Talkshow ohne Fasnacht
28.02.2025 Villmergen, Region UnterfreiamtMit dem «Villmärgerle» stellt der Kulturkreis spannende Personen vor – Nicole Kiechl und Eric Wermelinger
Traditionell lädt der Kulturkreis Villmergen zur Talkshow ein. Es folgten rund 80 Interessierte seiner Einladung ins Foyer des Schulhauses ...
Mit dem «Villmärgerle» stellt der Kulturkreis spannende Personen vor – Nicole Kiechl und Eric Wermelinger
Traditionell lädt der Kulturkreis Villmergen zur Talkshow ein. Es folgten rund 80 Interessierte seiner Einladung ins Foyer des Schulhauses Mühlematten. Moderator Jörg Meier stellte unterhaltsam die Villmerger Nicole Kiechl, Lehrerin und einstige Auswanderin, sowie Eric Wermelinger, Software-Entwickler und Mathegenie, vor.
Britta Müller
Eigentlich beherrscht zurzeit die Fasnacht das regionale Geschehen – bislang auch die Talkshow «Villmärgerle», von der ein Termin meistens immer in die Fasnacht fiel und damit das Thema aufgriff. «In diesem Jahr soll es auf mehrfachen Wunsch anders sein», verkündete Moderator Jörg Meier und versprach «es gibt nix zur Fasnacht». Mit den beiden Gästen Nicole Kiechl und Eric Wermelinger, die im legeren Outfit die Bühne betraten, schien es so, dass er sein Versprechen halten könnte.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass der Themenschwerpunkt im Wissen und dessen Anwendung liegen würde und doch offenbaren sich weitere neue Welten, die jeden Menschen zu etwas ganz Besonderem machen und uns doch irgendwie miteinander verbinden – vielleicht auch mit der Fasnacht.
So auch bei Nicole Kiechl und Eric Wermelinger. Sie ist Lehrerin an der Primarschule in Othmarsingen, er ist Software-Entwickler bei einem Unternehmen in Lenzburg. Was das Besondere der beiden ausmacht, kitzelte Moderator Jörg Meier charmant, behutsam und doch direkt heraus.
Kanada und Ukraine
Nicole Kiechl ist in Mägenwil gross geworden und wohnt heute mit ihrer Familie in Villmergen. Sie probiert offensichtlich gerne neue Dinge aus. So eröffnete sie in Villmergen ein Bed & Breakfast, obwohl der Ort nicht gerade zu den touristischen Hotspots der Schweiz gehört. Vor allem durch die Zimmerbuchung von Monteuren oder Gästen zu Familienfeiern funktionierte die Idee aber doch. 2019 wagte sie den nächsten mutigen Schritt. Aufgrund eines Jobangebots an ihren Mann, wanderte die Familie nach Vancouver in Kanada aus. «So eine Möglichkeit bekommt man nicht oft angeboten», erklärt sie.
Auch wenn Kanada sich als offen und interessiert zeigte, die Natur zwar grösser, aber genauso schön wie in der Schweiz ist, war das Heimweh nach der Familie ausschlaggebend, um nach zweieinhalb Jahren wieder zurück in die Heimat zu kommen.
Sie wohnen nun in Villmergen, schätzen die Infrastruktur und kurzen Wege und die Nachbarschaft in einem schönen Quartier. Kaum hier und angekommen, machte die grosse Weltpolitik vor Nicole Kiechl nicht halt. Spontan beschlossen sie und ihr Mann, einer dreiköpfigen Familie aus der Ukraine ein Dach über dem Kopf anzubieten.
Neue Lösungswege entwickeln
Heute wird die Kindergärtnerin und Primarlehrerin für die Schulische Heilpädagogik an der Unterstufe in Othmarsingen eingesetzt. Das bedeutet, sie unterrichtet, fördert und begleitet Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf, der von einem sehr niedrigen bis zu hochbegabten Lernniveau sein kann.
