«Politik spielt hier keine Rolle»

  14.11.2025 Schule, Politik, Mutschellen

Mit Ordnung und Führung

Interview mit Andreas Glarner

Die Kreisschule Mutschellen sorgte immer wieder mit negativen Schlagzeilen für Aufsehen. Nun soll es SVP-Hardliner Andreas Glarner richten. Auch das schlug hohe Wellen. Mit seinen Führungsqualitäten als Unternehmer möchte der neue Vorstandspräsident für Ordnung sorgen, «aufräumen», wie er sagt. Der Schule fehle es an operativer Führung und an Struktur. --sab


Interview mit Andreas Glarner zu seinem Start als Vorstandspräsident der Kreisschule Mutschellen

Seit Jahren steht die Kreisschule Mutschellen in der Kritik. Ständige Führungswechsel, kriminelle Aktivitäten und unzufriedene Lehrer. SVP-Nationalrat Andreas Glarner soll dies nun richten und die an die Wand gefahrene Schule wieder sanieren. Er ist überzeugt: «Was es jetzt braucht, ist Führung. Und das kann ich.»

Sabrina Salm

Herr Glarner, ist es Ihnen in der Politik zu langweilig geworden?

Andreas Glarner: Nein, absolut nicht.

Und warum haben Sie dann das Amt als Vorstandspräsident der Kreisschule Mutschellen (KSM) angenommen?

Die Kreisschule Mutschellen kenne ich natürlich schon lange. Meine Töchter gingen und die Kinder meiner Partnerin gehen hier zur Schule. Die KSM ist mir wichtig. Sie hat Probleme, die jetzt dringend aufgeräumt werden müssen. Da will ich mithelfen.

Es dürfte aktuell wohl einfachere Aufgaben geben. Warum halten Sie Ihren Kopf hin?

Weil ich Herausforderungen mag und ich mich gerne dort einsetze, wo es schwierig ist. Ich bin mir bewusst, dass ich mir mit der Aufgabe etwas Grosses aufgeladen habe. Wenn es mir gelingt, die Schule auf Vordermann zu bringen, werden wir das kaum hören. Wenn es mir nicht gelingt, werde ich in die Pfanne gehauen. Aber das ist mir egal. Ich bin mir sicher, dass es gut kommt. Jetzt habe ich mit dem neuen Schulleiter Florian Stähli auch eine super Entlastung. Wir harmonieren und wollen die Schule neu aufstellen.

Warum sind gerade Sie die richtige Person für diese Aufgabe?

Gegenteilig zu dem, was behauptet wurde, habe ich einen pädagogischen Hintergrund. Ich verfüge über einen Abschluss der Pädagogischen Hochschule Zürich in Erwachsenenbildung, habe an der Baugewerblichen Berufsschule Zürich Lehrerfahrung gesammelt und habe als Chefexperte und Mitglied der Prüfungskommission Haustechnik des Kantons Zürich gewirkt. Allerdings ist für diesen Job als Vorstandspräsident der pädagogische Hintergrund zweitrangig. Es ist gut, wenn man auch darüber Bescheid weiss. Aber was es jetzt braucht, ist Organisation und Führung. Beides kann ich. Und das habe ich schon mehrmals bewiesen. Viele Personen haben mir zu meiner Anstellung an der KSM gesagt «Toll, dass du das machst» und «Wenn es einer schafft, dann du». Das ist eine Anerkennung an mich als Unternehmer, der schon zwei Firmen aufgebaut, erfolgreich geführt und verkauft hat. Es wird auch gewürdigt, dass ich in meiner Zeit als Gemeindeammann von Oberwil-Lieli die Entwicklung des Dorfes mitgeprägt habe.

Sie mussten gegen Ihre Anstellung beziehungsweise Person aber auch viel Kritik einstecken.

Das bin ich mir gewohnt. Das ist aber etwas anderes. Ich bin hier nicht als Politiker im Einsatz. Das Einzige, was man vielleicht kritisieren kann, ist, dass wir die Schule nun wie ein Unternehmen aufbauen.

Ruhe soll an der KSM einkehren. Ihre Wahl sorgte aber für Aufsehen. Keine optimale Grundlage, um die Schule in ruhigeres Gewässer zu führen.

Das ist so. Leider wird diesbezüglich zu viel politisiert. Beispielsweise mit der Beschwerde der SP Mutschellen-Kelleramt.

Die Ortspartei fordert in ihrer Beschwerde die Annullierung Ihrer Wahl. Haben Sie schon etwas vom Kanton gehört?

Nein, noch nicht. Voraussichtlich wird man in diesem Jahr auch nichts mehr hören. Ich arbeite unbeirrt weiter.

Wegen Aktionen in der Vergangenheit wirft die SP Mutschellen-Kelleramt Ihnen fehlende Vorbildfunktion und Respektlosigkeit gegenüber den Lehrpersonen vor.

Was kann man mir hier vorwerfen? Etwas, was entfernt mit Schulen zu tun hatte, war die Geschichte mit der Telefonnummer einer Lehrerin, die ich veröffentlich habe. Es handelte sich aber explizit um ein Schulhandy, bei dem die Nummer sowieso schon öffentlich war. Dies alles hat überhaupt keinen Bezug zur KSM.

