Caroline Doka, freischaffende Journalistin, in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in der Nähe von Basel.
Nun habe ich also ein Enkeltöchterchen. Und wer bin ICH? Grossmami ist bereits besetzt. Oma? Omi? Grosi? Damit kann ich mich nicht ...
Caroline Doka, freischaffende Journalistin, in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in der Nähe von Basel.
Nun habe ich also ein Enkeltöchterchen. Und wer bin ICH? Grossmami ist bereits besetzt. Oma? Omi? Grosi? Damit kann ich mich nicht anfreunden. Doch halt, da gab es eine Nona: die Grossmutter meiner Mama im Val Müstair. Auch ihre Tochter, meine Grosstante, wurde Nona genannt. Mit ihr fühle ich mich verbunden. Als Jugendliche war ich öfter bei ihr im Landdienst. Wir plauderten viel. Sie zeigte mir, wie man Spätzliteig vom Brett schabt und verriet mir ihr Fuatscha-Grassa-Rezept. In ihrem malerischen Bündnerhaus mit den dicken Mauern und der duftenden Arvenstube fühlte ich mich geborgen.
Als die Nona verstarb, wurde das Haus an Fremde verkauft. Wie gerne wäre ich noch einmal in die heimelige Stube getreten und hätte mich auf die Ofenbank gesetzt. Doch die Tür war für immer verschlossen.
Neulich besuchte ich im Engadin einen Bike-Anlass. Am Vorabend überdenke ich nochmals die Oma-Optionen und entscheide mich intuitiv für Nona. Ich möchte die Tradition meiner Vorfahrinnen fortsetzen und ihnen Ehre erweisen. Freudig teile ich dies den frischgebackenen Eltern mit.
Am nächsten Morgen treffe ich am Start zum Bike-Event eine Bekannte aus dem Val Müstair. Sie stellt mir ein paar andere Münstertalerinnen vor, etwa eine Unterländerin, die dorthin gezogen ist. «Mit ihr musst du sprechen», sagt meine Bekannte augenzwinkernd, «sie lebt im Haus deiner Nona.» Ich bin wie vom Donner gerührt, mein Gegenüber nicht weniger. Und als sie meinen Namen erfährt, fällt sie fast vom Bike: «Du hast vor 20 Jahren mit meiner Cousine am Cape Epic in Südafrika teilgenommen! Ich verfolgte begeistert euer Rennen und lese seither immer deine Reportagen.» Tatsächlich fuhr ich damals mit einer Freundin dieses Mountainbike-Etappenrennen, es zählt zu den schönsten Erlebnissen meines Lebens. Wir können es kaum fassen, sind aufgewühlt und fühlen uns doppelt verbunden. Ich erzähle von Nona, deren Haus sie gekauft hat, und sie von den Umbauprojekten. «Du musst uns unbedingt besuchen», sagt sie.
Unglaublich! Da beschliesse ich, den Namen Nona und das Tal meiner Ahninnen zu ehren, und am nächsten Tag öffnet sich wie als Antwort die für immer verschlossen geglaubte Tür zu Nonas Haus. Ist dies Nonas Dank für die Namenswahl?