«… und Ruhe bitte!»
02.06.2023 Hägglingen, Tägerig, Region UnterfreiamtFilmdreharbeiten von Snakefilm und SRF
Für einen Tag war eine 30-köpfige Filmcrew zu Dreharbeiten in der Büschikermatte und der Eichgasse zwischen Tägerig und Hägglingen unterwegs. Dabei wurden Szenen für den Film «Behind the Glass» ...
Filmdreharbeiten von Snakefilm und SRF
Für einen Tag war eine 30-köpfige Filmcrew zu Dreharbeiten in der Büschikermatte und der Eichgasse zwischen Tägerig und Hägglingen unterwegs. Dabei wurden Szenen für den Film «Behind the Glass» von Olga Dinnikova gedreht.
Britta Müller
Tägerig wirkt eigentlich geschäftig wie an jedem anderen Freitag – nichts ist ungewöhnlicher als sonst. Nähert man sich aber der Mehrzweckhalle und dem Schulgelände, staunt man nicht schlecht, wie viel Filmequipment samt Filmcrew den Platz belebt. Schwarze Fahrzeuge, ein alter Passat auf einem Anhänger, Scheinwerfer, Mikrofone und Kameras sowie Filmklappen und Make-up-Pinsel sind im Einsatz.
31 Drehtage sind für diesen Film geplant und angesetzt – davon sind bereits 11 Tage in Lettland absolviert. In der Schweiz findet zwischenzeitlich der 16. Drehtag statt. «Wir drehten in Opfikon, am Flughafen in Zürich-Kloten und nun im Aargau wie zum Beispiel in Baden, Mellikon, Wettingen und hier, in Tägerig und Hägglingen», erklärt Cyril Ziffermayer. Er ist Producer von Snakefilm und mitverantwortlich, dass so ein Drehtag reibungslos verläuft.
Am Filmset wird Englisch gesprochen
Aber das macht er nicht ganz allein. Rund 30 Filmcrew-Mitglieder arbeiten konzentriert in der Regie, der Aufnahmeleitung, mit der Kamera und sorgen für perfektes Licht und den richtigen Ton. Es geht sehr strukturiert, geordnet und erstaunlich ruhig zu. «Die meisten kennen sich und wissen genau, wo und wie etwas zu tun ist», erklärt Ziffermayer. Durch die Herkunft aller Beteiligten wird am Filmset nur englisch gesprochen.
Insgesamt sind in Tägerig fünf Schauspieler am Filmset, die neben ihren künstlerischen Qualitäten vor allem Geduld mitbringen müssen. «Manchmal funktionieren Drehaufnahmen reibungslos schnell, manchmal braucht es einfach immer wieder eine Wiederholung», fügt Ziffermayer an. «Wir sind das gewohnt – wir haben gut und gerne eine 50-Stunden-Woche, aber am Wochenende ist auch für uns frei», lächelt er und weist charmant die Medienverantwortlichen darauf hin, die Mobiltelefone und das Klickgeräusch der Kameras auszuschalten, damit diese bei den Filmaufnahmen nicht stören.
Unter den Darstellern befindet sich auch der bekannte Schweizer Schauspieler Marcus Signer, der einst in der Filmproduktion «Wilder» und «Bestatter» eine wichtige Rolle übernommen hat. Hier in Tägerig spielt er einen mysteriös wirkenden Companion – mehr wird dazu nicht verraten. Man kann beobachten, wie er immer wieder für eine Szene in einen alten Passat einsteigt, damit ein kurzes Stück fährt, aussteigt und sich geheimnisvoll mit einem düster wirkenden Schrottplatzbesitzer bespricht. Unheimlich wirkt die Szene – das Gelände der Autoverwertung mitten im Wald ist die perfekte Kulisse.
Der erste Langfilm für die Regisseurin
Einige Male üben die beiden Schauspieler zunächst erst ohne Kameras den Ablauf, besprechen sich mit der Regisseurin Olga Dinnikova, was und wie am besten im Film aussieht. «Ich habe alle Bilder in meinem Kopf», erklärt Dinnikova, «aber oftmals entstehen viel bessere Szenen vor Ort mit den jeweiligen Protagonisten.» Olga Dinnikova ist eine Schweizer Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin. Geboren wurde sie in Riga in Lettland und lebt seit über 20 Jahren in Zürich – seit Kurzem mit ihrer Familie in der Nähe von Lenzburg. Die Filmgeschichte ist an ihre eigene Lebensgeschichte angelehnt. «Es gibt einige Parallelen zu mir. Auch ich bin von Lettland via Israel und am Ende mit 15 Jahren in die Schweiz gekommen», erzählt sie. Immer wieder musste sie mit ihrer Mutter bei null anfangen.
