«Unfassbarer Vorgang»
30.12.2025 Wohlen, BaugewerbeUmstrittenes Bauprojekt der Firma Stach Investment AG vom Gemeinderat bewilligt
Das Baubegehren der Firma Stach Investment AG beschäftigt Wohlen seit rund sechs Jahren. Dies, weil die benachbarte Isler-Villa und deren Ensembleschutz wegen des Bauwerks leiden ...
Umstrittenes Bauprojekt der Firma Stach Investment AG vom Gemeinderat bewilligt
Das Baubegehren der Firma Stach Investment AG beschäftigt Wohlen seit rund sechs Jahren. Dies, weil die benachbarte Isler-Villa und deren Ensembleschutz wegen des Bauwerks leiden könnte. Nun erteilte der Gemeinderat die Baubewilligung. Die Enttäuschung ist beim Initiativkomitee der Ortsbürgergemeinde riesig.
Daniel Marti
Es gab viel Streit und Unverständnis rund um das Bauprojekt der Stach Investment AG. Der geplante Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage sowie provisorischer Parkieranlage sorgte für Aufsehen. Es formierte sich grosser Widerstand gegen das Bauprojekt an der Zentralstrasse.
Es gab etliche Einwendungen gegen das Baugesuch. Von Einzelpersonen sowie von der Stiftung Freiämter Strohmuseum. Auch eine Sammeleinwendung von Anwohnern richtete sich gegen das geplante Bauprojekt. Die Forderungen der Einsprecher zielten mehrheitlich in eine Richtung: Das Baugesuch sei abzuweisen und die Baubewilligung zu verweigern.
Einsprecher haben Post erhalten
Von Vertretern der Ortsbürgergemeinde und von einem vierköpfigen Initiativkomitee kam am meisten Widerstand. Die Ortsbürgergemeinde ist die Besitzern des benachbarten Anwesens mit Villa Isler und Park. In der Villa Isler ist das Schweizer Strohmuseum beheimatet. Das Anwesen steht unter Ensembleschutz. Dies führte zu etlichen Diskussionen an den Gemeindeversammlungen der Ortsbürgergemeinde.
Trotzdem: Sämtliche Einsprecher konnten die Baubewilligung nicht verhindern. Alle Einspracheparteien haben in diesen Tagen Post erhalten. Es ist die Baubewilligung für das Bauprojekt der Stach Investment AG. Das Dokument umfasst über 50 Seiten (es liegt der Redaktion vor). Der Entscheid ist unterschrieben von Vizeammann Thomas Burkard.
Im Schreiben wird darauf verwiesen, dass die vom Regierungsrat angeordneten Ausstandspflichten (wegen drohender Befangenheit) eingehalten wurden. Originaltext: «Der vorliegende Entscheid erfolgt im Ausstand von Arsène Perroud, Gemeindeammann; Roland Vogt, Gemeinderat, sowie Marc Meier und René Schreyer (beide nicht mehr für die Gemeinde Wohlen tätig) und Emanuele Soldati, externe Beratung. Damit hat der Gemeinderat, der noch bis Ende Jahr im Amt ist, diese Bewilligung vorgenommen. Dies sind neben dem Vizeammann die Gemeinderätinnen Denise Strasser und Ariane Gregor.
Bei den Abhandlungen zu Einsprachen und Entscheidungsfindung werden auch der Einordnung des Ortsbilds mehrere Seiten gewidmet. Dabei kommt dem Gemeinderat «bei der Anwendung von Ästhetikvorschriften ein erheblicher Ermessensspielraum zu», heisst es beispielsweise. «Es obliegt in erster Linie den örtlichen Behörden, über den architektonischen Aspekt zu wachen.»
«Ortsbürger jahrelang nicht ernst genommen»
Logisch, dass vor allem das vierköpfige Initiativkomitee mit dem Vorgehen des Gemeinderates nicht zufrieden ist. Stellvertretend für das Komitee der Ortsbürgergemeinde melden sich Walter Dubler und Hans Meyer mit einer Medienmitteilung zu Wort. Diese trägt den Titel «Ortsbürger jahrelang nicht ernst genommen».
Die beiden verweisen darauf, dass am 15. Dezember an der Ortsbürgergemeindeversammlung der Ensembleschutz des Areals Villa Isler ein Thema war. «Am gleichen Tag hat der Gemeinderat die Baubewilligung für das umstrittene Baugesuch von Stach Investment AG erteilt. Diesen Entscheid teilte Gemeindeammann Perroud der Versammlung jedoch nicht mit. Es war wie vor einem Jahr, als der Gemeinderat am 2. Dezember 2024 den Dienstbarkeitsvertrag genehmigte, der Versammlung nichts mitteilte und diesen zehn Tage später unterschrieb», halten die beiden fest.
