mehr als 500 Mitgliedern die finanzielle Basis der Vereinstätigkeit. Heute zählt der Verein 175 Mitglieder und wächst wieder stetig.
Aber mit der neuen Schulraumstrategie der Gemeinde Wohlen, die Anfang Dezember im Einwohnerrat abgesegnet wurde, ist ein Ende der Kindergarten-Dynastie des GOV absehbar. Die Mietverträge für die Standorte Bollmoos und Sorenbühl enden im Juli 2028, die Verträge der Standorte Aesch und Reithalle sind bis zum 31. Juli 2030 respektive 31. Juli 2035 terminiert. Das bedeutet, dass spätestens in zehn Jahren der Gemeinnützige Ortsverein keine Kindergartenstandorte mehr anbieten wird. Von der ersten Eröffnung (1914) bis zur letzten Schliessung (2035) werden dann über 120 Jahre verstrichen sein.
«Der GOV hat in unserem Dorf zweifelsohne Kindergarten-Geschichte geschrieben. Nach der Realisierung der Schulraumstrategie wird die Kindergarten-Geschichte des GOV ihr Ende finden», sagt Vizepräsidentin Corinne Moser-Burkard.
Das Ende dieser so wertvollen Epoche ist zugleich eine gute Gelegenheit, um künftig neue GOV-Geschichten zu schreiben.
Gemeinnütziger Ortsverein Wohlen (GOV): Der Vorstand zur aktuellen Situation der Kindergärten
Die Verantwortlichen des Gemeinnützigen Ortsvereins mussten sich lange gedulden, bis Klarheit herrschte, wie es mit den Kindergärten weitergehen soll. Es gibt vier neue Verträge mit der Gemeinde mit unterschiedlichen Laufzeiten. Der GOV, einst Kindergarten-Pionier in Wohlen, kann nun die Zukunft neu planen.
Daniel Marti
Im Bericht zur Schulraumplanung wird erwähnt: «Mit dem GOV konnten Vereinbarungen zur Nutzung der GOV-Liegenschaften ausgearbeitet werden.» Was heisst das genau?
Peter Pitsch Isler, Präsident: Nach Jahren der Planung mit Diskussionen und Fragezeichen zu den Standorten der Kindergärten ist mit der kürzlich vorgestellten «Strategie Schulraumplanung» der Weg der GOV-Kindergärten vorgezeichnet, dies dient dem GOV bei seiner Zukunftsplanung. Seit geraumer Zeit steht der GOV in Sachen Mietverträge der GOV-Liegenschaften mit dem Gemeinderat im Austausch. Die Gemeinde Wohlen und der GOV haben vor Kurzem befristete Mietverträge für die Räumlichkeiten und Aussenanlagen der GOV-Kindergartenstandorte abgeschlossen.
Können Sie zu diesen Mietverträgen etwas Genaues sagen?
Isler: So ist der Ablauf der Mietverträge für die Standorte Bollmoos und Sorenbühl auf den 31. Juli 2028 festgelegt, die Verträge der Standorte Aesch und Reithalle sind bis zum 31. Juli 2030 respektive 31. Juli 2035 terminiert. Eine Verlängerung der Mietverträge ist grundsätzlich möglich. Dazu muss durch die beiden Vertragsparteien ein neuer befristeter Vertrag bis 24 Monate vor Ablauf des bestehenden Mietverhältnisses abgeschlossen werden.
Früher war es die Kindergartenstrategie, dann die Schulraumplanung. Wie haben Sie diese Phase, die sich über acht Jahre hingezogen hat, rückblickend erlebt?
Isler: Der GOV hat im Jahr 2017 die damalige Schulleiterin Kindergarten gebeten, die eigenen Kindergärten betreffend Lehrplan-21-Anforderungen zu analysieren. Ihr Bericht führte umgehend zur politischen Diskussion über die Wohler Kindergärten. Die vom Gemeinderat angedachte Kindergartenstrategie 2019 wurde nicht weiterverfolgt. Die Frage um die Zukunft der Kindergärten blieb. Eine Antwort folgte erst 2023 mit dem Bericht zur Schulraumplanung, wo vorgesehen war, die Kindergärten sukzessive in neue Zyklusschulhäuser zu integrieren. Durch die negativen Volksentscheide zu den diesbezüglichen Projektierungskrediten im November 2024 wurde die Planung durch eine politisch breit abgestützte Kommission überarbeitet. Daraus resultierte der nun vorliegende Bericht und Antrag, Strategie Schulraumplanung 2025/2026 bis 2040, der vor einigen Tagen vom Einwohnerrat zur Kenntnis genommen wurde.
War der GOV in die Schulraumplanung eingebunden?
Isler: Der Gemeinnützige Ortsverein war in der Kommission nicht vertreten. Der GOV als Verein sieht sich der Neutralität verpflichtet und greift daher nicht in die diesbezüglichen Diskussionen oder ins politische Geschehen ein.
