Träumen von «Amore»
12.03.2024 Mutschellen, WidenDer Songria-Chor Mutschellen lud zu einem italienischen Abend ein
Alessandro Limentani, 1983 geboren in Mailand, leitet Songria Mutschellen seit zehn Jahren. Also beschloss der 1990 gegründete, heute 30-köpfige Chor, ihm ein ausschliesslich italienisches Konzert ...
Der Songria-Chor Mutschellen lud zu einem italienischen Abend ein
Alessandro Limentani, 1983 geboren in Mailand, leitet Songria Mutschellen seit zehn Jahren. Also beschloss der 1990 gegründete, heute 30-köpfige Chor, ihm ein ausschliesslich italienisches Konzert zu widmen.
Hans Rechsteiner
Schon bei ihrem Einmarsch in die reformierte Kirche Widen kam Applaus auf. Und mit dem frischen Start, dem traditionellen Kinderlied «Bella Bimba», zeigte sich da ein wunderbarer Chorklang, fröhliche Frauenstimmen, darunter ein elegant tragender Boden der Basslagen. Das feierliche «La Montanara», von Toni Ortelli 1927 auf einer piemontesischen Hochebene aufgeschrieben, war sehr fein vorgetragen. Und dann folgte bereits die verblüffende nicht angekündigte Überraschung des Abends. Da marschierte eine feingliedrige junge Frau in Schwarz herein, stellte sich neben den Flügel und sang mit mädchenheller Sopranstimme auf sicherer Lage und mit raumfüllender Präsenz zwei herrliche Mozartlieder. Vorgestellt war sie nicht. Erst nach dem Konzert lüftete sich das Geheimnis. Luisa Murmann ist 18-jährig, wohnt in Bremgarten, geniesst in der Kanti Wettingen unter anderem Gesangsunterricht – im Programmheft war das Talent bescheiden als «Debütantin» zu suchen. Ob Luisa ans Konservatorium wechselt, ist noch nicht sicher. Sie sollte es unbedingt wagen. Es folgte ein Ohrwurm der eigenen Jugendzeit, ein lockendes Tessiner Soldatenlied mit nicht ganz stubenreiner Aufforderung: «Komm in meine Barchetta, per far l’Amor». Dann ein mehrstimmiges Vokalstück aus der Zeit der Renaissance und des Frühbarock von Adriano Banchieri (1567– 1634), schwierig zu singen. Im «Contrapunto bestiale» setzen ein Hund, eine Katze, ein Kuckuck und ein Kauz aus Spass einen Kontrapunkt, improvisierend über einen Bass.
Die besten Ohrwürmer wären zum Mitsingen
Der deutsche Gastbariton Christoph Engel hat eine beeindruckende Karriere auf den Opernbühnen und Stadttheatern der Welt vorzuweisen. Leider wurden seine Vorträge nur ungenügend angesagt. Alessandro Limentani sass für ihn am Flügel. Im ersten Block sang Engel mit prachtvollem Ausdruck das «Musica proibita», verbotene Musik von Gastalgon, und aus der «Traviata» Guiseppe Verdis «Di Provenza il mar». Es ist die Bitte des Vaters, die Liebelei zur Violetta zu beenden, der Familie zuliebe. In einem zweiten Auftritt wählte Christoph Engel neapolitanische Liedsprache: «Dicitencello vuje». Dann legte er mit kräftiger, aber differenzierter Stimmfülle ein dramatisches Schicksal aus der Zeit der französischen Revolution dar: «Nemico della patria» (Feind des Vaterlandes) ist eine italienische Oper, spielt aber in Paris.
Wer kennt nicht «Marina, Marina, Marina» des Automechanikers Rocco Granata? Hier trat mitten im Chor die Solostimme von Peter Studer hervor, gut getragen durch feinfühlige Begleitung. Zum Schunkeln gut. «Time to Say Goodbye» hat seine Wurzeln beim italienischen Barden Andrea Bocelli, erstmals vorgetragen am San Remo Festival 1995 und europaweit mit 15-mal Platin geehrt. Die stakkativen Texte wurden im Chor gut verständlich gemeistert, feierliches Schwelgen war sowieso angesagt. Enrico Caruso und Elvis Presley haben die wellige Einladung eines Fischers zu einem Bootsausflug in der kühlen Abendluft – «Santa Lucia» – aus dem malerischen Fischerhafen Borgo Santa Lucia in Neapel gesungen. Hier brillierte die ausgebildete Sopranistin Susan Vogler mit einer herrlich runden altersweichen Solostimme. Sie würde die träumerisch wehmütige Partie am Schluss des Konzertes auch als vielbeklatschte Zugabe feiern.
Höhepunkt reihte sich an Höhepunkt. «Va, Pensiero, sull’ali dorate» aus der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi ist weltbekannt als Gefangenenchor. Uraufgeführt 1842, gilt es in Italien seit 1880 als Freiheitshymne. Hier wurde der inhaltsmächtige Gesang fingerfertig am Flügel begleitet, ein triumphierendes «Arpador», ein feines «Al patire virtu» und ein diffiziles, im Raum verwehendes Echo aus dem Flügel. Jetzt kam man endlich zum Lied, das dem Programm den Namen gab: «Lachatemi cantare», von Toto Cotugno ab 1980 berühmt gemacht, nachdem Adriano Celentano ihn nicht singen wollte. «L’italiano però», ein Italiener bin ich. «O sole mio», natürlich gehörte das schon im Jahr 1898 komponierte neapolitanische Loblied an die Sonne hier ins Programm. Die zwei Baritone Andreas Senn und Walter Schröder führten gut gestützt vorne vor dem Chor die Melodie, nur sie und der Flügel, dahinter ein lächelnder Songria mit verhallendem Echo. Sie ernteten verdienten Applaus.
«Volare» und «Azzurro» als Schlussbukett
«Nel blu, dipinto di blu» wurde 1958 am San Remo Festival erstmals aufgeführt und machte Weltkarriere. Songria singt es in einem Arrangement von Giuseppe Murena. Die Zuhörer wurden einem Schnellkurs fürs Mitsingen unterzogen. Der Refrain von «Volare», wie es besser bekannt ist, wurde in den hinteren Reihen tatsächlich zumindest mitgesummt. Schliesslich der Schlusspunkt, natürlich «Azzurro» von Paolo Conte und Michele Virano. Erschien 1968 auf einer Single von Adriano Celentano. Der Titel steht für die Sehnsucht nach einer fernen Liebschaft und für das Azurblau des Sommerhimmels. Paolo Conti nahm es erst 1985 in sein Album auf. Hier war es ein herrliches Stück Italienità als Abschluss eines genüsslichen Abends.
Später im «Bistro im KiBiZi» vis-àvis wurde noch verraten, dass das nächste Projekt ein Musical sein könnte.
Songria hat den italienischen Abend am Samstag in Widen aufgeführt und am Sonntag in Wohlen. Am Sonntag, 17. März, um 17 Uhr in der reformierten Kirche Dietikon.