Mit ganz viel Offenheit
28.06.2024 Region Oberfreiamt, SinsNach zwölf Jahren verlässt Hansueli Hauenstein die Reformierte Kirche Muri Sins
Stärker präsent sein im Raum Sins. Das war eines der Ziele, die die Reformierte Kirche Muri Sins vor zwölf Jahren verfolgte, als sie Hansueli Hauenstein einstellte. ...
Nach zwölf Jahren verlässt Hansueli Hauenstein die Reformierte Kirche Muri Sins
Stärker präsent sein im Raum Sins. Das war eines der Ziele, die die Reformierte Kirche Muri Sins vor zwölf Jahren verfolgte, als sie Hansueli Hauenstein einstellte. Ende Monat nun geht er in Pension und blickt zurück auf ganz viele Begegnungen, die seinen Alltag bereicherten.
Annemarie Keusch
Was er in den zwölf Jahren in Sins bewirkt hat? Hansueli Hauenstein überlegt. «Das müssten eigentlich andere beurteilen», sagt er und grinst. Es sei schwierig zu sagen, auch weil die Stelle damals neu geschaffen wurde. Präsenter sein im Oberen Freiamt war das Ziel, mit Schwerpunkt auf Familien und Kindern. «Das war es, was mich damals an dieser Anstellung faszinierte», sagt Hauenstein. Und zwölf Jahre später kann er sagen: «Ich glaube, diese Ziele wurden erreicht.» Hauenstein nennt die Räumlichkeiten an der Aarauerstrasse. Hier ist die Reformierte Kirche Muri Sins präsent, hier finden Veranstaltungen statt, hier kommen Menschen miteinander in Kontakt, hier setzen sich Passantinnen und Passanten auf die blaue Bank.
Und hier war zwölf Jahre lang Hansueli Hauensteins Arbeitsort. Hier hat er gewirkt. Was bleibt? Wohl vor allem das Weihnachtsspiel, das grosse Ausstrahlung hatte und Jahr für Jahr viel Publikum anzog. «Für mich war immer besonders wichtig, wie das Projekt entstand», erzählt der reformierte Pfarrer. Er gab nie ein fertiges Theaterstück vor, stattdessen erarbeitete er ein solches mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern. Es ging ihm nicht um die klassische Weihnachtsgeschichte. «Natürlich, die ist auch schön, aber es gibt so viel mehr Möglichkeiten, die Themen von Weihnachten aufzunehmen und Kindern und Jugendlichen mit auf den Weg zu geben.»
Dem Gegenüber gerecht werden
Und genau darum geht es Hansueli Hauenstein. Nach starren Vorgaben zu funktionieren, das entspricht ihm nicht. «Zentral ist für mich, dass die Menschen, mit denen ich zu tun habe, frei sein können, zum Zug kommen, sich entfalten», sagt er. Das ist für ihn gelebter Glaube. Solche Begegnungen habe er in den zwölf Jahren ganz viele gehabt. «Diese erfüllten mich in ihrer Vielfalt enorm. Begegnungen mit Menschen aus allen Milieus, das ist ein grosses Privileg meines Berufs.» Auch wenn das ihn nicht selten ganz schön forderte. Denn es sind nicht nur schöne Momente, die Hauenstein begleitete, sondern auch viele traurige. Die Beerdigung eines Kindes beispielsweise, das er wenige Jahre zuvor getauft hatte. «Wie ich damit umgehen konnte? Ich weiss es nicht. Vielleicht, indem ich mich nicht wehre, Emotionen zuzulassen. Gleichzeitig kommt in solchen Momenten die Professionalität, die es braucht, um in meiner Funktion dem Gegenüber in solchen Momenten gerecht zu werden.» Seine Tätigkeit habe ihm viele Seiten auch des eigenen Lebens gezeigt, die er vorher nicht so wahrgenommen habe. «Entsprechend nahm ich es teilweise als belastend, aber immer als bereichernd wahr.»