Die Dynastie der Kindergärten wurde vom GOV geprägt. Nun geht in naher Zukunft diese beispielhafte Geschichte im Dorf zu Ende. Ihre Gedanken dazu?
Corinne Moser-Burkard, Vizepräsidentin: Zu jeder Geschichte gehören ein Anfang und ein Ende. Der GOV hat in unserem Dorf zweifelsohne Kindergarten-Geschichte geschrieben. Erst seit dem Jahr 1982 ist der Kindergartenbesuch kostenlos und fällt in den staatlichen Aufgabenbereich. Der erste Kindergarten in Wohlen wurde durch den GOV vor 121 Jahren, das heisst 1904, im Hotel/Restaurant Sternen gegründet. 1914 wurde der erste Doppel-Kindergarten mit Vereinslokalität am Schulweg eröffnet; die Kindergärten Aesch, Bollmoos, Reithalle und Sorenbühl folgten in den Jahren 1957 bis 1969. Der Bau der Kindergärten war für den GOV nur dank der grosszügigen Unterstützung durch Vertreter von Industrie, Handwerk, Gewerbe sowie Private möglich. Die Organisation der Kindergärten inklusive Besoldung der Kindergartenlehrpersonen erfolgte bis zur Verstaatlichung der Kindergärten durch den GOV.
Das hat sich allerdings radikal verändert …
Moser-Burkard: Heute stehen die Liegenschaften nach wie vor im Eigentum des GOV, die gesamte Organisation läuft jedoch über die Gemeinde. Nach der Realisierung der Schulraumstrategie wird die Kindergarten-Geschichte des GOV ihr Ende finden, da die GOV-Liegenschaften nicht mehr benötigt werden. Das Ende der Geschichte eingeläutet hat aber nicht die neue Schulraumstrategie der Gemeinde. Der Anfang des Endes war vielmehr die Verstaatlichung der Kindergärten im Jahr 1982: Der Bau und die Bewirtschaftung der Kindergärten fallen von Gesetzes wegen in den Aufgabenbereich des Staates.
Der GOV hat also lange die Arbeit der Gemeinde gemacht?
Moser-Burkard: Der GOV hat die Gemeinde über Jahrzehnte hinweg gerne unterstützt, doch jetzt ist es höchste Zeit, dass die Gemeinde ihre Verantwortung wahrnimmt und den Kindern von Wohlen den heutigen Anforderungen entsprechenden Kindergartenraum zur Verfügung stellt. Für den Gemeinnützigen Ortsverein bedeutet dies, dass er wieder Zeit und Ressourcen hat, um eine neue – hoffentlich ebenso beispielhafte – Geschichte zu schreiben.
«Neue Ertragsquellen benötigt»
Die Veränderungen bei den Kindergärten und die Neuausrichtung haben auch Auswirkungen auf die Finanzen des Gemeinnützigen Ortsvereins. Was kommt finanziell auf den GOV zu? Ernst Hochstrasser, im Vorstand Verantwortlicher für die Finanzen, gewährt Einblick. Das Barvermögen beträgt rund eine Million Franken. Dies sei erreicht worden dank einem «bewussten Verzicht auf grössere Investitionen wegen der Verzögerungen der Kindergarten- beziehungsweise Schulraumstrategie», so Hochstrasser. Denn erst jetzt weiss man beim GOV, was im finanziellen Bereich auf den Verein zukommen wird.
So wurden in den Jahren 2020 bis 2024 durchschnittlich rund 20 000 Franken jährlich für die GOV-Kindergärten aufgewendet. Im Jahr 2025 wurden in die Liegenschaft Reithalle rund 150 000 Franken investiert.
«Aufgrund der unsicheren Zukunft wurden grössere Abschreibungen bei den Liegenschaften getätigt. In der Erfolgsrechnung wurden und werden daher Verluste ausgewiesen», erklärt Hochstrasser. In den Jahren 2024 und 2025 waren dies je rund 180 000 Franken. Weiter muss der Verein darauf achten, dass die Mietzinse der Kindergartenliegenschaften in naher Zukunft gestaffelt wegfallen werden.
Die Prognose dieser Mietzinseinnahmen: Von 2028 bis 2030 jährlich rund 60 000 Franken, ab 2030 werden diese Einnahmen noch 30 000 Franken betragen, ab 2035 fallen sie weg. Ungewisse Kosten, wie Rückbauten oder Sanierungen der Liegenschaften, können zukünftige Jahresrechnungen zusätzlich belasten. Hochstrasser zieht ein Fazit: «Um auch in Zukunft gemeinnützig tätig zu sein, benötigt der GOV neue Ertragsquellen. Beispielsweise durch Umbautätigkeiten bei den bestehenden Gebäuden zur weiteren Vermietung, aus Verkauf von Liegenschaften oder aus Investitionen in andere Objekte.» --dm


