Planungszone Steingasse
28.04.2023 WohlenGemeinderat fällt wichtigen Entscheid
Abreissen oder Erhalt? Die beiden alten Häuser an der Steingasse, ums Jahr 1800 erbaut, erregten in den letzten Monaten die Gemüter in Wohlen. Widerstand gegen den Abbruch, politische Vorstösse und eine Initiative waren ...
Gemeinderat fällt wichtigen Entscheid
Abreissen oder Erhalt? Die beiden alten Häuser an der Steingasse, ums Jahr 1800 erbaut, erregten in den letzten Monaten die Gemüter in Wohlen. Widerstand gegen den Abbruch, politische Vorstösse und eine Initiative waren die Folge. Nun hat der Gemeinderat entschieden: Die Steingasse wird zur Planungszone. Damit ist der Abbruch vorübergehend vom Tisch. Der Gemeinderat lehnt auch die Initiative ab, welche die Rettung der Häuser fordert. Erst braucht es eine neue Betrachtung.
Entwicklung neu festlegen
Gemeinderat fällt Entscheid betreffend Zukunft der Liegenschaften der Steingasse 25 und 27
Der Gemeinderat hat, wie versprochen, ziemlich rasch gehandelt. Der Kampf um zwei alte Häuser an der Steingasse löste einiges aus. «Nun braucht es zuerst eine Gesamtbetrachtung», sagt Gemeindeammann Arsène Perroud folgerichtig. Nun folgt eine Planungszone.
Daniel Marti
Die Initiative zum Erhalt der beiden Gebäude an der Steingasse 25 und 27: abgelehnt. Das Baugesuch zum Abbruch der beiden Liegenschaften, die um 1800 gebaut wurden: abgelehnt. Der Gemeinderat schickt die gesamte Angelegenheit und damit auch die Spezialzone Steingasse auf Feld eins zurück und hat über die betreffenden Areale eine Planungszone verfügt.
Der goldene Mittelweg? «Nein», sagt dazu Gemeindeammann Arsène Perroud, «es ist der richtige Weg aus raumplanerischer Sicht.» Mit der Spezialzone verfolge man das Ziel, «den Charakter der Steingasse zu erhalten, und dabei geht es nicht um einzelne Häuser. Es braucht jetzt eine Gesamtbetrachtung.» Und die ist nur mit der eingeleiteten Massnahme, sprich Planungszone, möglich.
Natürlich wäre eine solche Gesamtbetrachtung rein theoretisch schon früher möglich gewesen. Aber jetzt ist sicherlich der Zeitpunkt gekommen, die Abklärungen zu treffen, um herauszufinden, was man genau möchte an der Steingasse. Und was nicht.
Zur Erinnerung. Die Eigentümerin IB Wohlen AG wollte beide Gebäude (Steingasse 25 und 27) abbrechen, um Parkplätze und verschiedene Betriebsinstallationen zu erstellen. Gegen das Baugesuch sind Einwendungen eingegangen – es hat auch politische Vorstösse ausgelöst. Der Gemeinderat hat das Baugesuch zum Abbruch der beiden Häuser nun abgelehnt. «Das Baugesuch entspricht nach Ansicht des Gemeinderats nicht den Anforderungen gemäss der geltenden Bau- und Nutzungsordnung für die Zone Steingasse, die den Erhalt des Charakters der Steingasse zum Ziel hat», heisst es in einer Medienmitteilung.
Erlass einer Planungszone
Warum die beiden Gebäude an der Steingasse 25/27 bei der letzten Überarbeitung des Inventars der schützenswerten Bauten im Jahr 2011 keiner Beurteilung der Schutzwürdigkeit unterzogen wurden, «ist für den Gemeinderat heute nicht nachvollziehbar». Darum werden nun im Zuge der anstehenden Gesamtrevision der Nutzungsplanung die Schutzbestimmungen an der Steingasse sowie das Schutzziel der gesamten Steingasse beurteilt.
Um den aktuellen Bestand bis zum Vorliegen der überarbeiteten Nutzungsordnung zu sichern, wird eine Planungszone für die Steingasse vom Kirchenplatz bis zum Talbisgässchen erlassen. Der Gemeinderat liefert auch die Argumente für diese Anordnung: Es geht um den Umgang mit potenziell historisch wertvollen Gebäuden, es geht um den Ortsbildschutz sowie die Anforderungen an den öffentlichen Raum. Mit Planungszonen können Entwicklungen, die in die falsche Richtung gehen könnten, verhindert werden.
