STROHFÜÜR
17.03.2023 Wohlen, Kolumne, MeinungenKinos sind doch beliebt. Und den Schweizer Kinos geht es langsam wieder besser. Im letzten Jahr ist die Besucherzahl gegenüber dem Coronajahr 2021 um 62 Prozent angestiegen, vermelden die Kinobetreiber. Es waren total 8,2 Millionen Menschen, die sich im Jahr 2022 einen Streifen in einem ...
Kinos sind doch beliebt. Und den Schweizer Kinos geht es langsam wieder besser. Im letzten Jahr ist die Besucherzahl gegenüber dem Coronajahr 2021 um 62 Prozent angestiegen, vermelden die Kinobetreiber. Es waren total 8,2 Millionen Menschen, die sich im Jahr 2022 einen Streifen in einem Kino angeschaut haben. Diese Zahl kommt zwar nicht an die Vor-Corona-Zeit heran. Aber immerhin ist die Steigerung ein recht gutes Zeichen. Hoffentlich auch für das frühere Kino Rex in Wohlen. Der Umbau und die Erweiterung sind nach wie vor unterbrochen. Der Besitzer hat jedoch versprochen, dass die Bautätigkeiten wieder aufgenommen werden. Das wäre schön für Wohlen. In der Schweiz gibt es aktuell 617Kinosäle (seit 1967 war diese Zahl nie mehr so hoch). Auch diese Marke darf gesteigert werden – am liebsten ebenfalls in Wohlen.
Die Schweiz und Europa – diese Beziehung ist ein Auf und Ab. «Beziehung kompliziert», wie es heute wohl in den Sozialen Medien heissen würde. Dabei verbindet die beiden Streithähne – mal abgesehen von ihrer geografischen Lage und der gemeinsamen Vergangenheit – laut dem berühmten Schweizer Historiker Jean-François Bergier eine weitere, ganz wesentliche Sache: nämlich der Kanton Uri. Gemäss griechischer Mythologie hat der Göttervater Zeus, verwandelt in einen Stier, die schöne Prinzessin Europa in ein fernes, unbekanntes Land «geraubt», wo er sie liebestrunken ganz allein für sich haben wollte. Und hat damit dem alten Kontinent seinen Namen gegeben. Auf der anderen Seite hat Uri seit ungefähr 1231 einen Stierkopf im Wappen. Auch für Historiker Jakob Tanner, der am Kantiforum über die Geschichte der Schweiz und Europas sprach, kann Bergiers Entdeckung kein Zufall sein: «Wäre es möglich, dass die entführte Europa in die Schweizer Alpen gelangt ist, wo sie immer noch auf ihre Befreiung wartet?» Das würde zumindest eine Erklärung für die Reibereien zwischen der Confoederatio Helvetica und dem Rest des Kontinents liefern.
Eigentlich gibt es keine dummen Fragen. Aber sehr wohl unüberlegte. Das bewies ein Schüler der Kanti Wohlen in der an das Referat von Jakob Tanner anschliessenden Fragerunde. «Hitler war ja schlecht. Aber abgesehen von seinen Schandtaten ein guter Führer. Könnten Sie sich ihn für die heutige Schweiz vorstellen, so als Abwechslung?», fragte er den Historiker. Tanner, im ersten Moment zwar perplex, wusste gekonnt darauf zu reagieren. «Ich nehme Ihre Fragestellung jetzt mal ernst», so der renommierte Wissenschaftler. Grundsätzlich sei er immer offen dafür, in der Geschichtswissenschaft experimentelle Gedankengänge zu vollziehen. «Und obwohl ich somit einen ganz grossen Toleranzspielraum habe, ist eine Führerfigur, wie Hitler es gewesen ist, natürlich heute unvorstellbar.» Hitler und das Dritte Reich seien eine historische Katastrophe gewesen. «Darüber müssen wir immer wieder nachdenken. Auch, um zu verhindern, dass ebensolche Menschen heute Resonanz finden. Das Schicksal der Welt hängt davon ab.» Immerhin hatte die Frage etwas Gutes: Einerseits zeigte sich, dass tatsächlich eine Geschichtsvergessenheit grassiert – und somit nie genug über historische Katastrophen gesprochen werden kann. Andererseits waren all jene, die während des Vortrags nicht aufmerksam zugehört hatten, spätestens ob dieser Frage definitiv wieder geistig anwesend. --dm/cbl