Wie sehen das die Lehrpersonen?

Als ich als Vorstandspräsident vorgestellt wurde, habe ich vom blanken Entsetzen zu purer Neugierde alles gesehen. Aber die Lehrpersonen geben mir die Chance, mich ihnen als Führungskraft, Unternehmer und Mensch, und nicht einfach als Politiker Glarner, bekanntzumachen. Wie gesagt, Politik spielt hier keine Rolle. Bisher habe ich mit keiner Lehrperson politisiert und das suche ich auch nicht. Wir haben hier ganz andere Probleme zu lösen. Ich habe sehr engagierte Lehrkräfte kennengelernt, die einfach mitziehen und sagen: Auf das haben wir gewartet.

Worauf gewartet?

Darauf, ernst genommen und geführt zu werden. Wir akzeptieren, dass sie in den Klassenzimmern die Chefs sind. Meine Aufgabe als Präsident ist, ihnen dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Drive ist nun ein ganz anderer. Man merkt, wir wollen den Karren gemeinsam aus dem Sumpf ziehen.

Die Kreisschule Mutschellen begleiteten in den letzten Jahren üble Schlagzeilen von Massenkündigungen über Drohungen bis hin zu Gewalt. Ist es wirklich so schlimm?

Teilweise. Ich finde jedoch, dass vieles aufgeblasen wurde und so für die Medien ein gefundenes Fressen war. Natürlich gib es einiges, was schiefläuft. Das Schlimmste war der Brief des Berufsverbands für Lehr- und Fachpersonen «Bildung Aargau», der leider nicht öffentlich ist. Dort ist die KSM überhaupt nicht gut weggekommen. Auch die kantonale Schulaufsicht hat die Kreisschule Mutschellen bei der Schulevaluation schlecht bewertet. Dieser Bericht war zuerst nur auf dem Schulsekretariat einsehbar. Wir haben ihn nun auf der Schulhomepage veröffentlicht, denn die schonungslose Offenheit ist uns wichtig.

Was wurden bemängelt?

Besonders die Schulführung. Sowohl die kantonale Aufsicht als auch Bildung Aargau fragten sich: Was macht ihr eigentlich da oben?

Teilen Sie diese Ansicht?

Ja, es war eine Schule ohne operative Führung. Inzwischen sind drei von drei Schulleitern krankheitsbedingt weg. In wenigen Jahren kam es zu mehreren Führungswechseln. Die Struktur fehlte. Ausserdem wurde vieles vernachlässigt und man schob es vor sich her, sodass die Schule in einem maroden Zustand, auch äusserlich, war. Überall Graffiti, ungemähtes Gras, lockere oder fehlende Steinplättchen am Boden in den Gängen.

Was führte dazu, dass die Kreisschule in diese Schieflage geriet?

Zunächst möchte ich sagen, dass die Gemeinderäte sich extrem reingekniet haben, um die KSM wieder auf Kurs zu bringen und Missstände zu korrigieren. Sie haben nach der Taskforce wieder übernommen und haben Bereitschaft gezeigt, dass man künftig einen Präsidenten hat, der die vier Verbandsgemeinden repräsentiert. Ich finde, das haben sie gut aufgegleist und muss man ihnen auch verdanken. Jetzt kann man wieder vorwärtsgehen. Die operative Leitung war jedoch masslos überfordert, klare Zuständigkeiten fehlten. Führen heisst vorleben und das wurde nicht getan.

Jetzt sind Sie am Ruder. Wo haben Sie zuerst eingegriffen?

Mein Motto für die ersten 100 Tage ist «Luegä, losä, laufä». Ich habe bereits viele Gespräche mit Lehrpersonen, dem Vorstand, Gemeindebehörden oder dem Gewerbeverband geführt. Als Nächstes möchte ich auch mit Schülern sprechen und ihre Sicht einbeziehen. Ausserdem haben wir uns bereits dem äusseren Erscheinungsbild an der Schule gewidmet. Wir haben zu einer graffitifreien Schule ausgerufen und alle unerwünschten Schmierereien entfernt. Auch die überflüssigen Veloständer wurden weggenommen, um dort eine bessere Durchfahrt und Sicht zu erhalten, was auch mehr Sicherheit für die Jugendlichen bietet. Die Beseitigung von baulichen Mängeln gehört dazu, wenn wir die KSM wieder auf Vordermann bringen wollen. Wir konnten mit Florian Stähli die Schulleitungsstelle besetzen und neu ist auch das Prinzip der offenen Türen. Wer Fragen hat, kann sich immer an mich oder den Schulleiter wenden.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir sind an so vielen Sachen zusammen dran. Das geht zum Beispiel bis zur Ausarbeitung neuer Wartungsverträge, die bisher völlig überzahlt wurden, oder der Optimierung der Abläufe für das Tagesgeschäft. Zum Wandel beitragen sollen auch schnelle Konsequenzen und Disziplinierungen.

Was heisst das konkret?