Acht Anträge und eine Volksinitiative
Dubler und Meyer blicken fünfeinhalb Jahre zurück: Im Juni 2018 wurde an einer Ortsbürgergemeindeversammlung ein Antrag gestellt. Dieser verlangte Abklärungen, welche Massnahmen nötig sind, damit der Baumbestand im Ostbereich des Areals Villa Isler nicht gefährdet ist. Seit Juni 2018 war das denkmalgeschützte Areal Villa Isler an acht Ortsbürgergemeindeversammlungen ein Thema. «Es wurden total acht Anträge gestellt. Alle wurden angenommen. Dazu zählt auch die von 200 Ortsbürgerinnen und Ortsbürgern innert weniger Tage unterzeichnete Volksinitiative, dies entspricht 31,6 Prozent der Stimmberechtigten. Die Willenskundgebungen waren eindeutig. Trotz allem wirkten Gemeindeammann Perroud und der Gemeinderat mit der Bauverwaltung weiter, wie wenn nichts gewesen wäre.»
Dass am Schluss der Amtsperiode von drei abtretenden Mitgliedern des Gemeinderates ein so «schwerwiegender Entscheid gefällt wird, ist unverständlich und macht wütend», heisst es weiter.
In der Medienmitteilung wird auf das Reglement der Ortsbürgergemeinde verwiesen. Es sei eine ihrer Aufgaben, sich an Bestrebungen zur Erhaltung und Verschönerung des Dorf- und Landschaftsbildes von Wohlen zu beteiligen. «Mit der Baubewilligung für die überrissenen Mehrfamilienhäuser Stach macht der Gemeinderat das Gegenteil.»
Warum wird auf ein Fachgutachten verzichtet?
Die Baubewilligung enthält laut Dubler und Meyer «haarsträubende Aussagen». So werde ein unabhängiges Fachgutachten eingefordert, wie dies der Gemeinderat gemäss der Bauordnung verlangen könnte. Der Gemeinderat und die Bauverwaltung behaupten in der Baubewilligung: «Eine aussergewöhnliche Baute liegt nicht vor. Der Gemeinderat verzichtet auf die Begutachtung durch eine externe Fachperson. Wir fragen: Wann verlangt die Gemeinde ein Gutachten, wenn nicht an diesem höchst sensiblen Ort?»
Baubewilligung sei ein «derartiges Gewürge»
Der Gemeinderat stuft zudem die Anordnung der beiden Baukörper für das Quartierbild «als verträglich» ein. Darum ist das Initiativkomitee der Ansicht, dass der «Gemeinderat mehr die Interessen von Stach wahrnimmt als diejenigen der Ortsbürgergemeinde und der Einwohnergemeinde».
Die Baubewilligung sei ein «derartiges Gewürge, dass gleich mehrere Ausnahmebewilligungen erteilt wurden», wehren sich Dubler und Meyer. Dies wegen zu wenig Parkplätzen, fehlenden Spiel- und Erholungsflächen und Pfählungen.
«Gemeinderat ermöglicht baulichen Irrsinn»
Für das Initiativkomitee der Ortsbürgergemeinde ist das gesamte Vorgehen des Gemeinderates «völlig unverständlich». Mit dem freiwillig unterzeichneten Dienstbarkeitsvertrag habe der Gemeinderat «diesen baulichen Irrsinn überhaupt ermöglicht. Offensichtlich wurde der vom abtretenden Gemeindeammann Perroud im Jahr 2018 eingeschlagene Kurs zugunsten der Firma Stach konsequent verfolgt.» Und sämtliche Mitglieder des Gemeinderates, die dies möglich machten, sind ab 2026 nicht mehr in ihren Ämtern und tragen gemäss Dubler und Meyer für ihren Entscheid keine Verantwortung mehr. «Das ist ein unfassbarer, ärgerlicher Vorgang, wie es ihn in Wohlen noch nie gegeben hat», betonten die beiden.
«Mehr Respekt»
Das Initiativkomitee der Ortsbürgergemeinde richtet sich mit klaren Erwartungen an den neuen Gemeinderat. Allen gemachten Versprechungen betreffend Baumschutz sowie dem in der Bauordnung verankerten Ensembleschutz Areal Villa Isler soll konsequent nachgelebt werden. «Von der Ortsbürgergemeindeversammlung gefasste Beschlüsse sind wieder ernst zu nehmen. Die Ortsbürgergemeinde verdient mehr Respekt für ihr Wirken, das ganz Wohlen zugute kommt», betonen Dubler und Meyer für das Initiativkomitee abschliessend.

