Von oben herab geschaut
30.08.2024 WohlenHoch über Wohlen
Die Premiere des neuen «Gang durch Wohlen» wurde verregnet. Bei der Zweitauflage konnten die Teilnehmer bei schönstem Sonnenschein die Wohler «Höchi» entdecken. --chh
Die Volkshochschule ...
Hoch über Wohlen
Die Premiere des neuen «Gang durch Wohlen» wurde verregnet. Bei der Zweitauflage konnten die Teilnehmer bei schönstem Sonnenschein die Wohler «Höchi» entdecken. --chh
Die Volkshochschule lud zu einem weiteren Gang durch Wohlen
Heute sind Bauplätze weit oben am Hang begehrt und sollen gute Steuerzahler nach Wohlen locken. Das war nicht immer so, wie die beiden Ortsführer Heini Stäger und Daniel Güntert auf ihrem neusten Rundgang «Wohler Höchi» bewiesen.
Chregi Hansen
Direkt beim Startpunkt unterhalb des Wasserreservoirs weist Daniel Güntert auf ein einsames Haus am Niederwiler Hügel hin. Etwa an dieser Stelle stand einst das Seuchenhaus von Wohlen. «Man wollte diese kranken Menschen nicht im Dorf», erklärt der Ortsführer. Immerhin war man so vorausschauend, das Gebäude direkt am Verbindungsweg nach Niederwil zu bauen, sodass die Bewohner bei Reisenden um Almosen betteln konnten.
Ein Beispiel, das deutlich macht, dass die Gegend hoch über Wohlen einst wenig begehrt war. «Bauland hier oben war früher günstig, niemand wollte fernab der Siedlung leben», macht Güntert deutlich. Gewohnt wurde im Tal, das vor Tausenden von Jahren durch die Gletscher geformt wurde. Wie sich dieser während der Jahrhunderte immer wieder vor und zurückbewegt hat, lässt sich noch heute an den Gesteinsschichten ablesen, die beim Bauaushub am Rebberg zum Vorschein kommen. Diese beweisen auch, dass das Gebiet früher ein grosser See war. «Allerdings zu einer Zeit, als es noch keine Menschen gab», verdeutlicht Güntert. Seeanstoss gab es in Wohlen also nie.
Wenn die Hochwacht reden könnte
Das Dorf wuchs im Tal. Das Gebiet auf dem Hügel überliess man anderen. Im «Säusack» etwa liess man die Schweine nach Eicheln graben, in der Fläche neben dem heutigen Vita-Parcours wurden Mitte des 18. Jahrhunderts kleine Landflächen an arme Einwohner abgegeben, die sie zum Bepflanzen nutzen durften, wie Heini Stäger berichtet, man schuf so also eine Allmend. «Diese Kleinstbauern waren dann die ersten, die in der Region Kartoffeln anbauten», erklärt er. Und natürlich wurde hier am Hang früher Wein angebaut, wie die vielen Flur- und Wegnamen wie Rebberg, Rebhalde, Rebebänkli und Trottenweg beweisen. Aber auch dies war eher eine Notlösung als eine grosse Einnahmequelle, wie die beiden Ortsführer klar machen. Vor allem auch darum, weil das Kloster Muri lange Zeit den Zehnten eintrieb.
Apropos Flurnamen: Hochwacht oder Guggi (von gucken, schauen) heissen nicht zufällig so. Von hier aus schlug man früher Alarm, wenn sich im Tal unten eine Katastrophe anbahnte. Passend dazu rezitiert Heini Stäger einen Text seines Vaters Robert, in dem dieser beschrieb, was die Hochwacht alles zu erzählen wüsste, wenn sie denn reden könnte. Überhaupt ergänzen sich die beiden Ortsführer perfekt. Daniel Güntert liefert interessante Fakten, Heini Stäger erzählt passende Anekdoten. Etwa die Geschichte vom Sonnezythof, einst gebaut als Erholungsheim, wo später der reformierte Bauer Bigler im katholischen Wohlen einen schweren Stand hatte – er und der Pfarrer grüssten sich nicht. Dass dies heute nicht mehr der Fall ist, bestätigt sein Nachkomme Hannes Bigler, der als Teilnehmer auf dem Rundgang dabei ist.
Vielleicht war die Verhinderung der Drissgerstrasse ein Fehler
Die neue Variante des «Gang durch Wohlen», die allerdings mehr ein Gang oberhalb Wohlens ist, bietet wiederum interessantes Wissen über das eigene Dorf. Die Teilnehmer werden beispielsweise über das Schicksal der Drissgerstrasse» aufgeklärt, welche Bern und Zürich verbinden sollte. Dottikon baute seinen Abschnitt, Bremgarten seinen auch, nur in Wohlen sah man dazu keine Veranlassung und vertrieb die Arbeiter. Die Verbindung kam nie zustande, nur ein Flurweg erinnert heute an die damaligen Pläne. Heute wäre man in Wohlen vielleicht froh, wenn sich nicht der ganze Verkehr durch das Zentrum drängen würde.
Wer weiss das schon
Auch auf diesem Rundgang, der im Mai bei strömendem Regen seine Premiere erlebte und nun bei strahlendem Sonnenschein wiederholt wird, mischen die beiden Ortsführer historische Gegebenheiten mit unterhaltsamen Geschichten. Sie erklären die Bedeutung von Flurnamen, weisen auf besondere Gebäude hin und liefern interessante Fakten zum Staunen. Hand aufs Herz: Wer weiss schon, dass der höchste Punkt von Wohlen nur zwei Meter tiefer liegt als der Mutschellenpass? Oder dass das Gemeindegebiet wunderbar aufgeteilt ist? Ein Drittel ist Wald, ein Drittel Kulturland und ein Drittel Siedlungsfläche. Oder dass das Bünztal einst Waggental hiess. Was bedeutet, dass der Wagenrain eigentlich Waggenrain heissen müsste.
Aber auch an viele Menschen im Dorf erinnern die beiden. Etwa an den von Kindern gefürchteten «Chrottefrässer» oder auch an den früheren Bezlehrer Armin Haase, der hoch über Wohlen lebte und in seinem Garten unbedingt einen Wald wollte. Doch die vom Kanton geforderten Kriterien für einen Wald erreichte er trotz der vielen gepflanzten Bäume nicht. Als aber der spätere Besitzer die Bäume fällen liess, beklagten sich plötzlich alle, dass er einfach einen Wald umhaut. Von Haases ehemaligem Haus führt der Weg weiter zum Pestkreuz und dann zum kleinen Rebberg des Gemeinnützigen Ortsvereins, von wo aus die Gruppe einen wunderbaren Blick hat auf das Dorf. Verschönert wird der Ausblick durch ein Glas Wohler Wein, welches der GOV den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Rundgangs offeriert. Der krönende Abschluss eines rundum gelungenen Abends. Und alle freuen sich schon jetzt auf einen weiteren «Gang durch Wohlen» mit den beiden Ortsführern.