Mit guten Gefühlen abtreten
12.12.2025 Region Unterfreiamt, Büttikon, PorträtAmmann Giancarlo Silvestri tritt nach 12 Jahren im Gemeinderat zurück
Die letzte, etwas chaotische «Gmeind» trübt das Bild seiner Amtszeit nicht. Schwieriger war da schon der Einstieg. Giancarlo Silvestri ist mehr aus Zufall Ammann geworden, bereut hat ...
Ammann Giancarlo Silvestri tritt nach 12 Jahren im Gemeinderat zurück
Die letzte, etwas chaotische «Gmeind» trübt das Bild seiner Amtszeit nicht. Schwieriger war da schon der Einstieg. Giancarlo Silvestri ist mehr aus Zufall Ammann geworden, bereut hat er den Schritt nie. Ihm war ein gutes Verhältnis im Gremium und mit den Bürgern wichtig.
Chregi Hansen
Die Situation ist nicht einfach in Büttikon. Die Gemeinde hat kein Budget für das kommende Jahr. Sie hat zu wenig Schulraum. Und sie hat eine Vakanz im Gemeinderat. Und trotzdem: Giancarlo Silvestri verabschiedet sich mit einem guten Gefühl von seinem Amt als Gemeindeammann. «Ich bin zwölf Jahre im Gemeinderat. Davon waren elf positiv», sagt er.
Zu den elf guten Jahren zählt er sogar die höchst turbulente «Gmeind» im November. «Das ist Demokratie», stellt er nüchtern fest. Und ja, der Gemeinderat habe vermutlich Fehler gemacht, «heute würden wir anders vorgehen. Im Vorfeld sicher besser kommunizieren. Und die Versammlung in die Turnhalle verlegen», schaut er auf die Geschehnisse zurück. Der Grossaufmarsch habe sie alle überrascht, wegen der fehlenden Mikrofone habe man zum Teil nicht alles verstanden. Und durch die Umstellung der Traktanden habe der Gemeinderat seine Argumente nicht richtig präsentieren können. «Wir haben eben sehr engagierte Bürger, welche sich einbringen. Das ist doch eigentlich positiv», fügt er an. Er habe jedenfalls keine schlechten Gefühle, wenn er an diese Versammlung zurückdenkt. Man müsse auch verlieren können. «Mit dem Alter wird man auch etwas gelassener», sagt er heute.
Wenn zwei sich streiten
70 Jahre alt ist Giancarlo Silvestri inzwischen, seit vier Jahren ist er pensioniert. Dass er 12 Jahre als Gemeinderat in Büttikon tätig sein würde, hätte er sich nicht vorstellen können. Denn der Einstieg war hart. Zusammen mit Christian Camenisch wurde er 2013 neu gewählt, doch die Stimmung im Gremium war schlecht, zwei der Gemeinderäte waren ständig am Streiten, es wurde gegen- und nicht miteinander gearbeitet. «Manchmal haben Christian und ich uns angeschaut und uns gefragt: Wollen wir uns das wirklich antun?», erzählt Silvestri. Das Ganze endete mit einem Knall und dem sofortigen Rücktritt des damaligen Gemeindeammanns. Und Giancarlo Silvestri wurde 2015 zum Nachfolger gekürt. Nicht ganz freiwillig, wie er zugibt. «Einer musste sich eben opfern», lacht er.
Nie das Rampenlicht gesucht
Der gelernten Autospengler, der später die Handelsschule absolvierte und zuletzt bei der Stadtverwaltung Dietikon angestellt war, wollte das Amt aber anders ausführen, als es üblich war. «Ich wollte nicht der grosse Chef sein, der immer vorangeht und im Scheinwerferlicht steht», sagt er. Und es habe funktioniert – er habe immer grosse Unterstützung erfahren, gerade auch vom langjährigen Vizeammann Kurt Sax, mit dem er sich oft ausgetauscht hat. Seither hätten sie es gut gehabt im Rat, betont er. Darum spricht er von elf guten Jahren. «Wir hatten auch in dieser Zeit kontroverse Diskussionen. Aber wir haben immer Lösungen gefunden. Und bis auf die letzte Versammlung hatten wir auch fast immer die Bevölkerung hinter uns», schaut er auf seine Amtszeit zurück.
Lob für Verwaltung
Ihm habe die Aufgabe jedenfalls Spass gemacht, auch wenn der Aufwand zeitweise beträchtlich war. Auf 25 bis 30 Prozent schätzt er das Pensum. Darum hat er auch sein Arbeitspensum reduziert, war jeden Freitagnachmittag für die Gemeinde im Einsatz. «Es gab Wochen, da war ich jeden Abend im Gemeindehaus», berichtet er. Aber in einer so kleinen Gemeinde wie Büttikon müsse der Gemeinderat eben Arbeiten übernehmen, die andernorts von Angestellten erledigt werden. Die Büttiker Verwaltung ist sehr schlank aufgestellt. «Aber wir haben Topleute auf allen Positionen», so das Lob des amtierenden Ammanns. Seine Devise war immer, sich nicht zu sehr in deren Arbeit einzumischen. Man soll gute Leute machen lassen, denn die wissen, was zu tun ist.
