Umdenken gefragt
31.01.2023 Mutschellen, RudolfstettenDank der Forschung und dem nachhaltigen Unternehmergeist von Dominik Füglistaller sollen Schweizer Leinengarn und damit verbunden die hiesige Textilindustrie wieder Aufwind bekommen. Die Firma Swiss-Flax GmbH, der er vorsteht, setzt auf einen lukrativen Anbau. --cbl
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Dank der Forschung und dem nachhaltigen Unternehmergeist von Dominik Füglistaller sollen Schweizer Leinengarn und damit verbunden die hiesige Textilindustrie wieder Aufwind bekommen. Die Firma Swiss-Flax GmbH, der er vorsteht, setzt auf einen lukrativen Anbau. --cbl
Nachhaltig umgarnen
Dank der Forschung des Rudolfstetters Dominik Füglistaller floriert der Flachsanbau in der Schweiz
Seit Jahren setzt sich Dominik Füglistaller für nachhaltige Alternativen in der Textilbranche ein. Das grösste Potenzial, um ein Wiederaufblühen der Schweizer Industrie zu beflügeln, sieht der Agronom bei Flachs.
Celeste Blanc
Antibakteriell und kühlend, robust und reissfest, 100 Prozent «Made in Switzerland» und weiterverarbeitet im umliegenden Europa: Das verspricht das Leinengarn der SwissFlax GmbH, das aus Flachs von Emmentaler Feldern produziert wird. Ziel des Unternehmens ist es, die Wertschöpfungskette von Schweizer Flachs aufund auszubauen, auf dem Markt zu etablieren und industriell zu betreiben.
Die Geschicke des Unternehmens leitet Dominik Füglistaller. Doch nicht nur das: Jahrelang forschte der Rudolfstetter zum ertragreichen Anbau von Flachs sowie seiner wirtschaftlichen Rentabilität, also wie die Verarbeitungsmöglichkeiten in der Schweiz aussehen und wo diese stattfinden könnten. Die Ergebnisse stellte der Agronom dem 2014 gegründeten Unternehmen zur Verfügung, auf dem heute unter anderem dessen Geschäftsmodell beruht. «Flachs ist eine der ökologischsten und ökonomischsten Naturfasern», weiss Füglistaller und sieht in ihr das Potenzial, den Wiederaufbau der Schweizer Textilindustrie bef lügeln zu können.
Landwirte an erster Stelle
Nebst einer möglichst regionalen Verarbeitung des Produkts legt die SwissFlax grossen Wert auf die Zusammenarbeit mit hiesigen Produzenten. So beispielsweise mit Adrian Brügger und Fritz Studer, die gemeinsam mit vier anderen Landwirten in den Emmentaler Gemeinden Willadingen und Oberoesch jährlich sechs Hektaren Flachsfelder bewirtschaften. «Die Pflanze ist robust und genügsam, gleichzeitig ist sie ein ‹Finöggeli›», weiss Füglistaller. Denn: Sie wächst schnell, bis zu sieben Zentimeter pro Tag. Kein Dünger und nur wenig Herbizide sind für ihr Wachstum notwendig. Das macht sie lukrativ. Dennoch bedeutet ihr Anbau viel Arbeit für die Landwirte. Je nach Wetterbedingungen muss man als Anbauer «auf Zack» sein. «Wenn die Pflanzen durch einen Sturm knicken, kann man sie nicht weiterverarbeiten. Deshalb steht man jeden Tag auf dem Feld.» Neuartig ist deshalb der Stellenwert der Bauern in der Gesamtproduktionskette, auf welche die SwissFlax grossen Wert legt. Während die Landwirte in der Regel in der Wertschöpfungskette als Anbauer zwar an erster, hinsichtlich der Entlöhnung aber meist an letzter Stelle stehen, entgilt die SwissFlax ihre Arbeit überdurchschnittlich: Sie mietet die Felder, auf denen angebaut wird, übernimmt die Erntekosten und spricht eine Abnahmegarantie. Erträge sowie Produktqualität werden zusätzlich vergütet. Weiter werden spezielle, für die Ernte benötigte Dresch-, Zupf- und Ballenmaschinen zur Verfügung gestellt. Ab Feld wird das Flachsstroh zur Weiterverarbeitung nach Holland und von dort zum Verspinnen nach Polen transportiert. Als Leinengarn geht es dann zurück in die Schweiz, wo es an hiesige Sattler für die Herstellung von Möbeln oder an Designer für die Produktion von Kleidern verkauft wird. Und das mit Erfolg: Nebst Taschen, Rucksäcken, Alltags- und Sportbegkleidung wie Zwilchhosen werden Vorhänge von Möbel Pfister und vom Innendekorateuer Création Baumann mit dem Leinengarn produziert.
