Nicht reden, sondern handeln
25.10.2024 WohlenDankbar für Alltägliches
«Tischlein deck dich» seit zehn Jahren im Einsatz
Ein Salat, ein Apfel oder ein Sinalco – für viele nichts Besonderes. Doch für rund 8 Prozent der Schweizer Bevölkerung ein Luxus. ...
Dankbar für Alltägliches
«Tischlein deck dich» seit zehn Jahren im Einsatz
Ein Salat, ein Apfel oder ein Sinalco – für viele nichts Besonderes. Doch für rund 8 Prozent der Schweizer Bevölkerung ein Luxus. Dank «Tischlein deck dich» kommen auch Armutsbetroffene zu diesen Lebensmitteln.
Monica Rast
Rund ein Drittel aller Lebensmittel wird verschwendet. Als erste Foodwaste-Organisation der Schweiz rettet «Tischlein deck dich» seit 25 Jahren Lebensmittel und bringt diese an Orte, wo sie gebraucht werden. Die geretteten und gespendeten Lebensmittel werden von den «Tischlein deck dich»- Logistikplattformen an rund 160 Abgabestellen in der ganzen Schweiz geliefert. Eine unter ihnen ist diejenige in Wohlen. Einmal wöchentlich sind rund 14 von den 24 Freiwilligen für Armutsbetroffene aus der Region im Einsatz. Immer mittwochs werden die Lebensmittel in der Bleichi abgegeben. Das Bedürfnis nach solchen Lebensmitteln ist gross. Das Angebot von «Tischlein deck dich» ersetzt zwar keinen Wocheneinkauf, hilft aber, ein enges Haushaltsbudget mit geretteten Lebensmitteln zu entlasten.
Für viele der Helfer eine Ehrensache, die Dankbarkeit der Kundinnen und Kunden der Lohn. Sie begegnen dem Team mit Respekt und Freundlichkeit und schätzen die Möglichkeit, für einen symbolischen Franken einkaufen zu können. Dank dem enormen Engagement jedes Einzelnen aus dem Team kommt neben den Lebensmitteln der Organisation noch einiges aus der Region hinzu. «Dank Brigitta Hubeli sind wir so ein gutes Team», ist unisono die Meinung der Helfer. Durch die grössere Menge an Produkten profitieren auch mehr Personen vom «Tischlein deck dich». Rund 93 Bezugskarten werden abgegeben. Hinter denen stehen rund 300 Personen. Tendenz steigend. So wird auch in Zukunft «Tischlein deck dich» für viele eine wichtige Rolle spielen. Und mit der Übergabe der Leitung in jüngere Hände wird es auch in Zukunft Lebensmittel in der Bleichi geben.
«Tischlein deck dich»-Abgabestelle bei der Bleichi feiert
Durch die «Tischlein deck dich»-Abgabestelle in der Bleichi werden seit zehn Jahren Lebensmittel gerettet und an armutsbetroffene Menschen in der Region abgegeben. So setzt sich ein Team aus Freiwilligen Woche für Woche gegen Foodwaste und Armut ein.
Monica Rast
Es ist Mittwochmorgen, und während in der Bleichi die letzten Lebensmittel hergerichtet werden, bildet sich bereits eine Schlange von armutsbetroffenen Menschen vor der geschlossenen Tür. Dass es in Wohlen ein «Tischlein deck dich» gibt, ist für sie ein Glücksfall. «Es gibt einige, die kommen bereits seit zehn Jahren», erzählt Abgabenstellenleiterin Brigitta Hubeli und begrüsst eine Kundin mit Namen.
Für einen symbolischen Franken können sie einmal in der Woche in der Bleichi einkaufen. Berechtigt sind Personen, die über eine Karte verfügen. Diese wird von verschiedenen Organisationen wie Kirche, Heilsarmee, Mütterberatung oder Vereinen wie dem Gemeinnützigen Frauenverein in Wohlen abgegeben. «Sie haben den persönlichen Kontakt zu den Kunden», erklärt Franziska Bärtschi, zuständige Leiterin von «Tischlein deck dich» für die Region Nordwestschweiz. Sie ist anlässlich des Jubiläums in Wohlen.
Ein Blick hinter die Kulissen
«Wer muss sprechen?», fragt Brigitta Hubeli und sieht dabei Franziska Bärtschi und ihre Kollegen vor Ort Rolf Keusch und Romy Strebel an. Natürlich gehört die Ehre der Leiterin. So begrüsst Brigitta Hubeli an diesem speziellen Tag die eingeladenen Gäste, welche die Organisation «Tischlein deck dich» unterstützen.