Bei falschem Handeln der Jugendlichen müssen Konsequenzen schnell folgen. Mit der Schulsozialarbeit erarbeiten wir einen Leitfaden, damit Disziplinierungen von allen gleich gehandhabt werden. Weiter haben wir ein Konto «Vandalenakte» eingerichtet, zu welchem monatlich rapportiert wird. Die diesem Konto belasteten Beträge werden unter Umständen bei Beiträgen für Klassenlager oder Ähnlichem abgezogen. Den Vandalismus müssen wir in den Griff bekommen. Wenn es sein muss mit drastischeren Massnahmen.

Das hört sich so an, als seien Mutscheller Jugendliche besonders schlimm?

Das würde ich so nicht sagen. Die heutige Jugend ist per se nicht schlecht, es fehlt ihr einfach an Disziplin. Viele lernen es leider nicht zu Hause. Mit Vandalen haben auch andere Schulen zu kämpfen.

Was wollen Sie als Vorstandspräsident noch ändern?

Die Struktur muss jetzt angepasst werden. Damit wir auch bei Lehrerausfällen auf Personal zugreifen können. Das Personal fehlt. Nicht nur an der Kreisschule Mutschellen. Es gibt da auch durchaus Sachen, die wir mit Regierungsrätin Martina Bircher besprechen müssen, zum Beispiel das ALSA-Tool. Das ist ein einheitliches Administrationssystem, das unter anderem die
Schulen mit einem Lehrerpool verbindet. Das ist jedoch viel zu kompliziert. Wir brauchen schnelle Lösungen, um Lehrkräfte einstellen zu können ohne den ganzen Zirkus. Weiter muss die Anstellung Schulleitung neu aufgegleist werden. Diese Personen müssen wie in der Privatwirtschaft und nicht mehr im öffentlichen Dienst eingestellt werden.

Warum das?

Um den Schulbetrieb zu sichern. Es gibt genügend schwarze Schafe, die krankfeiern, und solche bringt man dann fast nicht mehr vom Arbeitsvertrag raus. Bei Kündigungen im öffentlichen Dienst braucht es immer zahlreiche Ermahnungen und Abmahnungen. In der Privatwirtschaft ist das nicht so. Es kann nicht sein, dass man dann jemanden behalten muss, der nicht gut ist. Das demotiviert jene Mitarbeitenden, die ihren Job richtig und gut machen. Und vor allem ist es sehr kostenintensiv. An dieser Schule reden wir von mehreren Hunderttausend Franken, die es die Verbandsgemeinden in diesem Jahr mehr kosten wird.

Also doch wieder Politik. Eine solche klare Trennung kann man eben nicht machen.

Doch das kann man. Natürlich braucht es politische Grundlagen, damit sich etwas ändern kann. Unsere Schulen müssen allgemein wieder auf Vordermann gebracht werden. Nicht nur die KSM. Da ist mein guter Draht zur Fraktion im Kantonsparlament sicherlich kein Nachteil.

Zurück zum Lehrermangel. Die KSM müsste wohl zuerst als Arbeitgeberin an Attraktivität gewinnen.

Das ist schon passiert. Zumindest spüren wir grosse Unterstützung unter anderem von ehemaligen pensionierten Lehrern, die der KSM ebenfalls helfen wollen und ihre Dienste anbieten.

Wann gedenken Sie denn, die KSM wieder im Griff zu haben?

In einem Jahr wollen wir sagen können: Jetzt ist die Schule wieder vorzeigbar.

Was ist das klar definierte Ziel?

Die Schule soll wieder zum Leuchtturm werden und Vorbild für andere sein. So, dass man wieder stolz ist, an diese Schule zu gehen oder hier zu unterrichten. Die Jugendlichen sollen ein Gefühl entwickeln von «Das ist unsere Schule, da machen wir sicher nichts kaputt». Jede und jeder soll Chancen auf eine gute Bildung im Rahmen seiner Möglichkeiten haben.

Ihr Engagement braucht mehr Ressourcen als die Prozente, zu denen Sie angestellt sind.

Das stimmt. Den zusätzlichen Aufwand nehme ich aber unentgeltlich auf mich. Ich verbuche das als Lernprozess.

So bleibt auch weniger Zeit für Ihre sonstige politische Arbeit als Nationalrat oder SVP-Präsident Aargau.

Richtig. Aber die Kreisschule Mutschellen hat im Moment einfach Priorität. Im Konfliktfall geht die KSM immer vor.

Sie halten sich also zurzeit politisch eher zurück?

Sehen Sie, egal was ich jetzt politisch vorbringen werde, wird es immer so gedreht, dass es auf meine Tätigkeit in der KSM und die Schule selbst zurückfällt. Das gilt es zu vermeiden. Ein Jahr wird die Politik das schon aushalten.

In zwei Jahren sind wieder Nationalratswahlen, dann sind Sie im Pensionsalter. Treten Sie da nochmals an, wann entscheiden Sie sich allenfalls?

Das muss ich mir wirklich gut überlegen. Es ist wichtig, dass junge Kräfte nachrücken. Den Entscheid werde ich zu gegebener Zeit fällen.


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