Silvestri hat sich in seiner Amtszeit um die Ressorts Personal, Finanzen und Soziales gekümmert. Auch eine kleine und ländliche Gemeinde wie Büttikon habe heute Sozialfälle, berichtet er. Die Gespräche, die er geführt habe, seien nicht immer einfach gewesen, «da steckt jedes Mal ein Schicksal dahinter». Von seinen beruflichen Kenntnissen – Silvestri arbeitete in Dietikon im Rechtsdienst – konnte Büttikon oft profitieren. Den Sozialdienst hat das Dorf noch in eigenen Händen, in anderen Bereichen arbeitet man mit den Nachbarn zusammen. Und das sehr gut. Bei der Schule mit Wohlen, bei der KESD mit Villmergen, bei der Feuerwehr mit Uezwil, und das Betreibungsamt ist in Waltenschwil. «Es geht eben nicht anders, wir können nicht alles anbieten. Aber das Steueramt, das behalten wir, das finden wir wichtig.»
Die Herausforderungen bleiben auch in der Zukunft gross. Und das nicht nur wegen dem fehlenden Budget. Da sei man auf gutem Weg. «Wir haben nochmals alles hinterfragt. Haben nochmals gekürzt. Zudem sehen die Zahlen besser aus als noch im Sommer. Ich bin überzeugt, dass das neue Budget eine Mehrheit finden wird», sagt der Amme. Man sei bei der Erarbeitung auch mit den Kritikern zusammengesessen und habe zudem die neuen Gemeinderäte bereits einbezogen, «denn sie müssen nachher damit arbeiten». Klar sei, dass der Steuerfuss nach oben geht. Wie hoch, das kann er noch nicht sagen, der Prozess sei noch nicht abgeschlossen. «Aktuell stehen wir finanziell nicht schlecht da. Aber es stehen grosse Investitionen an. Wir können uns nicht erlauben, mehrere Jahre ein Minus zu kalkulieren», fordert er Verständnis für die geplante Erhöhung.
Aus Fehlern lernen
Das bevorstehende Wachstum werde die Gemeinde stark fordern, fährt er fort. Aktuell hat die Gemeinde rund 1170 Einwohner, wenn die geplanten Projekte alle umgesetzt werden, dürften es bald 1400 sein. Das erfordert Investitionen in die Infrastruktur. Auch darum braucht es einen höheren Steuerfuss. Es benötige aber sicher mehr Informationen im Vorfeld der nächsten «Gmeind», ist für ihn klar. «Aus Fehlern kann man lernen», sagt er.
Per Zufall in Büttikon gelandet
Er selbst wird die Debatte dann aus den hinteren Reihen verfolgen, sich einmischen will er nicht mehr. «Dass sich ehemalige Gemeinderäte zurückhalten, das war bis anhin Usus hier bei uns. Beim letzten Mal hat das leider nicht mehr geklappt», sagt er schmunzelnd. Er hofft und ist überzeugt, dass schon bald wieder Ruhe einkehrt im Dorf. Wobei: Er sei nie persönlich angegriffen worden. Es ging immer nur um die Sache. Auch darum ist es ihm wohl in diesem Dorf, in das er vor 22 Jahren mehr aus Zufall gezogen ist. «Ich wohnte damals in Waltenschwil und war auf der Suche nach einem Haus und bin mit dem Motorrad durchs Dorf gefahren. Da habe ich gesehen, dass diese Liegenschaft geräumt wird. Ich kam mit dem Besitzer in Kontakt und wir wurden uns sehr schnell einig», erzählt er. Seither lebt er hier und hat sich gut integriert.
In Zukunft kann er das Dorfleben noch viel mehr geniessen. Giancarlo Silvestri freut sich darauf, mehr freie Zeit zu haben. Für seine Hobbys. Für seine Enkel. Und für Reisen nach Italien, in die Heimat seiner Eltern. «Ich kann mit einem guten Gefühl aufhören», sagt er am Schluss noch einmal. Die turbulente «Gmeind» im November, die viele andere so schlimm fanden, die hat er längst abgehakt. Da bleibe nichts hängen. Die schönen Erinnerungen an seine Amtszeit dominieren. Und eine solche Zeit wünscht er auch dem neuen Gemeinderat. «Mögen sie es so gut haben, wie das bei uns die meiste Zeit der Fall war.»

