Totlachen
28.07.2023 WohlenHumor hilft beiden
Sommerserie «Gegensätze»: Bestatterin Karin Koch und Komiker Peach Weber
Tod und Humor sind auf den ersten Blick ein ungleiches Duo. Doch Lachen tröstet und hilft.
Stefan ...
Humor hilft beiden
Sommerserie «Gegensätze»: Bestatterin Karin Koch und Komiker Peach Weber
Tod und Humor sind auf den ersten Blick ein ungleiches Duo. Doch Lachen tröstet und hilft.
Stefan Sprenger
«Der Bestatter» ist eine Schweizer Erfolgsserie. Dabei spielt Komiker Mike Müller einen Bestatter. In der Sommerserie «Gegensätze» möchte keiner der Protagonisten die Rollen tauschen. Bestatterin Karin Koch und Komiker Peach Weber bleiben ihren Berufen treu. Im Gespräch finden beide heraus, dass Humor und Tod doch zusammenpassen. «Ohne Humor kann man gleich abtreten», meint Weber. «Lachen hat eine heilende Wirkung und hilft bei der Trauer», weiss Koch. Als Bestatterin hat sie in ihrem Job mit Menschen zu tun, die trauern. Er sollte als Komiker die Menschen zum Lachen bringen. Die Berufe sind zwar unterschiedlich und doch gibt es viele Gemeinsamkeiten.
Wie nahe Sterben und Humor beisammen sein können, zeigt ein Beispiel, das Peach Weber macht. Ein Bekannter wollte nach jahrelanger Leidenszeit sterben. «Er hatte genug», sagt Weber. Seine letzten Worte an die Sterbe-Begleiterin von Exit waren: «Wenn Sie diesen Job nicht gut machen, werde ich morgen persönlich dafür sorgen, dass Sie entlassen werden.»
Sommerserie «Gegensätze»: Karin Koch, Bestatterin, und Peach Weber, Komiker
Sie trifft Menschen, die trauern. Er bringt die Menschen zum Lachen. Beim Treffen sprechen Bestatterin Karin Koch und Komiker Peach Weber über das Jenseits, warum Humor lebenswichtig ist und warum man gerne allein ist.
Stefan Sprenger
Was kommt nach dem Tod? «Das ist mir eigentlich wurst», sagt Peach Weber – und beisst genüsslich in die Bratwurst, die er sich bestellt hat. Karin Koch meint: «Nach dem Tod geht es weiter – irgendwie.» Auch wenn sie bei diesem Thema vielleicht nicht ganz gleicher Meinung sind, verstehen sich die beiden bestens. Sie haben enorm gegensätzliche Berufe – und sind sich doch sehr ähnlich.
Wie lange kann eine Leiche aufbewahrt werden?
Zum Start des Gesprächs stossen beide mit einem Glas Prosecco an. Die bekannte Bestatterin und der bekannte Komiker, sie mögen sich auf Anhieb, ein Abtasten gibts nicht. Peach Weber will wissen, wie lange eine Leiche auf bewahrt werden kann. «Bei 0 Grad geht das bis zu 3Wochen», so Koch. Heutzutage werden aber «95Prozent» der Menschen kremiert. Weber erzählt: «Einen Teil der Asche meiner Mutter brachten wir ins Südtirol, wo sie herkam – dort liegt nun ein Teil von ihr im Familiengrab ihrer Eltern.» Koch lächelt sanft. «Ein Heimgehen.» Und fragt dann: «War die Kremation ihr Wunsch?» Weber, dessen Mutter im Alter von 79Jahren an Krebs gestorben ist, sagt: «Ja. Sie hat darüber gesprochen, was nach ihrem Tod sein soll. Meinem Vater war das egal. Ich glaube, er hat den Hinterbliebenen vertraut, dass sie dann schon das Richtige tun.»
Peach Weber hatte schon mindestens zwei Mal in seinem Leben mit dem Bestattungsinstitut Koch zu tun. Nach dem Tod des Vaters und der Mutter. Das ist schon ein paar Jahre her. Aber seine Erinnerungen an Koch sind «nur positiv», weil sie eben sehr einfühlsam war. Koch, die Bestatterin mit der liebevollen Art, dankt still – mit einem freundlichen Gesichtsausdruck – für dieses Kompliment. Und sie meint lachend, dass sie Peach Weber auch kennt. «Wer kennt ihn nicht?» Ihre Erinnerung an ihn: Lachen. Fröhlichkeit. «Er hat eine Art, die aufstellt.» Und diese hat sie auch. Mit dem Unterschied, dass Peach Webers Publikum zum Vergnügen an seine Auftritte kommt und das «Publikum» von Koch aus traurigem Grund mit ihr zusammensitzt.
Hinter dem Vorhang lauschen: «Das ist wie Meditation»
Wenn ein Mensch stirbt, dann ist Bestatterin Koch die erste Anlaufstelle. Sie regelt und koordiniert alles rund um den Tod. Mit den Angehörigen geht sie würdevoll um, voller Respekt und der nötigen Professionalität. Und doch ist Humor auch in ihrem Job wichtig. Sie sagt: «Humor verleiht Leichtigkeit und rettet viele Menschen vor tiefer Trauer. Humor hilft, diese schwierige Situation zu überleben.» Weber fügt an: «Ohne Humor kann man sowieso gleich abtreten.»
