Routine wird es nie
14.11.2025 Boswil, Region OberfreiamtDas Hilfsprojekt «Bridge» in Sri Lanka feiert 20-Jahr-Jubiläum
Der verheerende Tsunami in Südostasien 2004 stand am Anfang ihres Engagements. Reinhard Strickler und Franziska Schiltknecht bauten in Sri Lanka eine Schule für angehende Schreiner ...
Das Hilfsprojekt «Bridge» in Sri Lanka feiert 20-Jahr-Jubiläum
Der verheerende Tsunami in Südostasien 2004 stand am Anfang ihres Engagements. Reinhard Strickler und Franziska Schiltknecht bauten in Sri Lanka eine Schule für angehende Schreiner auf. Rund 300 junge Männer aus armen Verhältnissen konnten seither dank ihnen diesen Beruf erlernen.
Annemarie Keusch
Im Koffer hatte es kaum Platz für alles. Für den handgeschnitzten Elefanten. Für die vergoldete Urkunde. Geschenke hatten Franziska Schiltknecht und Reinhard Strickler ganz viele im Gepäck, als sie am Sonntag von ihrer Reise nach Sri Lanka wieder in Boswil ankamen. «Überwältigend», sagen sie. «Immer wieder.» Obwohl vieles wie immer war. Rund 20-mal reisten sie in den letzten 20 Jahren nach Sri Lanka. «In den ersten Jahren mehrmals pro Jahr, während der Pandemie und dem dortigen Staatskrise hingegen nicht», erklärt Franziska Schiltknecht. Sie haben schon viele Abschlussfeiern ihrer Schreinerschule besucht. «Trotzdem, Routine wird es nie.» Auch wenn sie mittlerweile wissen, was sie erwartet. Motivation und Energie tanken sie jedes Mal wieder aufs Neue.
Aufregend sei es gewesen. Zwei Wochen verbrachten die beiden in Sri Lanka. Sie unternahmen mit den Lernenden auch einen Ausflug in den Norden der Insel. «Die jungen Männer sangen durchgehend im Bus. Ein richtiges Käferfest», erzählt Franziska Strickler. Ausflüge sind für sie, die alle aus ärmlichen Verhältnissen kommen, nichts Alltägliches. «Das mit ihnen zu erleben, ihre Freude zu sehen, das hinterlässt Eindruck.» Gleiches gilt für das, was die jungen Männer in den rund zehn Monaten an der Schreinerschule gelernt haben. Die Abschlussarbeiten sind vielfältig: Tische, Stühle, Schränke. «Und der Stolz in ihren Augen», sagt Reinhard Strickler. An der Zeremonie am Ende der Ausbildung sind sie wenn immer möglich dabei. Traditionell sei diese, mit Willkommenstee und dem Entzünden einer Öllampe. Mit Gesang und vielen Reden. «Rund drei Stunden dauert es.»
Viele erfolgreiche Lebensgeschichten
20 Jahre. So lange gibt es die Schreinerschule in Matale bereits. «Bridge» heisst das Hilfsprojekt, das Schiltknecht und Strickler dafür gründeten. Mittlerweile sind sie als Verein engagiert. 300 junge Männer haben dank ihnen eine Ausbildung absolvieren können. Dass zur Jubiläumsabschlussfeier auch Absolventen des ersten Jahrgangs kamen, freute sie besonders. Thushan Wijekoon ist eines von vielen positiven Beispielen. Der einstige Schreinerlehrling ist mittlerweile selbst Lehrmeister. «In einer Schreinerschule, die ebenfalls von einem Schweizer geleitet wird», weiss Reinhard Strickler. Der Stolz ist den beiden anzusehen. «Viele der jungen Männer sind immer noch im Beruf tätig und können ihre Familien damit ernähren.» Auch wenn das Handwerk in Sri Lanka nicht wirklich angesehen ist. «Warum? Keine Ahnung. Das ist wohl kulturbedingt so.» Eine Zukunft bietet dieser Beruf den jungen Männern aber allemal.
Seinen Ursprung hat das Projekt der beiden Boswiler im Tsunami von Weihnachten 2004. Reinhard Strickler reiste mit Freunden und einer Hilfslieferung an Kleidern und Schuhen mit nach Sri Lanka. Zwar war er schockiert ob der im Inselstaat herrschenden Korruption. Aber er sah auch, wie notwendig es war, hier zu helfen. «Alle monierten, dass im Land die Handwerker fehlen, um das Zerstörte wieder aufzubauen.» Als Schreiner sah Strickler hier sofort eine Möglichkeit, zu helfen. Noch vor Ort knüpfte er Kontakte zu den jetzigen Partnern. Um das längst marode Gebäude in eine funktionierende Schreinerschule umzubauen, unterstützte die Glückskette damals.
Anfangs waren es junge Männer aus Familien, denen der Tsunami besonders viel zerstörte, die in nur drei Monaten die Grundzüge des Schreinerhandwerks lernten. «Damit diese Familien möglichst schnell ihre vorherige Existenz wieder aufbauen können», erklärt Strickler. Mittlerweile dauert die Ausbildung knapp ein Jahr.
Dass sie jungen Männern aus armen Verhältnissen offensteht, das ist gleich geblieben. Dass die Jugendlichen während der Ausbildung in der Schule leben, ebenfalls.
Ende naht, ist aber nicht definiert
Dass sie 20 Jahre später dastehen und von ihrem Projekt erzählen, das hätten sie in den Anfängen nicht für möglich gehalten. «Natürlich sind wir stolz», sagen die beiden. Aber nur ihr Verdienst sei es nicht. «Wir haben vor Ort ganz viele tolle Menschen», betont Reinhard Strickler. Menschen, die längst Freunde geworden sind. Menschen, die mit gleich viel Hingabe und Herzblut am Werk sind, wie sie. Franziska Schiltknecht und Reinhard Strickler sind im Hintergrund tätig und kümmern sich in erster Linie um die Finanzierung. Rund 30 000 Franken kostet ein Schuljahr. «Es wird immer schwieriger», gestehen sie.
Es ist aber nur am Rande ein Grund dafür, dass sich «Bridge» und damit die Schreinerschule in Matale einem Ende nähern. «Wir werden nicht jünger», sagt Franziska Schiltknecht. Auch der Lehrmeister vor Ort sei 67-jährig. Ein definitives Ende sei nicht festgesetzt, das nächste Schuljahr gesichert. «Wir sind auch nach wie vor froh und dankbar um jede Spende», betonen sie. Das Aber ist quasi hörbar. Die Unterkunft für die Lehrlinge sei sanierungsbedürftig. «Diesen Zusatzeffort können und wollen wir nicht mehr leisten.» Das Projekt zu übergeben, haben sie versucht. «Das ist nicht einfach, weil es doch etwas sehr Persönliches ist.» Reinhard Strickler spricht von einer Art Lebenswerk. «Zu merken, dass man auf der Welt wirklich etwas verändern kann, das hat uns immer motiviert.»
In einem Jahr reisen Reinhard Strickler und Franziska Schiltknecht zum Abschlussfest des 21. Jahrgangs ihrer Schule. Wie es dann weitergeht, ist offen. «Sri Lanka ist ein so tolles Land – die Natur, die Menschen», sagt Franziska Schiltknecht. Das Land entwickle sich. «Aber die Schere zwischen arm und reich ist gross.» Die Unterstützung sei nach wie vor notwendig. «Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass jemand unser Projekt übernimmt.» Aufgegeben haben sie schliesslich in den 20 Jahren nie.
Mehr Infos: www.bridge-sl.ch.