Ein anspruchsvoller Job – was reizt sie daran? «Es sind immer neue Herausforderungen, wofür Lösungswege entwickelt und ausprobiert werden», erklärt sie «und es freut mich umso mehr, wenn wir damit Lernerfolge bei den Kindern mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen erzielen können.» Dazu berichtet sie, dass die einst ausgeschriebene Stelle nicht besetzt wurde – sie sich aber mit der Zeit dieser Aufgabe angenommen hat. Es zieht sich also wie ein roter Faden durch ihr Leben – immer wieder unerwartete und ungewöhnliche Herausforderungen anzugehen und auszuprobieren.
Zauberwürfel mit verdeckten Augen lösen
Vielleicht war der Villmerger Eric Wermelinger auch einmal so ein Kind mit besonderem Bildungsbedarf. Schon früh erkannten die Eltern und sein Umfeld, dass er beim Sammeln von Panini-Stickern eine besondere Begabung im Aufbau von Wissen hatte. Er konnte Muster, Strukturen und Abläufe erkennen, um sich mit den Panini-Bildern wildfremde Fussballspieler und ihre Vereine zu merken. Sein Wissensdurst war nicht zu löschen – egal ob in Mathe oder Biologie. Schulische Niederlagen? «Gab es für mich wenige», sagt er schmunzelnd, «im Vergleich reichte es für mich, einen Tag vor der Prüfung zu lernen – wenn überhaupt.»
Er selbst glaubt nicht, etwas Besonderes zu sein – womit er sein Licht gewaltig unter den Scheffel stellt. Denn wer den Zauberwürfel, auch Rubik’s cube genannt, mit verdeckten Augen lösen kann, darf sich schon selbstbewusst zu den aussergewöhnlich Talentierten zählen. Wurde er dafür nicht gemobbt? «Es gibt immer zwei Möglichkeiten: sein Talent für sich selbst zu gebrauchen oder bewusst dafür einzusetzen, um anderen damit zu helfen und damit einer von ‹ihnen› zu sein», sagt Wermelinger verschmitzt.
Französischen Poetry Slam entdeckt
Wenn auch naheliegend, reizte ihn die Kanti aber weniger. Er wollte eine Ausbildung zum Informatiker machen. Damit nicht genügend ausgelastet, absolvierte er dann doch noch parallel die Berufsmatur und nahm ausserdem erfolgreich an Mathematik-Wettbewerben teil. Heute arbeitet er in Lenzburg, studiert in Luzern, wohnt nach wie vor in Villmergen und macht mit seinem Wissen und seiner Erfahrung den Wettbewerbsnachwuchs als Coach für die «Mathe-Olympiade» fit.
Für sich selbst hat er den Poetry Slam entdeckt. Dabei handelt es sich wieder um einen Wettbewerb, bei dem selbst verfasste Texte durch Doppeldeutigkeiten und Wortspielereien in einer bestimmten Zeit vorgetragen werden. Und obwohl das an sich schon herausfordernd genug ist, setzt Eric Wermelinger für sich noch eins drauf: Er nimmt an französischen Poetry Slams teil. Für die «Villmärgerle»- Talkshow trägt er spontan eine kleine, humorvolle, in Deutsch gesprochene Kostprobe mit dem Titel «Sport ist Mord» vor, die mit grossem Applaus beschenkt wird.
Am Ende haben die Talkshow-Zuschauer zwei neue besondere Persönlichkeiten aus Villmergen kennengelernt und dabei über deren bisherige Lebenswege, Mut, Können und Talente staunen können.
Und es gab doch noch ein bisschen Fasnacht an der Talkshow. Auf die Frage, was Eric Wermelinger in Villmergen besonders gut gefällt, antwortete er spontan: «Den Zusammenhalt und die Aktivitäten der örtlichen Vereine inklusive der Fasnacht.» Ein leises Raunen geht durch das Schulfoyer. Für den Kulturkreis als auch für Moderator Jörg Meier ist das vielleicht eine dezente Erkenntnis. Eine Talkshow in der närrischen Zeit geht einfach nicht ohne Fasnacht.