Warum wird beim RFO geballert?
24.11.2023 WohlenBallervideos beim RFO
Seit 10 Tagen sind auf einem offiziellen Social-Media-Kanal des Regionalen Führungsorgans Aargau Ost (RFO) diverse Videoclips von Ballerspielen aufgeschaltet. Die Organisation, die in Krisensituationen den Lead in der Region übernehmen und ...
Ballervideos beim RFO
Seit 10 Tagen sind auf einem offiziellen Social-Media-Kanal des Regionalen Führungsorgans Aargau Ost (RFO) diverse Videoclips von Ballerspielen aufgeschaltet. Die Organisation, die in Krisensituationen den Lead in der Region übernehmen und in solchen Fällen die Einsätze der Rettungs- und Hilfskräfte koordinieren soll, ist einem Hackerangriff zum Opfer gefallen.
Die (Nicht-)Kommunikation rund um den Vorfall irritiert und hat dafür gesorgt, dass mehrere Personen generelle Missstände in der Organisation anprangern. Seit einem Führungswechsel im Frühjahr des laufenden Jahres laufe beim RFO vieles nicht mehr so, wie es bei einer sicherheitsrelevanten und auf Vertrauen basierenden Organisation eigentlich der Fall sein sollte, so der Tenor. --huy
Kommunikationspanne beim Regionalen Führungsorgan (RFO) mit Sitz in Wohlen
Die Führungsorganisation für Notlagen gibt in der Öffentlichkeit gerade ein schlechtes Bild ab. Seit Tagen sind auf dem offiziellen Facebook-Auftritt zusammenhanglose Videoschnipsel von Ballerspielen aufgeschaltet. Die Verantwortlichen schieben einem Hacker die Schuld in die Schuhe. Doch wie konnte es so weit kommen? Und steckt allenfalls noch mehr hinter der Kommunikationspanne?
Marco Huwyler
Der Zeitpunkt ist denkbar unglücklich. Der 14. November ist ein Tag, an dem in diversen Gemeinden der Region Hochwasser droht. Die Einsatzkräfte der Feuerwehren und Zivilschutzorganisationen treffen bereits erste vorsorgliche Massnahmen und sind alarmiert. Ihre Dachorganisation für Krisenzeiten, der regionale Führungsstab Aargau Ost (RFO), scheint derweil aber mit Heitererem beschäftigt zu sein. Diesen Eindruck erhält man auf jeden Fall, wenn man den Facebook-Auftritt des RFO besucht. Die Damen und Herren vom Krisenstab scheinen sich ganz offensichtlich mit Online-Ballerspielen die Zeit zu vertreiben. Und teilen ihre Spielsessions munter mit der Öffentlichkeit. Insgesamt vier entsprechende Videos werden am Morgen des 14. Novembers auf der Social-Media-Plattform kurz nacheinander aufgeschaltet. Bis heute sind sie dort verblieben.
Wer kommuniziert?
Als diese Zeitung die Kommunikationsabteilung der Organisation vier Tage danach darauf anspricht und einige ausführliche Fragen stellt, fällt die Erklärung kurz und simpel aus: Das RFO sei Opfer eines Hackerangriffs geworden. Der Facebook-Auftritt sei momentan ausserhalb der Kontrolle der Organisation. «Die zuständigen Abteilungen im Regionalen Führungsorgan haben mit Meta Kontakt aufgenommen, um die Posts entfernen zu lassen. Leider geht es sehr schleppend vorwärts», teilt das RFO in der Person von Renate Ballmer mit.
Ballmer zeichnet ihre Antwort mit «Chefin Information». Gemäss Homepage des RFO wäre Ballmers Zuständigkeitsbereich indes «Koordination Verwaltung und Politik». Der offiziell Zuständige für Medienkommunikation, an den die Anfrage ursprünglich auch ging, ist mittlerweile von der Homepage verschwunden. Offenbar haben während der «Facebook-Affäre» die Zuständigkeiten geändert.
Wie konnte man die Kontrolle verlieren?
Ballmer verweist in ihrer Antwort darauf, dass man sich ausdrücklich von den Video-Posts auf Facebook distanziere. «Es würden mit Garantie keine solche Inhalte von uns freigegeben», schreibt sie. Zwei Tage später, am Montag, 20. November – sechs Tage nach Aufschalten der Posts –, meldet sich in der Kommentarfunktion unter den Videos dann der Chef des RFO Ronny Wasem zu Wort und erklärt der Öffentlichkeit dasselbe wie Ballmer dem Journalisten. Dass man die Kontrolle über die Seite an einen Hacker verloren habe. Doch weshalb hat man vonseiten des RFO nicht proaktiv viel frü- her dort – und an anderen Stellen – informiert? Und noch wichtiger: Wie konnte es überhaupt zum Vorfall kommen? Hat ein Administrator der Seite naiv auf Phishing-Links geklickt, die eine Kontrollübernahme möglich machten? Oder wurde gar schlampig mit Passwörtern umgegangen? Beides wäre nicht gerade vertrauensbildend für eine Organisation, die in der Krise die Kontrolle und den Überblick behalten soll und der die Bevölkerung deshalb maximales Vertrauen entgegenbringen sollte.
