Celeste Blanc, Redaktorin.
Jahrelang war sie einfach da gewesen, diese ganz besondere Energie. Dinge zu reissen, die Nacht zum Tag werden zu lassen. Am Puls der Zeit zu leben, die neusten Trends zu kennen. Und nach einer durchzechten Nacht ohne ...
Celeste Blanc, Redaktorin.
Jahrelang war sie einfach da gewesen, diese ganz besondere Energie. Dinge zu reissen, die Nacht zum Tag werden zu lassen. Am Puls der Zeit zu leben, die neusten Trends zu kennen. Und nach einer durchzechten Nacht ohne Kater aufzustehen, war an sich auch ganz famos. Ach, wie geil doch die 20er waren.
«Geniess es, das wird nicht immer so sein», mahnte mich meine Mutter. «Auch du wirst älter. Und das schneller, als dir lieb ist.» Sie behielt natürlich recht. Plötzlich war er da, dieser Tag X, an dem ich realisierte, dass sich etwas verändert hatte. An dem ich am Konzertabend auf einmal nicht mehr in der vordersten Reihe tanzte, sondern die Musik zuhinterst bei reichlich Platz genoss. An dem mir der sonst so widerwärtige Rotwein plötzlich unverhofft gut schmeckte. An dem ich im Zug total «lost» (ahnungslos) war, weil ich die Jugendlichen nicht mehr verstand. Spätestens da fiel mir wie Schuppen von den Augen: Scheisse, meine Jugend ist vorbei. Ich bin alt geworden.
Jänu, was solls. So ist das Leben, oder? Und wie bei so vielem kommt es auch beim Altern auf die Haltung an: Trübsal blasen ist nicht, weitermachen wie bisher lautet die Devise. Deshalb raffe ich mich regelmässig für Konzertbesuche auf, obwohl mir die Couch verlockender scheint. Tanze samstags in den Clubs bis in die frühen Morgenstunden, obwohl ich sonntags eigentlich lieber gärtnern will. Und spiele noch immer Fussball, auch wenn die Luft für 90 Minuten schon längst nicht mehr reicht.
Unbeirrt lote ich meine Grenzen aus und merke, dass das Altern auch seine Vorteile bringt. So erst kürzlich im Trainingslager, als ich – nach vielen Jahren des Pausierens – mit vier Teenagerinnen an der Hamburgertaufe offiziell in die Mannschaft aufgenommen wurde. Zwar lag es für mich nicht drin, Songs von Apache zu rappen. Weder wusste ich um die neusten Tiktok-Trends Bescheid, geschweige denn, sie zu imitieren. Doch dass ich doppelt so alt war, kam mir auch zugute: Beim Nichtbestehen der Aufgaben gab es zur Strafe einen Kurzen – und da ich die einzige volljährige zu Taufende war, wurden mir auch jene zuteil, die eigentlich für meine Teamkolleginnen gedacht waren. So wurde dieser Abend trotz Pleite doch noch ganz amüsant für mich. Und das dank meinem Alter. Es hat eben alles sein Gutes.