Für die Regisseurin Olga Dinnikova ist es der erste Langfilm. Bislang war sie selbst als Schauspielerin wie im «Bestatter» im Einsatz und hat erfolgreich Erfahrungen mit diversen Kurzfilmen als Drehbuchautorin gesammelt. Mit ihrem Kurzfilm «Luftschloss» setzte sie mit Produzent Markus Fischer eine weitere Duftmarke in der Filmszene. «Als Produzent ist man nicht nur dafür verantwortlich, dass ein Film zustande kommt», erklärt Fischer, «es ist auch wichtig, als Mentor gerade unerfahrene, junge Regisseure bei ihrem Tun zu begleiten, damit am Ende ein spannender, erfolgreicher Film entsteht.» Markus Fischer erklärt, dass er seit über drei Jahren für diesen Film arbeitet, das heisst, bevor auch nur eine Szene gedreht wird, muss er Sponsoren für die Finanzierung finden, das Drehbuch immer wieder mit der Regisseurin überarbeiten und alle notwendigen Details abklären. Gerade für Auslandseinsätze bedarf es vieler Genehmigungen und Vor-Ort-Abklärungen, die immer wieder zusammen mit Olga Dinnikova besprochen und geplant werden müssen.
Der perfekte Schrottplatz
Als Hauptdarstellerin übernimmt Daria Egorkina die Rolle als Mutter. Sie stammt aus Kiew in der Ukraine und lebt seit den Kriegsanfängen in Norwegen. «Anfangs glaubte ich an einen Scherz, als mich die Filmproduktion für die Hauptrolle zu diesem Film anfragte», erklärte sie. Für sie ist dieser Film nicht nur eine wertvolle Schauspielerfahrung, sondern sie lernt nebenbei die deutsche Sprache. Im Film spricht sie zudem russisch und lettisch.
Doch wieso wurde Tägerig und Hägglingen ausgewählt? Im Kopf von Olga Dinnikova entstehen beim Schreiben des Drehbuchs diverse Bilder von Räumlichkeiten, Ort- und Landschaften. Markus Fischer, der Filmproduzent, erklärt: «Durch die Dreharbeiten zum ‹Bestatter› profitierten wir von manchen landschaftlichen und örtlichen Erfahrungen, aber auch von einem sehr guten Netzwerk. So fanden wir den perfekten Schrottplatz – mitten im Wald – bei der Autoverwertung Walter Meier.»
Dort sind die Dreharbeiten inzwischen in vollem Gange. Während die Filmcrew den Platz und die Technik aufbaut und einrichtet, kann man beobachten, wie die Schauspieler ihren Text durchgehen und die jeweilige Szene besprechen. Kurz vor Drehbeginn wird es etwas hektisch, das Make-up wird nochmals aufgefrischt, alle suchen ihre Position und schon ruft der Regieassistent laut: «Jeder ist an seiner Position, wir drehen jetzt ... und Ruhe bitte!»
Zum Film
Der Film «Behind the Glass» handelt von einer jungen Mutter, die alles in Bewegung setzt, um ihre durch Alkohol und Drogen gefährdete Tochter zurück ins Leben zu holen. Dazu verlassen beide ihre Heimat Lettland und fliehen in die Schweiz. Welche Herausforderungen auf die beiden warten, die einen Neuanfang nicht leicht machen, wird erst der Film verraten, der voraussichtlich im Herbst 2024 im Kino zu sehen sein wird. Produziert wird der Film von Snakefilm. Tasse Film SIA Riga, Lettland, und SRF Schweizer Radio und Fernsehen als Kooperationspartner sowie das Bundesamt für Kultur, die Zürcher Filmstiftung, das Kuratorium Aargau und Suissimage beteiligen sich an den Produktionskosten.
Im Film sprechen die Schauspieler in den Sprachen Englisch, Lettisch, Russisch, Deutsch und Schwyzerdütsch – den Kinofilm wird es dann mit Untertiteln in Deutsch, Französisch und Englisch geben. Aufgrund dieser Vielsprachigkeit erwartet die Filmproduktion internationales Interesse und plant die Veröffentlichung mit einem wichtigen Filmfestival zu verbinden.