Vor seinem Engagement in Sins war Hauenstein zwei Jahrzehnte lang in Sursee tätig. «Ich wollte nochmals etwas Neues angehen», begründet er den Wechsel. Er habe eine Gemeinde gesucht, deren Strukturen ähnlich sind, in der die Reformierte Kirche ebenfalls eine Minderheitsgemeinde ist. Warum? «Weil dadurch viel mehr Raum für Neues da ist. Die Offenheit ist spürbar. Dass etwas immer schon so war und darum weiter beibehalten werden muss, das gibt es so nicht. Als Minderheitsgemeinde müssen wir schon lange darauf schauen, wo die Leute sind, was gefragt ist.» Und Hauenstein stellte fest, dass dies auch bei kleiner geografischer Distanz durchaus ganz anders sein kann. Die Waldweihnacht war in Sursee sehr beliebt, entsprechend plante er auch einen solchen Anlass, als er nach Sins kam. «Neben einer Familie, die ihr Kind taufte, kam nur ein zusätzlicher Gast. Es war schön, aber nicht das, was ich erwartet hatte», blickt er zurück. Die Waldweihnacht in Sins blieb ein einmaliges Experiment.
Für ihn ist es der perfekte Moment
Sich anpassen. Die Leute dort abholen, wo sie sind. Das gefällt Hauenstein an seiner Tätigkeit. Entsprechend sagt er angesprochen darauf, was er seiner Nachfolge mitgeben will: «Eigentlich nichts, vielleicht, dass er oder sie nichts überstürzen soll. Wenn ich nochmals neu hier wäre, würde ich mir genug Zeit nehmen, um zu schauen, was wo und wie läuft.»
Dafür ist es bei Hansueli Hauenstein längst zu spät. Zwölf Jahre lang hat er Kontakte geknüpft, ist Leuten begegnet, hat sich mit ihnen ausgetauscht. «Ja, nach dieser Zeit bin ich mit der Kirchgemeinde sehr eng verbunden.» Hauenstein lebt auch in Sins. Und trotzdem sagt er, dass es für ihn ein guter Zeitpunkt für den Abschied sei. Über das Pensionsalter hinaus bei der Reformierten Kirche Muri Sins zu arbeiten, das wollte er nicht. «Für mich passt es, nun zu gehen.» Das Abschliessen hinterlasse bei ihm ein gutes Gefühl, auch wenn es schwierig sei, die Emotionen, die damit verbunden sind, einzuordnen. Der letzte Gottesdienst, die letzten Besuche bei Geburtstagen, der letzte Konfirmationsunterricht, der letzte Tag voller Administrationsarbeiten im Büro. Der Abschied war vielschichtig, wie die Arbeit zuvor.
Unter einem Berg von Osterhasen
Hansueli Hauenstein blickt mit Dankbarkeit zurück. Etwa auf die Tageslager, die er seit einigen Jahren begleitet. Ein Angebot für Kinder im Vorschulund Primarschulalter. In der ersten Sommerferienwoche verbringen sie die Tage in und um die Reformierte Kirche in Muri und übernachten zu Hause. «Ein tolles Projekt. Letztes Jahr waren gegen 30 Kinder dabei.» Oder auf seine andere Tätigkeit, die er neben dem 80-Prozent-Pensum bei der Reformierten Kirche Muri Sins wahrnahm. Hauenstein hört Ende Monat auch als Seelsorger im Gefängnis in Kriens auf. Auch in diesem Zusammenhang spricht er von eindrücklichen Begegnungen, von Geschichten und Situationen, die immer wieder präsent sind.
Bei aller Begeisterung für die Theorie, die Philosophie und die Literatur, die die Theologie in ihm auslöst. Bei aller Freude, die er auch für die Praxis des Pfarramtes empfindet – Hauenstein weiss, dass auch die Reformierte Kirche keine einfachen Zeiten erlebt. Als «grossen Umbruch» bezeichnet es Hauenstein. Er spricht von riesigen Veränderungen, die auf alle Kirchen zukommen. Tut ihm das weh? Er überlegt. «Manchmal bedaure ich es, dass die Auseinandersetzung mit religiösen Themen derart an den Rand gedrängt wird.» Religiöse Traditionen könnten gerade bei Kindern kaum mehr vorausgesetzt werden. «Wenn das Osterfest mit all seinen Zusammenhängen und Themen unter einem Berg von Osterhasen verschwindet, dann bedaure ich das.»