Trotz Trauer soll Humor in den schweren Zeiten des Verlusts also etwas Leichtigkeit bringen. Wie ist das umgekehrt bei Peach Weber – hat er als Komiker auch mal traurige Zeiten?
«Dass Clowns privat traurig und depressiv sind, ist ein Klischee», meint er. Wenn seine Auftritte vor Hunderten von Leuten vorbei sind und der letzte Applaus zu Ende ist, sitzt er jeweils im Backstagebereich. Allein. Aber nicht einsam. «Ich bin gerne für mich», sagt er. Er fühle sich dann nicht traurig, «eher erleichtert, dass alle zufrieden sind». Koch ist seiner Meinung, auch sie braucht in ihrem Job manchmal Zeit für sich, um alles zu verarbeiten, um nachzudenken.
Für Weber sind die schönsten Momente an seinen Shows jeweils davor und danach. Eine Stunde vor Beginn der Shows sitzt er immer hinter dem Vorhang, hört zu, wie das Publikum langsam eintrudelt und sich der Saal füllt. «Ich lausche dem Gerummel, spüre die Vorfreude, das ist wie Meditation.» Nach den Auftritten, wenn er sein Equipment zusammenräumt, spürt er eine grosse innere Zufriedenheit. «Ora et labora», nennt er das lachend. Bete und arbeite.
Nach dem Tod ist nicht fertig
Stichwort Beten. Der Glaube ist bei Koch wohl ausgeprägter. Das spürt man bei der Frage: Was geschieht nach dem Tod? Weber antwortet pragmatisch: «Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ich akzeptiere alle. Ich lasse mich überraschen.» Bestatterin Koch glaubt fest daran, dass es nach dem Sterben weitergeht. Weber sagt: «Das denke ich auch.» Er spüre manchmal auf Spaziergängen seine verstorbene Mutter. «Ich sehe einen Stein und weiss, das ist sie. Es ist schwer zu erklären.» Koch lauscht gespannt und nickt ihm ohne Worte zu, als wolle sie sagen: «Ich sehe es genauso.» Weber ist überzeugt, dass seine verstorbene Mutter immer wieder da ist und «zum Rechten schaut». Auch Koch spürt manchmal ihre liebsten Menschen, die bereits im Jenseits sind – auf unterschiedliche Art und Weise. So sagen schliesslich beide: «Es gibt nach dem Tod eine Welt, die wir nicht erklären können.» Und das ist wohl auch gut so.
Die letzte Sekunde im Leben
Weber ist sehr gespannt auf die letzte Sekunde seines Lebens. Dann, wenn anscheinend das ganze Leben an einem vorbeizieht. «Innerhalb dieser Sekunde wird wohl alles plötzlich ganz einfach. Das beruhigt. Der Glaube daran ist wundervoll.» Koch fügt an: «Ja. Wundervoll, dieser Gedanke.»
Der Vater von Peach Weber starb mit 72 Jahren, er selbst ist jetzt 70. Stimmt ihn das nachdenklich? «Nein. Wenn jemand heute mit 70 stirbt, heisst es oft: 70 ist doch noch kein Alter. Hat er geraucht, getrunken, sich zu wenig bewegt? Aber beim Tod spielen doch verschiedene Faktoren mit – Glück, Zufall, die Gene. Es gibt Menschen, die sterben mit 40 an Lungenkrebs, obschon sie nie geraucht haben. Es geht nicht nur um die Ernährung und den Verzicht. Es geht auch um die Lebensfreude.» Und er findet, dass es nicht darauf ankommt, wie alt man wird, sondern ob man wirklich gelebt hat und zufrieden war im Leben. Koch sieht das ähnlich. «Mit positiver Einstellung zum Leben kann man viel bewirken. Und wann wir am Ende diese Welt verlassen, ist bei jedem Menschen nicht vorhersehbar.» Deshalb solle man jede Lebensminute geniessen.
Beide haben eine italienische Mutter
Webers Begegnungen mit dem Publikum und Kochs Begegnungen mit den Angehörigen haben etwas gemeinsam: Beides ist enorm ehrlich. «Aus Anstand zu lachen, das geht nicht», sagt der Komiker. «Bei mir sind die Begegnungen immer sehr emotional und deshalb auch sehr ehrlich», sagt die Bestatterin.
Man ist sich einig: Die «Klienten» von Koch und Weber sind gegensätzlich, ihre Berufe unterschiedlich. Ansonsten finden die beiden sehr viele Gemeinsamkeiten. Beispielsweise bei ihrer Herkunft. «In mir brodelt es», sagt Weber. «Südländisches Temperament.» Koch lacht. «Wirklich? Bei mir auch.» Beide haben eine Mutter, die ursprünglich aus Italien stammt. «Meine Mutter ist mausarm in die Schweiz gekommen und hat sich einen f lotten Wohler Bauern geangelt», erzählt Koch. «Meine Mutter stammte aus einer Gemeinde namens Pochi im Südtirol. Ein kleines Dorf, wo der Pfarrer beim Boccia am meisten fluchte von allen», erzählt Weber. Seine Schweizer Grossmutter habe bei der Hochzeit seinem Vater die Hosen nicht gebügelt, «weil sie es nicht akzeptieren konnte, dass er eine Italienerin heiratet».