An vorderster Front steht vor allem der Gemeinnützige Frauenverein, der durch Mitglieder vom Vorstand vertreten ist, Pfarrer Ignatius Okoli von der katholischen Kirche und von der Missione Cattolica Italiana Don Luigi Talarico. «Ich freue mich, dass sie Interesse an unserer Arbeit haben. Vieles passiert im Hintergrund», erklärt Brigitta Hubeli und erzählt, wie sie und ihr Mann am Vortag Kartoffeln kontrolliert und bereitgestellt haben. «Doch ich werde älter und habe weniger Kraft», meint sie, «es ist super, dass ein junger Mann nun meine Aufgaben übernimmt und es gut weitergeht.» Rolf Keusch ist vor gut einem halben Jahr zum Team gestossen und wird nun ab Januar die Leitung in Wohlen übernehmen.
Eine gute Sache aufgebaut
In den zehn Jahren haben Brigitta Hubeli und ihr Team eine gute Sache aufgebaut. «Wir schätzen eure Unterstützung sehr.» Neben den Lebensmitteln von der Organisation «Tischlein deck dich» gibt es viele lokale Spender wie Bäckereien, Gemüsehändler, Detailhändler und die Firma Schüwo, die «Tischlein deck dich» in Wohlen unterstützen.
Dank ihnen können fast ein Drittel mehr Karten abgegeben werden. So konnten im letzten Jahr für über 10 000 Personen Lebensmittel bereitgestellt werden. Durch «Tischlein deck dich» kann der Foodwaste reduziert werden und man unterstützt dabei armutsbetroffene Personen – Lebensmittelrettung und Lebensmittelhilfe in einem.
Wie die Abgabe vonstattengeht, können die anwesenden Gäste gleich selbst miterleben. In kleinen Gruppen werden sie herumgeführt und erhalten einen Einblick in die Arbeit der rund 25 freiwilligen Helfenden.
Einkaufen in der Bleichi
«Es sieht aus wie in der Migros», erklärt Rolf Keusch seiner Gruppe, «wir haben sogar Einkaufswagen.» Jeder Kunde nimmt neben der Einkaufstasche noch eine Kühltasche mit. Denn nur so können gekühlte Produkte wie Frischkäse oder Milch abgegeben werden. «Wir haben eine Vereinbarung mit dem Lebensmittelinspektorat», erklärt Bärtschi. Dadurch ist die Abgabe der Lebensmittel auch auf eine Stunde begrenzt, damit die Kühlfolge gewährleistet wird. «Die Temperatur der gekühlten Produkte wird überprüft», ergänzt Rolf Keusch.
Die Herausforderung des Teams ist es, die zur Verfügung stehenden Lebensmittel zu verteilen. «Beim Gemüse und bei den Früchten ist es manchmal recht tricky», meint Keusch. «Damit es aufgeht, wird mit einem Verteilschlüssel gearbeitet und auch die Erfahrung spielt eine Rolle.» Dies passiert alles am Morgen, wenn die Lebensmittel auf den Tischen verteilt werden. Denn erst da ist es ersichtlich, was vorhanden ist.
Mit einem wachsamen Blick begutachtet Bruno Widmer die Auslage an Broten. Er ist einer der Helfer und ehemaliger Inhaber der Bäckerei Widmer. Er findet es gut, dass die Lebensmittel nicht in die Tonne wandern, und erwähnt, wie dankbar die Leute sind. «Ich hoffe, dass wir auch immer genug Nachfolger haben.»
Eine gute Sache findet es auch Kathrin Graf. Sie ist zum ersten Mal hier und unterstützt das Team beim Verteilen. «Es ist mir ein Anliegen, ‹Tischlein deck dich› zu unterstützen», erklärt sie, während sie gerade Trauben einer Kundin überreicht. «Die Kinder sind in der Schule und ich finde, man sollte nicht nur reden, sondern auch handeln.» So sieht sie ihre Arbeit bei «Tischlein deck dich» als christliche Pflicht, den sozial Benachteiligten zu helfen und aktiv etwas gegen den Foodwaste zu tun.
«Chapeau»
Die Gäste sind beeindruckt von der Leistung des Teams. «Es war spannend, das Ganze eins zu eins mitzuerleben», meint Alessandra Schäfer vom Gemeinnützigen Frauenverein. «Es zeigt, wie flexibel das Team ist.»
Auch die anderen sind beeindruckt. «Chapeau» ist der Ausdruck, der mehrmals fällt. «Man spürt den Respekt und die Dankbarkeit gegenüber dem Team», ist eine weitere einheitliche Aussage der Gäste.
Das engagierte Team organisierte sich im vergangenen Jahr zu einer Spezialabgabe an Weihnachten. «Dies war ein voller Erfolg», erinnert sich Romy Strebel, «gerade die Blumen waren etwas ganz Besonderes.»
Auch dieses Jahr wird es wieder eine Sonderabgabe an Silvester geben. Dies dank den lokalen Unterstützern und einem engagierten Team.