Vereinendes Experiment
07.11.2023 WohlenDer Musikverein Wohlen und die Musikgesellschaft Villmergen machen gemeinsame Sache für ein Adventskonzert. Damit wollen sie auf sich aufmerksam machen und den Nachwuchs fördern. Eine Fusion sei aber nicht das Ziel. --red
Über die Dorfgrenzen ...
Der Musikverein Wohlen und die Musikgesellschaft Villmergen machen gemeinsame Sache für ein Adventskonzert. Damit wollen sie auf sich aufmerksam machen und den Nachwuchs fördern. Eine Fusion sei aber nicht das Ziel. --red
Über die Dorfgrenzen hinweg
Wohlen/Villmergen: Musikvereine planen ein gemeinsames Adventskonzert – ein vereinendes Experiment
Wie viele andere Vereine suchen auch die Musikgesellschaft Villmergen und der Musikverein Wohlen neue Mitglieder. Da man den Nachwuchs zu seinem musikalischen Glück nicht zwingen kann, starten beide Vereine ein gemeinsames Projekt, um damit auf sich aufmerksam zu machen, aber auch, um sich gegenseitig nachhaltig zu unterstützen.
Britta Müller
Noch ist der Musikraum in der Schule in Villmergen leer. Urs Koepfli, Präsident der Musikgesellschaft Villmergen, und Markus Konrad, Präsident des Musikvereins Wohlen, erzählen, dass sie bereits 2022 miteinander ins Gespräch gekommen sind. Denn beiden Vereinen geht es wie vielen Institutionen: Es fehlt an Nachwuchs. «Die Gründe sind unterschiedlich», erklären die Präsidenten. «Junge Menschen wachsen heute anders auf und auch wenn Oktoberfeste inklusive Tracht und Schunkeln bei der jüngeren Generationen beliebt sind, so hat das Image der Blasmusik nachgelassen.»
Dazu bemerken beide, dass in kleinen Dörfern der Bezug zum örtlichen Musikverein deutlich besser ist als in so grossen Dörfern wie Villmergen und Wohlen. «Durch die Grösse des Ortes wird manches anonymer», sagt Markus Konrad. Spielen die Eltern dazu kein Instrument, fehlt der erste Bezug zur Musik. Oder Kinder und Jugendliche, die ihr Instrument so gut beherrschen, streben oft individuelle Ausbildungen an und das Interesse an Musikvereinen schwindet. «Dazu ist das allgemeine Angebot von Vereinen – nicht nur mit Musikbezug – so gross, dass der Nachwuchs – anders als früher – die Qual der Wahl hat», ergänzt Urs Koepfli. Der Trend setzt sich fort und die Vereine müssen immer kreativer werden.
Projekt und Experiment
Heute umfasst der Musikverein Wohlen knapp 27 Mitglieder und die Musikgesellschaft Villmergen rund 35 – die meisten sind zwischen 40 und 70 Jahre alt. In beiden Musikformationen fehlen Besetzungen für verschiedene Musikinstrumente. Die besondere Synergie: Diese fehlenden beziehungsweise nicht besetzten Plätze können jeweils durch den anderen Verein ergänzt werden. Damit entstand das Projekt oder Experiment des gemeinsamen Adventskonzerts.
Für drei Monate wurde der Probeplan angepasst. Wohlen probt immer am Dienstagabend und Villmergen immer am Donnerstagabend. Schön im Wechsel finden nun die Proben mal dienstags, mal donnerstags statt. Dazu kommen Sonderproben, zum Beispiel für die Holzinstrumente.
Fusion ist kein Ziel
Stellt sich dabei nicht die Frage nach einer Fusion beider Vereine? «Nein, das ist kein Plan oder Ziel von uns», versichert Urs Koepfli, «wir wollen beide eigenständig bleiben. Es geht uns darum, uns gegenseitig zu stützen, um professionell bei unseren Anlässen aufzutreten, bis es vielleicht doch noch Nachwuchs gibt.» Kooperation neuer Art haben beide Vereine auch schon mit anderen Formationen an gemeinsamen Events organisiert. Der Wohler Musikverein mit den Stimmperlen der regionalen Musikschule Wohlen und die Musikgesellschaft Villmergen mit dem Zirkus Arabas. Und noch weitere Ideen werden bereits kreativ von beiden Musikvereinen für das neue Jahr geschmiedet. Es reicht eben nicht mehr, nur das klassische Musikprogramm zu absolvieren und die Zuhörerschaft damit zu erfreuen, sondern man muss auch offen für Neues sein und damit für weitere Attraktivität innerhalb und ausserhalb der Vereine sorgen. «Es ist eine gute Sache – mal sehen, wie es funktioniert, ohne dass man sich gleich mit weiteren Plänen festlegt», so Urs Koepfli.
Konzert mit 60 Musizierenden
Beliebt sind die Adventskonzerte beider Vereine. Jedes Jahr ist dies ein fester Bestandteil im Jahresprogramm im jeweiligen Dorf. An den Terminen wird sich auch nichts ändern. Wohlen bestreitet nach wie vor den 1. Advent und Villmergen wie immer den 2. Advent. Nur eines wird anders sein: Das Orchester tritt mit bedeutend mehr Personen auf. Anstelle der rund 30-köpfigen Formation werden sie sich dieses Jahr mit rund 60 Musikern und Musikerinnen präsentieren. Auch die beiden Dirigenten Markus Steimen aus Wohlen und Peter Werlen aus Villmergen haben ihre beiden Köpfe zusammengesteckt und mit den Vereinsverantwortlichen ein attraktives Musikprogramm aufgestellt, das die treuen Zuhörer mit «symphonischer Blasmusik» in die bevorstehende Weihnachtszeit einstimmen soll. «Die Konzerte sind immer sehr beliebt und sehr gut besucht», sagt Urs Koepfli und verrät: «Sowohl die Wohler als auch die Villmerger können sich freuen – es wird besonders werden.» Und alle, die am einen Termin nicht können, haben die Möglichkeit, am anderen teilzunehmen.
Man hilft sich gegenseitig
So langsam füllt sich der Proberaum mit rund 50 Musikern. Und was ist mit der wohlbekannten Dörfli-Rivalität? «‹Was, ihr spielt in Wohlen?›, war schon vom ein oder anderen Villmerger zu hören», sagt Koepfli und ergänzt schnell: «Die zweite Reaktion war dann aber eher ‹cool›.» Und Markus Konrad erklärt: «Unter uns gibt es aber diese Rivalität nicht.» Und das bestätigt sich an der Musikprobe. Man hilft sich gegenseitig, stellt Notenständer und Stühle gemeinsam auf oder trägt das Schlagzeug und die grossen Pauken zusammen hinein. Während manch einer aus dem Büro oder der Werkstatt heranflitzt, übt die andere bereits mit ihrem Kollegen an der Trompete und ein anderer nimmt seinen Klarinettenkollegen herzlich zur Begrüssung in den Arm.
Dann geht es diszipliniert schnell. Jeder setzt sich auf seinen Platz, greift nach seinem Instrument und bevor Dirigent Peter Werlen den Taktstock zückt, begrüsst Urs Koepfli als «Hausherr» alle Musiker und Musikerinnen – egal, woher sie kommen. Und für alle gilt das Gleiche: Nach der Probe geht es noch ins nahe liegende «La Bella Vita». Was beweist: Das Projekt oder auch Experiment funktioniert wohl nicht nur musikalisch, sondern auch kulinarisch.