Gesamtnutzung bei 98 Prozent
Füglistaller ist es ein grosses Anliegen, dass Konsumenten die Wertschöpfungskette transparent nachvollziehen können: «Es ist klar ersichtlich, wer was zur Produktion beigetragen hat. Zusätzlich sind im Vergleich zu Kleidern aus Ländern wie China oder Bangladesh die Arbeitsbedingungen fair für jeden, der am Prozess beteiligt ist.» Rund 98 Prozent beträgt die Gesamtnutzung des Ernteertrags. Nicht nur die Faser wird verwendet, sondern auch die Leinsamen. Diese werden zu Nahrungsmitteln weiterverarbeitet. «Somit konkurriert die Textil- die Lebensmittelbranche nicht», erklärt Füglistaller. Dies ist ein bedeutender Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft – in der Schweiz allgemein, aber auch im spezifischen Flachsanbau in Frankreich, Belgien oder Holland, wo die Leinsamen nicht weiterverwertet werden. Zu guter Letzt wird das Stroh, das die Faser umgibt, zu Ausstreu für Ställe verarbeitet. «Das Potenzial der Pflanze in seiner ganzen Vielfalt zu nutzen, ist unser Verständnis von Nachhaltigkeit.» Deshalb sei ein Produkt aus dem SwissFlax-Leinengarn eines der nachhaltigsten, das aktuell auf dem Markt zu finden ist. Weiter unterstützt die SwissFlax mit ihrem Wissen und Know-how auch andere solche Projekte, aktuell Bestrebungen im Val Müstair in Graubünden, die traditionelle Leinentextilproduktion wieder aufleben zu lassen. Dominik Füglistaller ist ein Mann der Tat: «Für mich ist es ein absolutes Herzensprojekt: Um etwas zu bewegen, müssen wir handeln – auch in der Privatwirtschaft.»
Rahmenbedingungen schaffen
Wenn Füglistaller vom «Wahnsinnsprodukt Flachs» spricht, spürt man sofort die Leidenschaft, die der Agronom für seine Arbeit empfindet. Deshalb investiert er viel Zeit, um über dessen Vorteile zu informieren. Ein nicht einfaches Unterfangen. Schliesslich sind die Textilprodukte aus dem SwissFlax-Garn teurer als herkömmliche. «Bei den Lebensmitteln gibt es mittlerweile einen gewissen Nachhaltigkeitsgedanken, in der Textilindustrie ist ein nachhaltiges Kleidungsstück oftmals noch zu teuer», weiss der Sohn von Alt-Nationalrat Lieni Füglistaller. Das hänge damit zusammen, dass der Aufwand für die Verarbeitung gross, die Menge hingegen klein ist. Zum Vergleich: Auf den sechs Hektaren könnten mit der Gesamtmenge an gewonnenem Leinengarn 15 000 Pullover produziert werden. Das sei wenig «konsumentenfreundlich», denn der Preis eines Pullovers liegt bei über 200 Franken. Deshalb erachtet es Füglistaller zunehmend als Pf licht der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Anbau von Naturfasern fördern, was Stand heute noch in den Babyschuhen steckt. Lediglich im Bereich Hanfsamen gibt es Subventionen. Weiter könnten mehr privatwirtschaftliche Unternehmen einen Beitrag leisten. «Je mehr Unternehmen auf diese Form von Produktion umstellen, desto mehr würde die Nachfrage wachsen.»
Mehr Informationen zur SwissFlax GmbH und den Produkten unter www.swissflax.ch.
Mehr «Schweiz» für die Zwilchhose
Grossveranstalter wie das ESAF sollen Nachhaltigkeit prioritär behandeln
Für Dominik Füglistaller können sich nachhaltige Alternativen nur dann durchsetzen, wenn ein Umdenken in der breiten Bevölkerung stattfindet. Um ein solches zu fördern, müssen nebst Anstrengungen aus der Politik und der Wirtschaft auch solche aus der Unterhaltungs- und Eventbranche erfolgen. Hier schreibt Füglistaller vor allem (Gross-)Veranstaltungen mit Ausstrahlungskraft eine tragende Rolle zu. Als Beispiel führt er das Eidgenössische Älpler- und Schwingfest an. «Unser Ziel ist, dass die Zwilchhosen am nächsten ESAF 2025 aus Schweizer Leinen hergestellt sind.» Dafür stand er mit der Organisation in Kontakt. Das Fazit war ernüchternd. «Für die 100 Zwilchhosen, die es für den Anlass benötigt, würden die Mehrkosten rund 5000 Franken betragen. Die Antwort seitens der Organisation war, dass wir als Firma dies sponsern könnten.» Eine Aussage, die bei Füglistaller auf Unverständnis stösst. «Für das Rahmenprogramm können mehrere Millionen Franken ausgegeben werden, aber beim eigentlich Traditionellen, dem Schwingsport, wird der Finger auf die Zahlen gehalten. Wo wäre mehr ‹Schweiz› angebracht als in einer Zwilchhose?» Doch Füglistaller wird nicht aufgeben. Denn: «Es liegt in der Verantwortung aller, vom Konsumenten bis Grossunternehmen.»