Eine weitere Gemeinsamkeit finden die beiden beim Wohler Lachfestival, das jedes Jahr im Herbst im Casino stattfindet. Peach Weber ist dort auch schon aufgetreten, sein Bruder Marcel moderierte und half mit. Und das Bestattungsinstitut Koch unterstützt den Anlass als Sponsor. Ein Bestatter als Inserent eines Lachfestivals, geht das? «Natürlich. Man kann auch über den Tod humorvoll reden, es darf einfach nicht pietätlos sein. Sterben ist ja eine normale Sache und wir alle kommen irgendwann an die Reihe», findet Weber. Koch will ihren Job «lebensbejahend» machen. Die Fröhlichkeit soll nicht vergessen gehen, was in den meisten Fällen auch geht. «Es kommt aber auf den Todesfall an.» Weber fügt an: «Wenn es nicht ein tragischer Todesfall war, ist meine Erfahrung, dass es bei einem Leidmahl nach der Trauer oft gegen den Schluss etwas heiter wird, denn das Leben muss ja weitergehen.»
Tod durch Lachen gibt es
Gibt es eigentlich Phasen, wo die Menschen vermehrt sterben? Koch überlegt: «Wetterwechsel. Vollmond. Dann sterben mehr Leute. Auch nach den Sommerferien.» Weber muss lachend. «Wirklich? Also warten sie, bis die Angehörigen aus den Ferien zurück sind. Vorbildlich.» Koch lacht und meint: «Vermutlich ist das so.» Weber erzählt erneut von seiner Mutter. Sie hat damals vor ihrem Tod gewartet, bis sie alle ihre liebsten Menschen nochmals gesehen hat. «Erst dann ist sie gegangen», sagt er. «Das gibt es öfter, als man glauben würde», weiss Koch.
Leben, Tod, Humor, Traurigkeit und Glaube. Koch stellt eine Frage, die weniger mit solch philosophischen Themen zu tun hat. «Wie wurdest du eigentlich so lustig?», fragt sie Peach Weber. In der Schule hat er unter seinen Kumpels stets Witze gemacht. «Ich habe einen Satz des Lehrers mit zwei Wörtern so umgekrempelt und vor mich hingesagt, dass alle lachen mussten.» Und so begann wohl die Karriere eines der erfolgreichen Komiker der Schweiz. «Wir haben uns damals zu Tode gelacht.» Apropos: Den Tod durch Lachen gibt es wirklich – aber sehr selten. Ein Lachanfall kann zu Herzstillstand oder Ersticken (Asphyxie) führen.
Der Witz zum Schluss
Das Treffen und das enorm angeregte Gespräch neigt sich dem Ende zu. Karin Koch und Peach Weber sprachen dabei auch über Selbstheilungskräfte (Weber: «Jeder hat die, man muss sie nur nutzen»), über den Friedhof (Koch: «Ein Ort, wo man Frieden schliesst, eine Begegnungsstätte», Weber: «Ein wunderbarer Ort, ich bin regelmässig da – und irgendwann landen wir alle dort»), über Sterbehilfe (Weber: «Ich bin Exit-Mitglied und finde das eine gute Sache», Koch: «Ich bin zwiegespalten») – oder sie sprechen über Dinge, über die man keine Witze machen sollte (Weber: «Krieg»). Der Tod gehört da übrigens nicht dazu. Bestatterin Koch sagt nochmals: «Humor ist so wichtig in allen Lebenslagen.» Und Peach Weber kommt dem Wunsch nach einem Witz zu dieser Thematik nach: «Ein Journalist des Wohler Anzeigers fragt eine 96-jährige Frau, wie sie denn so alt geworden sei. Das Grosi antwortet: Wissen Sie, ich bin aus dem Alter raus, in dem man stirbt.»
Über die Personen
Karin Koch ist 57 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie lebt in Wohlen. Sie ist Geschäftsführerin und Inhaberin des Bestattungsinstituts Koch an der Rummelstrasse in Wohlen. Zwischen 2005 und 2011 wirkte sie als Mitglied der Prüfungskommission als Expertin bei der Berufsprüfung für Bestatter. 2012 bis 2017 war sie Mitglied der Ausbi ldu ngskom m ission bei m Schweizerischen Verband der Bestattungsdienste.
Peach Weber ist 70 Jahre alt. Er ist in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in Hägglingen und ist Vater einer Tochter. Der ausgebildete Primarlehrer engagierte sich früher in der Wohler Politik und ist seit 46 Jahren als Komiker in der ganzen Schweiz unterwegs, gewann zwei Mal den Prix Walo und erreichte mit seinen Songs mehrfach Topplatzierungen der Schweizer Hitparade. Er ist mit seinem 16. Bühnenprogramm Gäxplosion auf Tournee.