Scharfe anonyme Kritik
Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass die Facebook-Kommunikationspanne beim RFO kaum ein Zufall ist. Seit dem Führungswechsel im vergangenen Februar sollen Missstände herrschen. Ronny Wasem hatte damals die Chefrolle von Sandro Magistretti übernommen. Ein Mitglied einer lokalen Feuerwehr schreibt dieser Zeitung: «Wo früher der Stab für uns noch spürbar war und gut komunizierte, ist heute nur noch Schall und Rauch da.» Und weiter: «Die Organisation taugt Stand heute nichts mehr. Es ist wichtig, dass dies beleuchtet wird. Denn es geht um die Sicherheit von uns allen.»
Dass die Schilderungen des betreffenden Feuerwehrlers nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sind, bestätigen unabhängig davon weitere involvierte Personen, die ebenfalls nicht genannt werden wollen. «Seit einer Weile ist die Kommunikation gegen innen schlecht, aber auch gegen aussen», lautet der Tenor. Ob dies stimmt oder ob all das halb so schlimm ist, wie die Verantwortlichen betonen (siehe Kasten), müssen Abklärungen ergeben. Dass zumindest kommunikationstechnisch nicht alles optimal läuft bei der regionalen Stabsstelle für Krisenzeiten, hat der Umgang mit der gehackten Facebook-Seite aber bereits anschaulich bewiesen. Die in dieser Affäre kommunikativ Verantwortlichen beim RFO bekleiden überdies beide zentrale Funktionen in Fischbach-Göslikon (Ballmer als Gemeinderätin und Wasem als Gemeindeschreiber). Eine Gemeinde, die momentan kommunikativ auch nicht den besten Eindruck macht und in der strukturell vieles im Argen zu liegen scheint (vgl. separate Berichterstattung zum Rücktritt von Ammann Hans Peter Flückiger in dieser Ausgabe).
Das sagt der Chef
Ronny Wasem, Chef des RFO Aargau Ost, beurteilt den Zwischenfall gelassen. «Der Vorfall mit der übernommenen Unternehmensseite stellt für das RFO nur eine geringfügige Beeinträchtigung dar, da die Stabilität der Hauptaufgaben nicht berührt ist. Dies war auch der Grund, weshalb ich zunächst die eigenen Stabsmitglieder informiert und anschliessend über einen Kommentar auf Facebook die Öffentlichkeit benachrichtigt habe», meint er auf Anfrage. «Die genauen Umstände, wie die Unternehmensseite übernommen werden konnte, werden derzeit in Zusammenarbeit mit Meta geklärt. Die Administrator-Accounts waren und sind jedoch nicht kompromittiert.»
Ein generelles Problem, was die Kommunikation betrifft, kann der Chef bei seiner Organisation keines ausmachen. «Das RFO Aargau Ost pf legt auch nach dem Führungswechsel den gleichen offenen Austausch sowohl intern als auch extern», sagt Wasem. «Was sich geändert hat, ist die Fokussierung auf unsere Kernaufgaben und weniger auf Social-Media-Aktivitäten.» --huy
Was ist das RFO?
Der Kanton Aargau ist in 15 Bevölkerungsschutzregionen aufgeteilt. Bei Katastrophen, Notlagen und schweren Mangellagen in der Region übernimmt das RFO die Koordination der Massnahmen. Die Mitglieder des RFO beraten die Gemeinderäte, schlagen Massnahmen vor und vollziehen die Entscheide der Gemeinderäte. Das RFO koordiniert die Einsätze der involvierten Organisationen (bspw. Feuerwehren, Zivilschutz), unterstützt die Einsatzleitung und übernimmt die logistische Koordination. Es sorgt für die Erfüllung von Aufträgen der Einsatzleitung und erteilt seinerseits Aufträge an die Partnerorganisationen. In seiner Region stellt das RFO die Warnung und Alarmierung der Bevölkerung sicher. Bei einem Einsatz orientiert es unverzüglich die Einsatzzentrale der Kantonspolizei sowie die Nachbarregionen.
Das RFO bereitet sich durch Planungen und Übungen auf Einsätze vor. Die Szenarien der Gefährdungsanalyse des Kantons dienen dabei als wichtige Grundlage. Die Mitglieder des RFO besuchen regelmässig Aus- und Weiterbildungen, die unter anderem vom Kanton angeboten werden. --huy