Sommerserie «Kunst im öffentlichen Raum»: Die verschwundene Skulptur in Villmergen
In den vergangenen Wochen wurden in dieser Zeitung viele Beispiele von Kunstwerken auf öffentlichen Plätzen oder Gebäuden vorgestellt. Zum Abschluss nun ein ...
Sommerserie «Kunst im öffentlichen Raum»: Die verschwundene Skulptur in Villmergen
In den vergangenen Wochen wurden in dieser Zeitung viele Beispiele von Kunstwerken auf öffentlichen Plätzen oder Gebäuden vorgestellt. Zum Abschluss nun ein Werk, das es nicht mehr gibt. Jedenfalls nicht mehr inVillmergen.
Gottfried Honegger gehört zu den Grossen der Schweizer Kunstszene. Er war Maler und Plastiker. Der 1917 geborene Zürcher arbeitete ab 1958 als freischaffender Künstler. 1987 erhielt er den Zürcher Kunstpreis. Durch den französischen Kulturminister wurde er gar mit dem Ordre des Arts et des Lettres ausgezeichnet. Er lebte und arbeitete in Paris, Cannes und Zürich, wo er 2016 im Alter von 98 Jahren auch starb.
Eine seiner besten Arbeiten
Seit Mitte der 60er-Jahre schuf er auch Skulpturen und Werke für den öffentlichen Raum. So hat er immer die Haltung vertreten, dass Kunst, Leben und Alltag unmittelbar miteinander verbunden sein sollten. Bekannte Beispiele sind etwa die neun Metallsäulen in den Regenbogenfarben auf der Hochwasser-Schutzmauer bei Orden/Maloja sowie verschiedene Arbeiten in Vaduz, Bad Ragaz oder im Skulpturenpark Heidelberg. Und natürlich die Arbeit «Volume 18», welche seit dem Jahr 2009 vor dem Hauptgebäude der ETH die Blicke auf sich zieht. Eine Arbeit, welche der Künstler selbst als eine seiner besten bezeichnet.
Dabei war sie einst für eine ganz andere Bildungseinrichtung vorgesehen. Denn ursprünglich fertigte der Künstler die Plastik, damals noch ganz in Weiss, für den Pausenplatz des Schulhauses Hof in Villmergen. Zusammen mit acht Reliefs an der Wand. Dass eine eher ländliche Gemeinde wie Villmergen einem zeitgenössischen Künstler einen solchen Auftrag gab, hat viele erstaunt. Doch so richtig Freude an dem Werk hatte im Dorf kaum jemand. Dazu kam, dass es bald Risse aufwies, die Kinder nutzten die Skulptur gerne als Kletterbaum. Und so kam es, wie es kommen musste. Bei der Erweiterung der Schulanlage Anfang der 80er-Jahre wurde die Skulptur abgebaut und eingelagert. Sie sei kaputt, habe keinen Platz mehr und gefalle nicht wirklich, so die offizielle Begründung.
Künstler holte sich die Plastik zurück
Der Abbau erfolgte sehr zum Ärger des Künstlers. Er holte die Plastik zurück, liess sie reparieren und spritzte sie schwarz. 1986 zeigte er sie erstmals wieder an einer Ausstellung in Zürich, später ging sie in den Besitz des Kunstsammlers Michael Hilti über. Bereits im Jahr 2007 war sie Teil der ETH-Ausstellung «Arbeit im öffentlichen Raum», die zum 90. Geburtstag des Künstlers stattfand. 2009 schenkte Hilti «Volume 18» der Hochschule und sie fand ihren jetzigen Platz an der Seitenfassade des Hauptgebäudes. Bei der zweiten Einweihung – 41 Jahre nach derjenigen in Villmergen – war der Künstler wiederum selbst dabei.
Die Plastik wird seither regelmässig von Besuchern aus nah und fern bewundert und war immer wieder Thema von verschiedenen Zeitungsartikeln. Man stelle sich vor, sie würde immer noch in Villmergen stehen. Die Kantonsschule Wohlen mit den Arbeiten des heute weltberühmten Architekten Santiago Calatrava wäre nicht die einzige Bildungsstätte im Freiamt, die für Schlagzeilen sorgen würde. In Villmergen hat man das vor 40 Jahren nicht erkannt. Und die Skulptur in Kisten verpackt. Aus den Augen, aus dem Sinn.