Unternehmerische Freiheit der ibw bewahren
Weiter hat der Gemeinderat seine Haltung zur eingereichten Initiative «Rettet die Häuser an der Steingasse 25/27!» festgelegt. Mit der Initiative, die von 615 Personen unterschrieben wurde, sollte der Gemeinderat die IB Wohlen AG auffordern, die Gebäude an der Steingasse 24/27 nicht abzubrechen. «Ein solcher Vorgang würde jedoch im Widerspruch zur unternehmerischen Freiheit der verselbstständigten IB Wohlen AG stehen», schreibt der Gemeinderat. Und der Gemeinderat könne dem Verwaltungsrat der ibw «keine rechtsverbindlichen Vorgaben diesbezüglich machen. Ein Eingriff in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsrats der IB Wohlen AG entspricht nach Ansicht des Gemeinderates nicht dem Willen der Stimmbevölkerung, als sie die IB Wohlen AG im Jahr 2001 verselbstständigt hat.»
Der Gemeinderat betont, dass er die Absicht der Initiative, den Charakter der Steingasse zu erhalten, anerkennt. «Um dieses Ziel unabhängig der Eigentumsverhältnisse langfristig sicherzustellen, sind nach Ansicht des Gemeinderats verbindliche Regelungen auf baurechtlicher beziehungsweise raumplanerischer Ebene festzulegen.» Der Gemeinderat empfiehlt das Initiativbegehren daher zur Ablehnung.
Jetzt ausreichend Gedanken machen
Mit dem jetzt gewählten Weg ist Gemeindeammann Perroud überzeugt, dass nun die Möglichkeit besteht, sich ausreichend Gedanken zu machen über die Spezialzone Steingasse. «Und wir können das separat beurteilen.»
Ob denn nun alle Seiten zufrieden sind? Das sei nicht die Zielsetzung des Gemeinderates, stellt Perroud klar. Der Gemeinderat müsse seine beiden unterschiedlichen Rollen richtig ausführen: Die Beurteilung des Baugesuches und die Rolle als Eigentümervertretung. Und wie sieht er das mit den 615 Unterschriften, die es ja auch ernst zu nehmen gilt? Natürlich wolle man diesen Personen gerecht werden, sagt der Gemeindeammann, «aber die Initiative hat an der Problematik nichts verändert». Auch die Emotionalität rund um das Thema könne er nachvollziehen, aber der Gemeinderat müsse die Angelegenheit halt nüchtern betrachten.
Entscheid ist nachvollziehbar
Wie die weiteren Beteiligten reagieren
Die IB Wohlen AG wollte zwei alte Häuser an der Steingasse abbrechen. Manfred Breitschmid, SVP-Einwohnerrat, wollte dies mit politischen Vorstössen verhindern. Und an der Spitze des Initiativbegehrens steht Ruedi Donat, ehemaliger Gemeinderat und Mitte-Einwohnerrat. Per Initiative und mit 615 gültigen Unterschriften sollten die beiden Steingasse-Häuser gerettet werden. Was sagen sie alle zum Vorgehen des Gemeinderates?
Auswirkungen noch nicht abschätzbar
«Die ibw hat die Abweisung des Baugesuchs durch den Gemeinderat zur Kenntnis genommen», sagt Peter Lehmann, Vorsitzender der ibw-Geschäftsleitung. «Nach den Entwicklungen der vergangenen Monate kam der Entscheid selbstverständlich nicht unerwartet. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung werden in den nächsten Wochen über das weitere Vorgehen befinden.»
Der Entscheid des Gemeinderates, in der Steingasse eine Planungszone zu verfügen, ist für Lehmann nachvollziehbar. «Welche Auswirkungen diese Planungszone beziehungsweise die anstehende Gesamtrevision der Nutzungsplanung auf die ibw haben werden, können wir zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Wir hoffen jedoch, dass die künftigen Rahmenbedingungen die weitere Entwicklung der ibw nicht beeinträchtigen.»
Primäres Ziel erreicht
Ruedi Donat betont dagegen, dass er zuerst einmal froh sei, «dass das Abrissgesuch vom Gemeinderat abgelehnt wird. Unser primäres Ziel mit der Initiative ist daher erreicht.» Mit der Verfügung einer Planungszone werde ebenfalls einem Abriss entgegengewirkt. «Das ist sehr gut.» Nur könne gegen diese Planungszone einerseits Einsprache erhoben werden, «andererseits ist sie längstens auf fünf Jahre hinaus bewilligt. Und die BNO-Revision startet voraussichtlich noch in diesem Jahr. Laut Donat werde sie daher noch nicht wirksam sein, «wenn die Bewilligung der Planungszone im Jahr 2028 ausläuft».
Und Manfred Breitschmid betont, dass die Entscheide des Gemeinderates «sinngemäss meiner Motion entsprechen». Eine Planungszone verfolgt in etwa gleiche Ziele wie seine Vorstösse. Breitschmid forderte ein Konzept – und das sei nun mit der Planungszone ersichtlich. «Genau das macht jetzt der Gemeinderat», so Breitschmid. Darum sei er nicht unzufrieden mit dem Vorgehen des Gemeinderates. Bis zum jetzigen Entscheid «ist einfach viel Energie verpufft». --dm